Waldbrand-Bekämpfung mit neuen Methoden
Jährlich gehen weltweit an die 400 Mio. ha Wald in Flammen auf. Kommt starker Wind dazu, drohen Katastrophen. Forscher wollen die Gefahr mit Hightech bannen. So sollen künftig Satelliten, Drohnen und bodengebundene Sensornetzwerke Brandwache halten und im Ernstfall hoch aufgelöste Daten der Brände liefern. Zur Brandbekämpfung wird über Wasserbombenteppiche und Löschroboter nachgedacht. Doch es gibt auch den Ansatz, Wälder zum Schutz vor Großbränden präventiv abzufackeln.
Gemächlich kreist der Sensor-Blick über die Baumkronen. Sechs Minuten dauert ein 360°-Schwenk. Rund um die Uhr wacht das Nah-Infrarot-System über 700 km² Wald. Auch jetzt, in einer dunklen Julinacht. Hinterlegte Software analysiert über 16 000 Graustufen der Aufnahmen und erkennt dabei trotz der Dunkelheit ein 15 km entferntes Wölkchen. Sofort visieren es auch zwei umliegende Sensortürme an. Kein Zweifel. Es handelt sich um Rauch. Dank der Kreuzpeilung verfügt die Waldbrand-Überwachungszentrale schon nach Sekunden über die exakten Lagedaten. Während die Wachhabenden die alarmierten Löschkräfte per Funk durch den dunklen Wald dirigieren, verfolgen sie die Brandentwicklung live am Bildschirm. Ehe großer Schaden entstehen kann, ist das Feuer gelöscht.
Was klingt, wie eine Zukunftsvision, ist in fünf deutschen Bundesländern Realität. Knapp 180 Nah-Infrarot-Sensorsysteme der Berliner IQ wireless GmbH überwachen hier rund um die Uhr 1,9 Mio. ha Wald. Zwar verhindern sie keine Brände, doch dank der Früherkennung kann die zerstörte Fläche um fast zwei Drittel reduziert werden. Wäre das System weltweit flächendeckend im Einsatz, blieben rein rechnerisch 260 Mio. ha Busch- und Waldflächen pro Jahr vom Feuer verschont.
Luft- und Raumfahrttechnik wird bei der Walbrand-Bekämpfung eine zentrale Rolle spielen
Auch wenn IQ wireless Geschäftsführer Holger Vogel die Vorstellung der weltweiten Marktdurchdringung gefällt – die Zukunft der Waldbrand-Prävention sieht für ihn anders aus. „Ich denke, es wird eine vernetzte dreistufige Überwachung geben. Neben terrestrischen Sensoren werden darin Luft- und Raumfahrt-gestützte Systeme eine zentrale Rolle spielen“, ist er überzeugt.
Dafür gibt es konkrete Ansätze. So schoss Ende Juli eine Sojus-Rakete den TET-1 Satelliten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) auf seine Umlaufbahn in 520 km Höhe. Dort soll er unter anderem per Infrarot-Sensorik Waldbrände aufspüren. Die Sensorik erprobte das DLR schon vor einem Jahrzehnt in der „Bird“-Mission. Laut TET-Projektleiter Michael Turk ist die jetzige Mission der Start für das Satellitennetz Firebird, mit dem das DLR die automatisierte Brandwache im Orbit etablieren will.
Auch die Nasa sucht aus dem All Waldbrände. Daneben treibt sie seit 2007 ein Forschungsprogramm voran, in dem Drohnen und Flugzeuge Messdaten von Wald- und Buschbränden sammeln. Einerseits unterstützt sie damit Feuerwehren in konkreten Einsätzen. Andererseits sollen die gesammelten Daten Simulationsmodelle von Waldbränden verifizieren und helfen, diese zu optimieren.
Solche Modelle treiben Forscher in aller Welt voran. Australien hat nach den verheerenden Buschbränden von 2009 ein nationales Forschungsnetzwerk aufgesetzt, das bis 2013 ein umfassendes Simulationstool entwickeln soll. Am „schwarzen Samstag“ gerieten Buschfeuer komplett außer Kontrolle, nachdem anhaltende Dürre mit Temperaturen um 45 °C die Vegetation verdorrt hatte und Winde mit über 100 km/h eine rasende Feuerwalze vor sich hertrieben. Menschen, die ihre Häuser schützen wollten, waren chancenlos – 173 von ihnen starben.
Ein solches Horrorszenario soll das Simulationstool ein für allemal verhindern. Verantwortliche auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene sollen damit mehrere Stunden in die Zukunft schauen können. Ihnen soll ermöglicht werden, Risiken für die Bevölkerung frühzeitig zu erkennen, Routen für Evakuierungen zu planen und Löschangriffe von Bodentruppen und aus der Luft zu koordinieren. Neben der Feuerausbreitung soll die Software auch die Rauchentwicklung vorhersagen.
Letztlich fusioniert das Tool seit Jahren erforschte kleinteilige Modellierungen mit neuen Ansätzen und mit umfassenden Geoinformationen, etwa zu Infrastruktur, Baubestand und Bevölkerung vor Ort. Im Ernstfall wird es vor allem darauf ankommen, wie realistisch sich die Feuerausbreitung prognostizieren lässt. Noch sind die Ungenauigkeiten allerdings groß. So zeigen Modelle von Forschern der University of Western Australia, dass Buschfeuer binnen 15 Stunden um etwa 40 % weiter voranschreiten, wenn die reale Windstärke nur um 0,05 Punkte höher ist, als angenommen. Kommt flächendeckend 15 Jahre alter Bewuchs hinzu – findet das Feuer also reichlich Nahrung – dehnt es sich im gleichen Zeitraum vier bis fünfmal so weit aus.
Angesichts solcher Zahlen wird klar, warum die Forscher nach hochaufgelösten Regionaldaten von Satelliten, Drohnen oder Flugzeugen dürsten. Die Australier bauen obendrein bodengestützte Sensornetzwerke rund um gefährdete Siedlungen auf. Diese sollen lokale Klimadaten sammeln, per WLAN kommunizieren und so den Leitstellen Zugriff auf Kontrolldaten vom Brandort ermöglichen. Dafür entwickeln Forscher der University of Sidney zudem unbemannte Aufklärungsfahrzeuge, die in Feuer hineinfahren sollen.
Waldbrand-Bekämpfung mit Wasserbomben: Feuerwalzen effektiv stoppen
Möglicherweise werden diese Daten künftig in Verbindung mit GPS-Koordinaten gezieltere Löschangriffe aus der Luft erlauben. Etwa durch Wasserbomben. So verfolgt Boeing ein Konzept, in dem C17-Militärtransporter Hunderte wassergefüllte Löschbälle aus biologisch abbaubaren Kunststoffen abwerfen sollen. Satte 65 t Wasser würden sich dabei in die Brandherde ergießen. Das entspricht fast 100 Flügen mit einem Lösch-Helikopter. Obendrein könnte das Bombardement aus großer Höhe erfolgen, was die Gefahr für Piloten senkt. Um loses Wasser aus Tanks ins Feuer zu schütten, müssen die Piloten sehr tief fliegen. Immer wieder kommt es dabei zu Abstürzen.
Auch das Start-up Wildfire Suppression Ltd. aus Sydney setzt auf Wasserbomben. Allerdings wollen die Gründer beim Aufprall ihrer 20-l-Behältnisse Sprengstoff zünden. Die Explosion zerstäubt die Wasserladung mit 300 m/s in alle Richtungen, verdrängt kurz den Sauerstoff, trennt Flammen vom Brennstoff und kühlt diesen so weit ab, dass es danach nicht wieder zur Entzündung kommt.
Zum gezielten Abwurf der Wassergeschosse sollen nach Vorstellung der Gründer militärische Bombenabwurfsysteme eingesetzt werden. Der Haken: Um etwa 125 m² brennende Waldfläche zu löschen, brauchte es über ein Dutzend Bomben. Ob das System zum Einsatz kommt, wird vor allem vom Preis der Bomben abhängen.
Wirtschaftlichkeit dürfte auch bei einer Vision von Industriedesign-Studenten der FH Magdeburg-Stendal der Knackpunkt sein. In Kooperation mit Fraunhofer Forschern haben sie käfer-artige Löschroboter erdacht. Sie sollen in besonders gefährdeten Waldgebieten stationiert werden, um dort mit höchst sensiblen Sensoren auf Hunderte Meter Rauch und Hitze von gerade erst entstehenden Bränden zu detektieren. Im Ernstfall krabbeln sie dann immer der Nase nach bis zu 20 km/h schnell zum Brandherd und starten einen Löschangriff. Dafür ist ihr Bauch mit Wasser gefüllt. Reicht die Sprühkanonade nicht, rollen sie sich zusammen und lassen das Feuer an ihrer keramischen Außenhaut vorüberziehen, ohne dabei Schaden zu nehmen.
Waldbrand-Prävention mit kontrollierten Bränden
Johann G. Goldammer, Inhaber des europaweit einzigen Lehrstuhls für Feuerökologie und Leiter des Global Fire Monitoring Center (GFMC) in Freiburg, hält wenig von derlei Hightech-Visionen. Flucht in die Technik sei ein bequemer Weg, um die soziokulturelle Dimension der Waldbrandproblematik auszublenden. Er sieht Feuer als natürlichen Partner des Menschen, das dieser allerdings verlernt habe, zu nutzen. Angesichts der 300 Mio. ha bis 400 Mio. ha verbrannten Flächen jährlich sei es illusorisch, Feuer abstellen zu wollen.
Der Professor hat zunächst eine skurril anmutende Lösung: „Wir müssen Wälder zuweilen anzünden, um sie vor wirklich zerstörerischen Bränden zu schützen.“ Es sei auch ökologisch ein Fehler, in Feuerökosystemen unserer Breitengrade Feuer zu unterdrücken. Goldammer hat in jahrzehntelanger Forschung nachgewiesen, dass Feuer die Biodiversität in Landschaften erhöht und Menschen Brandkatastrophen vom Halse hält. Denn nur weil Wälder nicht mehr regelmäßig durchbrennen, akkumuliere das Brennmaterial unnatürlich, was im Brandfall massive Schäden verursache. Darum lehrt der Experte in aller Welt theoretisch und praktisch, wie Feuer zu handhaben ist. In der Regel legt sein Team die kontrollierten Brände im Winter, wenn Vegetation und Tierwelt ruhen oder nach längeren Regenphasen im Sommer.
Zwar tun sich Waldbesitzer und politisch Verantwortliche schwer mit seinen Botschaften. Doch Goldammer ist überzeugt, dass es in vielen Regionen kaum Alternativen gibt. „Wegen der Landflucht gibt es vielerorts keinen mehr, der wuchernde Büsche zurückdrängt und die Landschaft pflegt“, sagt er. Das gehe auf Dauer nicht nur zulasten der Artenvielfalt, sondern führe gerade in Süd- und Osteuropa zu verheerenden Bränden. Gefährlich werde es auch, wenn erholungsbedürftige Städter in oder an Wäldern siedeln und campen, die keinerlei Bezug zur Landschaft und deren Pflege haben. Und nicht zuletzt würden die heftigen Brände mit hohen Temperaturen zur Veränderung des Mikroklimas und mittelfristig zur Versteppung beitragen.
„Anstatt Waldbrände mit immer neuen Hightech-Ideen zu bekämpfen und ihnen so hinterherzurennen, sollten wir wieder lernen, Feuer für unsere Zwecke zu nutzen“, bilanziert Goldammer. Ein Plädoyer gegen Technik sei das nicht. Denn auch sein Institut setze Waldbrandsimulationen, Luftaufklärung mit Drohnen und jede Menge Sensorik ein. Solche Technik sei auch beim kontrollierten Abbrennen wider Brandkatastrophen sehr hilfreich.
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