Verblüffend: So können Ingenieure aus Kohle Backpulver machen
Backpulver aus Kohle? Klingt komisch, bekommt eine Pilotanlage in Duisburg aber tatsächlich hin: Sie verwandelt Abgase der Koksproduktion in Hirschhornsalz, das sich sogar zum Backen von Weihnachtsplätzchen eignet. Aber auch als Rohstoff für Dünger.
Für die Produktion flüssigen Roheisens in Hochöfen braucht man Koks als Brennstoff. Eine ganze Menge Koks. Allein für Duisburger Schmelzöfen stellt die Kokerei Schwelgern (KBS) jährlich 2,6 Millionen t her. „Dabei wird in der Kokerei Kohle unter hohen Temperaturen gebacken. Die in diesem Prozess entstehenden heißen Gase führen eine Reihe von Stoffen mit sich“, erklärt Holger Thielert von ThyssenKrupp Industrial Solutions. Um diese als Rohstoffe zu verwerten, hat der Anlagenbauer mit der Kokerei Schwelgern und der Technischen Universität Berlin in Duisburg eine Pilotanlage in Betrieb genommen.
Anlage verwandelt Abgase in Backpulver
Die Anlage nutzt die Abgase für die Produktion sogenannten Hirschhornsalzes, das sich beispielsweise als Backpulver verwenden lässt. Wie das funktioniert? „In der Versuchsanlage wird in einem komplexen Verfahren das Koksofensalz gewaschen“, erklärt Thielert. „Unter Beigabe von Kohlenstoffdioxid entsteht Ammoniumbicarbonat – umgangssprachlich Hirschhornsalz.“ Das Salz nutzten Weihnachtsbäckereien schon vor Jahrhunderten. Denn es sorgt dafür, dass schwere und kompakte Teige von Lebkuchen und Plätzchen kaum aufgehen, aber locker und elastisch werden.
In Duisburg laufen erste Praxistests auf Hochtouren
Erste Ergebnisse des Praxistests liegen bereits vor und sind vielversprechend: „95 % des im Koksofengas enthaltenen Ammoniaks können genutzt werden“, sagt Sebastian Riethof von der TU Berlin. „Aus 15 qm3 Koksofengas und 2 qm3 Kohlenstoffdioxid entstehen so pro Stunde 15 kg Feststoffe.“
Aus dem Hirschhornsalz lassen sich theoretisch auch andere Chemieprodukte zu marktfähigen Kosten herstellen, beispielsweise Stichstoffdünger sowie Treib- und Schäumungsmittel für Kunststoffe oder poröse Keramiken.
Anlage könnte weltweit zum Einsatz kommen
Die Anlage passt sich perfekt in die Umweltstrategie der Kokerei Schwelgern ein: „Schon jetzt werden hier in Duisburg nahezu alle anfallenden Prozessgase möglichst effizient verwertet“, erklärt KBS-Geschäftsführer Peter Liszio. „Gelingt es uns jetzt noch langfristig, sowohl aus den Koksofengasen am Markt absetzbare Produkte für andere Industriezweige herzustellen und zugleich den CO2-Ausstoß des Hüttenwerks zu senken, wäre das ein echter Mehrwert, der auch der Umwelt zugutekommt.“ Bei positivem Fortschritt könnte die Anlage zukünftig sogar weltweit zum Einsatz kommen.
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