Urbanes Lichtchaos bringt den Verlust der Nacht
Beleuchtung im öffentlichen Raum verbinden wir mit Wohlstand, Sicherheit und Modernität. Vor allem die nächtliche Lichtverschmutzung wird jedoch zunehmend kritisch gesehen. Im Forschungsverbund „Verlust der Nacht“ untersuchen Wissenschaftler die Auswirkungen der illuminierten Nacht.
Jedes Jahr im Oktober ist Berlin zehn Tage lang auch nachts taghell beleuchtet. Beim „Festival of Lights“, eines der größten Illuminationsfestivals der Welt, werden Monumente, Straßen und Plätze kreativ mit Licht in Szene gesetzt. Das Spektakel zieht zwei Millionen Besucher an und ist zu einem Wirtschaftsfaktor geworden. Wenn einige Wissenschaftler die Faszination an dieser Art von Lichtkunst nicht uneingeschränkt teilen, wirkt das leicht wie Spielverderberei.
Denn Licht im öffentlichen Raum ist nicht nur eine Selbstverständlichkeit, sondern wird auch überwiegend positiv bewertet. Das gilt für kreative Illuminationen wie für die gewohnte nächtliche Beleuchtung unserer Städte. Die Lichtverschmutzung nimmt jedoch zu, mit bisher unbekannten Auswirkungen auf Mensch und Natur. Natur-, Kultur- und Sozialwissenschaftler sehen eine „Kakophonie“ verschiedener Lichtquellen und plädieren für strategische Lichtplanung.
Zweieinhalbjährige Forschungen zum „Verlust der Nacht“
Die internationale Konferenz „Die helle Seite der Nacht“ am 20. und 21. Juni 2013 am Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) in Erkner bei Berlin thematisiert jetzt die sozialwissenschaftliche Perspektive der Lichtverschmutzung. Soziologen, Historiker, Geographen, Planer, Kultur-, Politik- und Wirtschaftswissenschaftler kommen zusammen und diskutieren Lichtwahrnehmungen und -praktiken, Konflikte und Regulationsansätze, Kosten und Nutzen von künstlichem Licht.
Eingebettet ist die Konferenz in den vom Bundesforschungsministerium geförderten interdisziplinären Forschungsverbund „Verlust der Nacht“. In dem zweieinhalbjährigen Projekt, das Ende dieses Jahres ausläuft, untersuchen Wissenschaftler die ökologischen, gesundheitlichen, kulturellen und sozioökonomischen Auswirkungen, aber auch die Ursachen für die zunehmende nächtliche Beleuchtung.
„Das Interesse an konzeptionellen Ansätzen zur Lichtgestaltung in Städten ist insbesondere in den letzten zehn Jahren gewachsen“, sagt Katharina Krause, die am IRS sozialwissenschaftliche Forschung im Rahmen des Verbundprojekts „Verlust der Nacht“ betreibt. „Dies hängt zum einen mit der aktuellen Debatte um Klimawandel, CO2-Emissionen, Lichtverschmutzung und Energieverbrauch zusammen, andererseits sehen die Städte in öffentlichen Beleuchtungsprojekten Möglichkeiten der Inszenierung und des Marketings.“ Das sei ein hochkomplexes Feld aus öffentlichen und privaten Akteuren, in dem es häufig zu Konflikten komme.
Leuchtreklame wurde bereits vor 100 Jahren kritisiert
So analysiert eines der insgesamt 14 Teilprojekte im Untersuchungsraum Berlin-Brandenburg die gegenwärtigen Interessenslagen und Problemwahrnehmungen zur Lichtverschmutzung. Zum ersten Mal werden die Akteure in dieser Gesamtkonstellation untersucht: Das sind Gestalter von Beleuchtungssystemen wie Leuchtenhersteller, Energieversorger, Investoren, Werbebüros, Stadtplaner oder Architekten sowie die Kritiker von Lichtverschmutzung wie Umweltgruppen, Ökologen, Anwohner oder Hobby-Astronomen. Welche Bündnisse sind erkennbar, wer verfolgt welche Interessen und welche institutionellen Handlungsmöglichkeiten gibt es. Durch die Dokumentation positiver wie negativer Images von Nachtlandschaften will die Untersuchung zu einem differenzierten Bild der Wahrnehmung des künstlichen Lichts kommen.
Grundsätzlich neu ist die Kritik an übermäßiger oder unerwünschter Beleuchtung nicht. Ute Hasenöhrl vom IRS betreibt umwelt- und sozialhistorische Forschungen im Verbund „Verlust der Nacht“ und identifizierte bereits zu Zeiten der „Beleuchtungsrevolution“ des 19. und 20. Jahrhunderts, als mit Gas- und elektrischem Licht umfassende Möglichkeiten zur Beleuchtung und Inszenierung des öffentlichen und privaten Raums entstanden, heftige Debatten um die neue Lichtfülle. „Speziell die Leuchtreklame rief in den 1910er und 20er Jahren sowohl Begeisterung als auch Skepsis hervor. Die Proteste der Heimatschützer gegen die „Verschandelung“ des Stadtbildes führten auch zur Verabschiedung erster Regelwerke gegen den unkoordinierten Lichterwettstreit.“
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