CO2 transformieren: Neue Anlage produziert Kohlenstoff aus der Umgebungsluft
Um die vereinbarten Pariser Klimaziele zu erreichen, müssen wir nicht nur weniger Kohlenstoffdioxid produzieren, sondern sollten das bereits vorhandene Treibhausgas (zumindest teilweise) zusätzlich aus der Atmosphäre entfernen. Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat genau solch ein Verfahren entwickelt, das nun im zweiten Schritt skaliert und verbessert werden soll.
Nach wie vor gelangt weltweit zu viel Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre, die in Paris vereinbarten Klimaziele sind kaum noch zu erreichen. Nun haben Forschende des Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gemeinsam mit Industriepartnern ein Verfahren entwickelt, mit dem sich Kohlenstoff aus dem Kohlenstoffdioxid (CO2) der Umgebungsluft produzieren lässt. Damit besteht die Möglichkeit, bereits ausgestoßenes CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen und dauerhaft zu speichern. Und nicht nur das: Der bei dem Verfahren gewonnene Kohlenstoff lässt sich zum Beispiel für die Herstellung von Batterien, Farben oder Baustoffen verwenden.
Das 1,5-Grad-Ziel ist nur noch schwer zu erreichen
Die neuesten Zahlen bezüglich der von CO2 -Emissionen sind alarmierend: In diesem Jahr wurde so viel von dem umweltschädlichen Klimagift ausgestoßen wie zuvor nur 2019. Und der Höchstwert wurde 2022 nur nicht erreicht, weil China nach wie vor eine restriktive Coronapolitik gefahren hat. Dabei sollten wir längst damit angefangen haben, die Treibhausgase zu reduzieren, um die Emissionen bis 2050 auf null zu bekommen.
Das ist kaum mehr zu erreichen, klimatechnisch ist es bereits fünf nach Zwölf und nicht mehr nur fünf Minuten davor. Es reicht nicht mehr aus, unsere CO2-Emissionen in der Zukunft drastisch zu reduzieren. Wir müssen auch etwas dafür tun, die bereits vorhandenen Klimagifte in der Atmosphäre zu reduzieren. Und hier kommt die Forschungsarbeit des KIT ins Spiel. Die Forscher des Instituts filtern in einer weltweit einzigartigen Versuchsanlage CO2 aus der Luft und wandeln es in hochreines Kohlenstoffpulver um.
„Damit industrielle Produktion trotzdem möglich bleibt, müssen wir technologisch ganz neu Wege gehen“, sagt Dr. Benjamin Dietrich vom Institut für Thermische Verfahrenstechnik (TVT) des KIT. „Das gilt auch für die Bereitstellung von Kohlenstoff in der Industrie. Benötigt wird dieser bei der Produktion von Batterien, in der Farbindustrie, im Agrarsektor oder auch bei der Herstellung von Baustoffen. Bislang stammt er meist aus fossilen Quellen.“
Die erste Projektphase ist abgeschlossen, nun ist die Anlage in Betrieb. In der ersten Ausbaustufe entfernt die Anlage knapp zwei Kilogramm CO2 aus der Umgebungsluft und produziert daraus etwa ein halbes Kilogramm festen Kohlenstoff. Nun soll das Verfahren energetisch optimiert und skaliert werden. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz fördert dieses Vorhaben mit 1,5 Millionen Euro.
So wird aus dem Treibhausgas ein Wertstoff
Das vom KIT durchgeführte Projekt nennt sich NECOC, was für „Negative Carbondioxide to Carbon“ steht. Bei dem Verfahren entsteht in drei Schritten aus CO2 aus der Luft reiner Kohlenstoff:
- Im ersten Schritt wird das CO2 mit der erprobten Direct-Air-Capture-Technologie (DAC) aus der Umgebungsluft abgetrennt.
- Das eingefangene CO2 wird in einem mikrostrukturierten Reaktor mit Hilfe von grünem Wasserstoff aus einem angeschlossenen Elektrolyseur zur Reaktion gebracht. Es entstehen die beiden neuen Bestandteile Wasser und Methan, wobei letzteres mit seinem Kohlenstoffbestandteil in einen weiteren Reaktor mit flüssigem Zinn fließt.
- In dem Reaktor mit dem flüssigen Zinn kommt es in den dort aufsteigenden Blasen zu einer Pyrolysereaktion und die Methanmoleküle werden aufgespalten. Es entstehen Wasserstoff und Kohlenstoffpulver. Der Wasserstoff kann für den Prozess wiederverwendet werden, der Kohlenstoff wird mechanisch abgetrennt.
Praktisch für unterschiedliche Industrie-Anwendungen: Die Prozessparamater wie zum Beispiel das Temperaturniveau lassen sich ändern – so entstehen verschiedene Kohlenstoffmodifikationen wie Graphit, Carbon Black oder sogar Graphen.
Wie effizient ist das Direct-Air-Capture-Verfahren?
Die Anlage nutzt das sogenannte Direct-Air-Capture-Verfahren, um das CO2 aus der Umgebungsluft abzuscheiden. Das KIT arbeitet in diesem Bereich mit der Firma Climeworks zusammen, die mittels Aminwäsche das Kohlenstoffdioxid aus der Luft filtert. Dabei wird das CO2 der Umgebungsluft mittels einer Aminverbindung chemisch gebunden. Durch Erhitzen auf Temperaturen von rund 100 Grad Celsius (andere Direct-Air-Capture-Verfahren arbeiten mit bis zu 1000 Grad Celsius) und bei Unterdruck wird das CO2 wieder vom Absorber gelöst und kann weiterverarbeitet werden.
Das stellt sich die Frage, wie effizient diese Methode ist, das heißt wieviel Energie wird benötigt, um das CO2 aus der Umgebungsluft zu extrahieren. Forschende der Universität Freiburg haben genau dies untersucht. Demnach werden etwa 1.000 Kilowattstunden Strom für eine Tonne CO2 benötigt. Bei Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien liegt den Berechnungen zufolge die Netto-Kohlenstoffentfernung bei 86 Prozent pro Tonne abgeschiedenem CO2. Für die gleiche Klimaschutzwirkung benötigt das Verfahren etwa so viel erneuerbare Energie und Landnutzung wie der Umstieg von Benzin- auf Elektrofahrzeuge, allerdings mit einem etwa fünfmal höheren Materialverbrauch.
Im folgenden Video des KIT wird noch einmal ausführlich erklärt, wie die Umwandlung von CO2 in Kohlenstoff funktioniert:
So geht es nun weiter mit dem Projekt
Wie bereits geschrieben, wurde das Verfahren bislang in einem kleinen Maßstab getestet – pro Tag konnten bisher aus zwei Kilogramm CO2 etwa 500 Gramm Kohlenstoff gewonnen werden. Damit das Verfahren irgendwann einmal unser Klima verbessern kann, muss es nun skaliert werden. Das geschieht in der gerade eingeleiteten zweiten Projektphase. Dabei geht es nicht nur um größere Mengen Kohlenstoff, die gewonnen werden sollen:
„Wir wollen das Verfahren noch energieeffizienter machen, indem wir die Rückgewinnung von Prozesswärme verbessern“, sagt Projektleiter Dr. Leonid Stoppel vom Karlsruher Flüssigmetalllabor KALLA. „Außerdem betrachten wir die Integration von Hochtemperatur-Wärmespeichern und die direkte Einbindung solarer Wärme.“
Ebenfalls auf der Agenda für die zweite Projektphase:
- Wie lassen CO2-Punktquellen in das Verfahren einbinden?
- Wie lässt sich die Entnahme von CO2 aus der Luft noch verbessern?
- Welchen Einfluss haben die Spuren- und Begleitkomponenten aus dem Prozessverbund auf die Kohlenstoffqualität?
Einige spannende Fragen warten noch auf ihre Beantwortung. Sollte es tatsächlich in Zukunft möglich sein, größere Mengen an Kohlenstoffdioxid aus der Luft zu filtern und in Kohlenstoff zu verwandeln, kann das Verfahren beim Erreichen der gesteckten Klimaziele einen wertvollen Beitrag leisten. Das KIT ist zudem nicht das einzige Forschungsteam, das an diesem Thema arbeitet.
Weitere Möglichkeiten der CO2-Lagerung
Eine weitere Möglichkeit des Klimaschutzes ist zum Beispiel die Lagerung von Kohlendioxid im Untergrund. Eine Speicherung ist in ausgebeuteten Gas- oder Erdöllagerstätten, in salinen Aquiferen oder im Meeresuntergrund möglich. Das ist jedoch nicht ohne Risiko, da Leckagen nicht vollkommen ausgeschlossen werden können. Die Umwandlung in Kohlenstoff ist hier sicherlich eine umweltfreundlichere und sichere Methode.
Die Transformation von CO2 in Kohlenstoff ist auch das Thema einer Forschungsgruppe an der University of New South Wales in Sydney. Dort entwickelten die Wissenschaftler einen Flüssigmetallkatalysator mit ganz speziellen Eigenschaften. Der Katalysator basiert auf Gallium-Legierungen, in die Nanopartikel des Seltenen Erde Metalls Cerium integriert sind. Leitet man das CO2 in die Elektrolytflüssigkeit und legt elektrischen Strom an, verwandelt es sich nach und nach in ein kohlenstoffhaltiges Material. Das gelingt sogar bei Raumtemperaturen und geringen Spannungen.
Ein Beitrag von: