Universalschaum aus alten Autoreifen
Geeignet zur Schall- und Wärmedämmung, zum Aufsaugen von Öl nach Unfällen und zum Schutz von wertvollen Geräten vor Feuchtigkeit. Die Herstellung ist einfach, kostengünstig und umweltverträglich.
Jährlich werden weltweit rund 13,5 Millionen Tonnen Altreifen entsorgt. Nur ein kleiner Teil wird wiederverwertet, etwa als Granulat, das Asphalt und dem Belag von Tartan-Laufbahnen beigemischt wird. Der größte Teil wird verbrannt oder deponiert. Dabei enthalten sie wertvolle Rohstoffe wie Gummi, Stahl und Ruß. Doch die Wiedergewinnung ist zu teuer.
Forscher an der National Universität of Singapore (NUS) haben möglicherweise eine Lösung gefunden, zumindest für einen Teil des vermeintlichen Abfalls. Sie stellen aus abgefahrenen Pneus einen hochwertigen festen Schaum her, der verblüffende Eigenschaften hat. Er saugt Öl auf, das bei Unfällen frei wird, lässt sich als effektive Schall- und Wärmedämmung einsetzen, und schützt empfindliche Geräte vor Feuchtigkeit. Mit einer Dichte von 57 bis 126 Milligramm pro Kubikzentimeter ist er zudem sehr leicht. Styropor kommt auf 20 bis 60 Milligramm pro Kubikzentimeter.
Schaum wird im Gefriertrockner fest
Die Professoren Nhan Phan-Thien und Duong Hai-Minh schaben zunächst die Gummifraktion ab und zerkleinern sie zu feinen Fasern schütten sie in Wasser. Die Suspension rühren sie dann mit einer Art –Schneebesen 20 Minuten lang gründlich durch, ehe sie in einer Form landet, etwa einer rechteckigen Wanne mit dem erhabenen Kürzel NUS. Nächste Station ist ein Gefriertrockner, der auf eine Temperatur von minus 50 Grad Celsius heruntergekühlt wird. Dort verdampft nach und nach das Wasser, wobei die Flüssigphase übersprungen wird, ein Verfahren, das auch zum Konservieren von Nahrungsmitteln genutzt wird. Dazu gehört beispielsweise Pulverkaffee. Zwölf Stunden später ist der Schaum fertig – das Wasser ist restlos verdunstet.
6 Euro pro Quadratmeter
„Der Herstellungsprozess ist einfach, kostengünstig und umweltverträglich“, sagt Hai-Minh. Eine Platte mit einer Fläche von einem Quadratmeter soll 10 Singapur-Dollar kosten, also rund 6 Euro. Es sei problemlos möglich, die Schaumplatten in großen Mengen industriell herzustellen.
„Wir haben uns darauf konzentriert, aus alten Autoreifen ein wertvolles Produkt zu schaffen, weil das Ausgangsmaterial äußerst billig ist“, so Hai-Minh. „Das schafft einen hohen Anreiz, Altreifen nicht mehr als Abfall zu verbrennen, sondern sie stofflich zu recyceln.“
Tatsächlich sind die Chancen für eine Kommerzialisierung des Universalschaums groß. Allein in Autos wird Schall- und Wärmedämmmaterial im Wert von 3,2 Milliarden US-Dollar eingesetzt. Auch die Ölindustrie benötigt große Mengen an saugfähigem Material.
Ideal für die Wärmedämmung von Gebäuden
Mapletree Investments, eine Immobilienentwicklungs-, Investment-, Kapital- und Verwaltungsgesellschaft mit Sitz in Singapur, hat die Entwicklungsarbeit mit umgerechnet rund 100.000 Euro unterstützt. Edmund Cheng, Chairman des Unternehmens, denkt vor allem an einen Einsatz des Schaums zur Wärmedämmung von Gebäuden. Der Wärmedurchgangskoeffizient liegt bei 0,035 bis 0,049 Watt pro Quadratmeter und Kelvin. Zum Vergleich: Eine 36,5 Zentimeter dicke Wand aus Porenbeton, der gute Wärmedämmeigenschaften hat, kommt auf 0,5 bis 0,8 – je höher der Wärmedurchgangskoeffizient, desto schlechter ist die Wärmedämmung. Reifengummischaum ist also fünfmal effektiver.
Auch der Schallabsorptionskoeffizient kann sich sehen lassen. Bei einer Schaumdicke von drei Zentimetern liegt er bei 0,56, das heißt 56 % des Schalls in einem bestimmten Frequenzbereich werden absorbiert. Ein etwa gleich dickes Vlies aus Polyethylen kommt auf 0,54.
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