Wald: Satelliten zeigen Detail, das man nur vom All aus erkennt
„Wald sieht aus, wie Brokkoli“, sagt Tara O`Shea von Planet Labs. Die US-Raumfahrtfirma beobachtet die Erde von oben – und erkennt eine schlimme Entwicklung.
Manchmal muss man einen Schritt zurückgehen, um die Dinge in ihrer Gesamtheit vernünftig wahrzunehmen. Oder einen gewaltigen Schritt nach oben. Bei Planet Labs machen sie genau das: Das Unternehmen aus San Francisco beobachtet die Welt von oben mithilfe von Satelliten, die täglich Bilder liefern. Für ihre Konstellationen nutzt das Raumfahrtunternehmen kleine und relativ kostengünstige Cubesats. Die liefern fast täglich Bilder, wodurch Entwicklungen auf der Erde sichtbar werden, etwa vom Wald. Apropos Erde: Jedes Jahr im April begehen Millionen von Menschen den Earth Day, um ihre Solidarität für den Schutz der Umwelt zu bekunden. Der Tag der Erde fällt dabei stets auf den 22. April.
Was ist der Tag der Erde?
Der Tag der Erde, englisch Earth Day, wird jedes Jahr am 22. April mit einem bestimmten Schwerpunkt in über 175 Ländern begangen. Ziel dieses Tages ist es, die natürliche Umwelt zu stärken und ein Bewusstsein für den Klimawandel zu schaffen. Name und Konzept wurden von John McConnell im Jahr 1969 bei einer UNESCO-Konferenz vorgeschlagen. Parallel initiierte der damalige US-Senator von Wisconsin Gaylord Nelson einen nationalen Umweltaktionstag mit dem Namen Environmental Teach-in beziehungsweise Earth Day, um auf die Herausforderungen der Umweltverschmutzung aufmerksam zu machen. Seit 1990 wird der Tag der Erde am 22. April international begangen.
Warum gibt es jedes Jahr einen Earth Day?
Der Earth Day fällt jedes Jahr auf den 22. April. Ziel dieses Tages ist, Aufmerksamkeit für die Einzigartigkeit und die Zerbrechlichkeit unseres Planeten zu schaffen. Um dem Klimawandel zu begegnen und unsere Erde zu erhalten, muss etwas geschehen.
Zum Earth Day 2022 beleuchten wir das Klima und wie es um die Gesundheit unserer Wälder steht. Dazu verrät uns Tara O’Shea von Planet Labs mehr über ihre Arbeit.
Der Wald von oben: Könnte auch der Titel einer Naturdokumentation sein, gibt aus Satellitenperspektive aber aufschlussreiche wissenschaftliche Erkenntnisse. Was man aus Erdperspektive bei weitem nicht so eindrücklich zu sehen bekommt wie bei einem Blick aus dem All: Abholzung und der Klimawandel machen unserer Natur schwer zu schaffen.
ingenieur.de: Frau O’Shea, wie sehen unsere Wälder von oben aus?
Tara O’Shea: Ehrlich gesagt, sehen Wälder von oben aus wie Brokkoli! Fast ein Drittel der Landmasse der Welt ist mit Wäldern bedeckt – etwa 4 Milliarden Hektar. Ein wichtiger Gedanke der Gründer von Planet war es daher, globale Satellitendaten zu nutzen, um die Entwaldung und Waldzerstörung zu stoppen. Dafür brauchen wir Daten, die so aktuell sind, dass die Geschwindigkeit der Veränderungen möglichst zeitnah abbilden, damit wir unsere Wälder besser kontrollieren und schützen können. Unsere Flotte von 200 Satelliten überwacht täglich die globale Landmasse. Das gibt uns die Möglichkeit, Veränderungen in den Wäldern nahezu in Echtzeit zu überwachen und Veränderungen zu erkennen, die durch Ereignisse wie Dürren, illegale Abholzung oder Brände verursacht werden.
Weltweit verschwinden Millionen Quadratkilometer Wald
Satelliten überwachen die Veränderung im Wald
Welche Veränderungen konnten die Satelliten in den letzten Jahren feststellen?
Unsere Wälder, und insbesondere die tropischen Regenwälder, stehen vor verschiedenen, großen Herausforderungen. Um diese Veränderungen besser zu überwachen, haben wir uns mit Kongsberg Satellites Services (KSAT) und Airbus in einem Programm zusammengeschlossen, das von der norwegischen Regierung geleitet wird. Es heißt Norway’s International Climate and Forests Initiative (NICFI) und verfolgt das Ziel, die weltweiten Tropenwälder zu schützen. NICFI möchte den Ländern und Gemeinden in tropischen Waldgebieten Wege für eine nachhaltige wirtschaftlichen Entwicklung aufzeigen. Planet stellt für diese Initiative Satellitendaten der gesamten Tropen zur Verfügung. Diese Bilder decken über 64 Entwicklungsländer ab. Sie werden jeden Monat aktualisiert und sind über Norwegens Technologiepartner wie Global Forest Watch für jeden frei zugänglich und nutzbar.
Ein weiteres Anwendungsbeispiel stammt von Forschenden der Amazon Conservation Association. Anhand der Planet-Satellitendaten fanden sie heraus, dass im peruanischen Amazonas zwar immer noch illegale Gold geschürft wird, die Abholzung durch dieses Schürfen jedoch in sechs großen Gebieten um 78 Prozent und in La Pampa, dem kritischsten Bergbaugebiet, sogar um 90 Prozent zurückging. Die Forschenden nutzen diese Daten, um Regierungsbeamte und die Polizei zu schulen, damit diese den illegalen Goldabbau und die Abholzung im Anden-Amazonasgebiet effektiv stoppen können.
Hatte Corona einen Effekt auf unsere Umwelt?
Covid-19 hat viele Teile unseres täglichen Lebens in eine Pause versetzt. Viele Menschen haben begonnen, von zu Hause aus zu arbeiten und müssen nicht mehr jeden Tag zur Arbeit pendeln. Außerdem fielen auch die meisten längere Geschäftsreisen und große Urlaube aus.
Wir können sehen, dass der Natur diese Pause sehr guttut. Forschende der Universität Trient und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) haben anhand unserer Bilder die Auswirkungen des Lockdowns auf die Gewässer um Venedig gemessen. Außerdem haben sie die Auswirkungen einer Überschwemmung analysiert, die kurz vor der Pandemie stattfand. Anhand der beiden Datensätze konnte sie die gesamten Schwebstoffe in den Gewässern um Venedig vor und während des Covid-19-Lockdowns einschätzen. Sie fanden heraus, dass es während des Lockdowns eine bemerkenswerte Reduzierung der Trübung gab .
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Tropische Wälder sind am meisten gefährdet – doch auch der deutsche Wald leidet
Wo auf der Welt ist es um die Wälder besonders schlecht bestellt?
Wir haben festgestellt, dass die tropischen Wälder am meisten gefährdet sind – sie sind am stärksten von Abholzung betroffen. Weltweit hat die legale oder illegale Abholzung der Tropenwälder eine gemeinsame Ursache: die wirtschaftliche Entwicklung. Es gibt aktuelle keine praktische Weise, wie man den Wert der Wälder messen und beziffern kann. Das verleitet Entwicklungsländer dazu, die Wälder abzuholzen und diese Gebiete in landwirtschaftliche Flächen, zum Beispiel für die Produktion von Palmöl, Soja oder Rindfleisch, umzuwandeln, um somit das wirtschaftliche Wachstum zu fördern.
Sie sind Director of Forest Programs bei Planet. Wie darf man sich Ihren Berufsalltag vorstellen?
Als Director of Forest Programs beaufsichtige ich die Strategie von Planet, wie wir unsere beispiellosen Kapazitäten zur Erdbeobachtung einsetzen können, damit unsere Nutzer und Nutzerinnen alle Wälder weltweit besser beobachten und kontrollieren können und damit auch der Wert der Wälder in der globalen Wirtschaft erkannt und berücksichtigt wird.
Wenn man sich Satellitenaufnahmen des Thüringer Walds anschaut, kann man die Veränderungen nach Jahren deutlich sehen. Was sagen Sie? Wie viel Zeit bleibt uns überhaupt noch, gegenzusteuern?
Wir müssen jetzt handeln. Die Abholzung der Wälder wird zu einem zunehmenden Problem, aber Wälder sind für das Leben auf diesem Planeten unersetzbar. Sie produzieren Sauerstoff und speichern CO2. Der globale Klimawandel verursacht lange Trockenperioden oder gar Dürren. Diese setzen die Wälder weltweit unter starken Stress. Trockene Wälder brennen leichter, und sie sind auch anfälliger für Insektenbefall. Bereits geschädigte Bäume überleben eine weitere Trockenperiode möglicherweise nicht. Wälder, die Monokulturen sind, wie zum Beispiel Fichtenwälder, sind nicht so widerstandsfähig wie Mischwälder. Wenn wir neue Bäume pflanzen, ist es wichtig, dass wir klimaresistente Bäume verwenden und verschiedene Arten dieser Bäume mischen. Nur so können wir dazu beitragen, dass aus den Wäldern starke und widerstandsfähige Ökosysteme werden.
Borkenkäfer setzen unseren Wäldern schön zu und vernichten zahlreiche Fichten. Dazu wurden bei Planet Aufnahmen von tschechischen Wäldern gemacht. Wie kann man den Käferbefall eindämmen?
Ein großer Vorteil der Erdbeobachtung ist, dass sie Bilder nahezu in Echtzeit liefert. Bei Planet betreiben wir die weltweit größte Flotte von Erdbeobachtungssatelliten. Ein Vorteil dieser Erdbeobachtung liegt auf der Hand: Durch den Blick aus dem Erdorbit können wir auch große Waldgebiete monitoren, ohne dass Menschen in einzelnen Waldgebieten nach Schäden suchen müssen. Die tschechische Regierung nutzte unsere Bilder, um den örtlichen Wald genau zu beobachten damit ein Befall des Borkenkäfers so früh wie möglich entdeckt werden konnte. Sobald Schäden entdeckt wurden, konnte die Regierung gezielte Maßnahmen zur Eindämmung des Borkenkäfers ergreifen. Die hochauflösenden Satellitenbilder wiesen den Beamten den Weg zu den befallenen Gebieten, sodass sie schnell und effektiv handeln konnten.
Wo gibt es am meisten Wald in Deutschland?
Hessen und Rheinland-Pfalz sind reich an Wald, denn die Landesflächen sind fast zur Hälfte (42 %) mit Wald bedeckt. Somit gelten beide Bundesländer in Deutschland am waldreichsten. Die Verteilung der Waldfläche ist sowohl bundesweit als auch landesweit und regional sehr unterschiedlich.
Deutschland zählt immer noch zu den waldreichsten Ländern in Europa. Mit 11,4 Millionen Hektar ist circa ein Drittel der Gesamtfläche mit Wald bedeckt.
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Über Tara O’Shea
Tara O’Shea beschäftigt sich leidenschaftlich damit, wie Technologie eingesetzt werden kann, um natürliche, soziale und wirtschaftliche Systeme neu auszurichten. Als Director of Forest Programs bei Planet überwacht sie die Strategie des Unternehmens, wie die Erdbeobachtung dafür eingesetzt werden kann, die globalen Wälder zu überwachen und ihren wirtschaftlichen Wert zu berücksichtigen. Tara O’Shea begann ihre Karriere als Wissenschaftlerin am Nicolas Institute for Environmental Policy Solutions der Duke University. Im Jahr 2012 gründete sie eine gemeinnützige Organisation, die sich darauf konzentriert, den privaten Sektor in die Reduzierung von Emissionen aus Entwaldung und Walddegradierung (REDD+) einzubinden. Tara hat einen Master-Abschluss in Umweltmanagement und internationaler Entwicklung von der Duke University und einen Bachelor of Science in Umweltwissenschaften vom Gettysburg College.
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