Verschmutzen Windenergieanlagen mit Farbpartikeln das Meer?
Der Ausbau weiterer Offshore-Windparks steht fest. Nun stellten Forschende erstmals die Frage nach potenziellen Umweltrisiken durch abgelöste Farbpartikel. Diese stammen von den Windrädern und können sich im Meer ausbreiten.

Ein Forscherteam untersuchte erstmals, wie sich Schadstoffe aus Windkraftanlagen auf die Meere auswirken könnten.
Foto: ILVO/RBINS
Der Ausbau der Offshore-Windenergie schreitet in den kommenden Jahrzehnten deutlich voran. Allein in der Nordsee sollen bis 2050 etwa 20.000 neue Windenergieanlagen errichtet werden. Schließlich lautet das ehrgeizige Ziel: 300 Gigawatt Leistung. Doch mit der wachsenden Zahl an Windparks rücken auch zunehmend Fragen zur Umweltverträglichkeit in den Fokus. Ein bisher wenig beachteter Aspekt sind ungewollte chemische Emissionen. Diese können durch die Anstriche an den Fundamenten der Windräder entstehen, mit denen man sie vor Korrosion schützen will. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Leichtweiß-Instituts für Wasserbau (LWI) der TU Braunschweig haben nun im Rahmen einer Studie des europäischen Anemoi-Projekts analysiert, wie sich solche Farbpartikel im Meer ausbreiten und welche Transportwege sie dort zurücklegen.
Kupferklau aus Windrädern: Eine Gefahr für die Energiewende?
Die Forschungsergebnisse liefern wichtige Erkenntnisse darüber, wie sich die Farbpartikel im Wasser verhalten. Da sie eine höhere Dichte im Vergleich zum Meerwasser aufweisen, sinken die Partikel ab und werden dabei durch Wellen und Strömungen auch horizontal transportiert. Diese höhere Dichte ergibt sich aus der Zusammensetzung: Damit die Beschichtung wirksam und besonders haltbar ist, mischt man der Farbe Flocken aus Zink und Glas bei. Sobald die Farbpartikel den Meeresboden erreichen, transportieren die Grundströmungen sie weiter. Auf diese Art und Weise werden sie Teil der marinen Sedimente. Das Ergebnis: Das Sediment wird zur finalen Senke der Farbpartikel von Windrädern. Hinzu kommt, dass während des gesamten Transportprozesses auch Meeresorganismen beteiligt sind. Sie sorgen zum Beispiel dafür, dass sich Biofilme auf den Partikeln bilden. In anderen Fällen nehmen Meeresbewohner diese auf der Suche nach Nahrung mit auf oder vergraben sie aktiv im Sediment.
Transportwege der Farbpartikel von Windrädern weiter untersuchen
„Die Zusammenstellung aller möglicher Transportwege von abgeplatzten Partikeln der Korrosionsschutzsysteme ist der grundlegende Schritt, um zukünftige Feldstudien und Bewertungen durchführen zu können. Auf ihrer Basis lassen sich nun zunächst in Szenarien mögliche zukünftige Emissionsmengen abschätzen und später dann an Feldbeobachtungen verifizieren“, erklärt Nils Goseberg, Leiter des LWI und Koautor der Studie. Für ihn sind die gewonnenen Erkenntnisse also gerade einmal der Anfang. Weiterführende Untersuchungen sind deshalb notwendig, um potenzielle Auswirkungen der Farbpartikel von Windrädern auf die Meeresumwelt näher zu erforschen.
Aktuell können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler noch nichts Konkretes zu den zu erwartenden Partikelmengen sagen, auch weil entsprechende Untersuchungen fehlen. Deshalb erstellten sie eine erste Prognose. „Die Ergebnisse zeigen, dass ein Windpark mit einer installierten Kapazität von 250 Megawatt über eine geplante Betriebsdauer von 25 Jahren zwischen 430 und 2.200 Kilogramm Partikel freisetzen könnte, angenommen ein bis fünf Prozent der aufgebrachten Beschichtung lösen sich in der Zeit ab“, erläutert Niklas Czerner, wissenschaftlicher Mitarbeiter am LWI. Hochgerechnet auf alle bis 2024 weltweit errichteten Offshore-Windparks bedeutet dies gemäß der Prognose eine Emission von 166 bis 832 Tonnen Farbpartikeln über deren gesamte Lebensdauer. Bei einem ambitionierten Ausbau der Offshore-Windenergie könnte diese für alle bis Ende 2035 errichteten Windparks in den betrachteten Gebieten in der Nordsee und in Südostasien sogar auf 610 bis 3.052 Tonnen ansteigen.
Farbpartikel von Windrädern: Mehr Forschung erforderlich
Wie realistisch die negativen Auswirkungen der prognostizierten Partikelemissionen tatsächlich sein werden, ist noch unklar. Dafür zeigen die Ergebnisse, wie dringend der Forschungsbedarf auf diesem Gebiet ist. Den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist bewusst, dass Offshore-Windenergie ein wichtiger Baustein ist, um die Energieversorgung nachhaltig zu gestalten. Entsprechend groß sei aus ihrer Sicht auch die Bedeutung, dies möglichst umweltverträglich anzulegen. Dazu gehöre es eben auch, alle potenziellen Risiken zu beleuchten und mögliche Lösungen zu entwickeln – wie einen umweltschonenderen Beschichtungsschutz.
Das Anemoi-Projekt, in dessen Rahmen die Studie durchgeführt wurde, widmet sich genau diesen Fragestellungen. Von 2023 bis 2027 arbeiten Forschende aus elf europäischen Instituten eng mit politischen Entscheidungsträgern und der Industrie zusammen. Folgende Ziele verfolgen sie dabei: chemische Emissionen aus Offshore-Windparks identifizieren, deren Auswirkungen auf Ökosysteme und Aquakulturmaßnahmen bewerten, geltende Vorschriften überprüfen und nachhaltige Lösungen zur Reduzierung der Emissionen entwickeln.
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