Was Tropfsteine über den Klimawandel verraten
Anhand von Stalagmiten aus Tropfsteinhöhlen in den Schweizer Alpen konnten Teams von Klimaforschern, Geowissenschaftlern und Umweltphysikern unter anderem nachweisen, dass die Sonneneinstrahlung eine wichtige Rolle bei der Auslösung abrupter Klimaänderungen in den Eiszeiten spielte.
Wenn Klimaforscher etwas über das Klima in der Vergangenheit erfahren wollen, gehen sie am liebsten in Tropfsteinhöhlen. Anhand von Tropfsteinen können sie ermitteln, wie das Klima vor Tausenden von Jahren war. Erst kürzlich hat ein internationales Forschungsteam unter Federführung der Universität Heidelberg und des Deutschen Geoforschungszentrums Potsdam eine solche Höhle in den Schweizer Alpen besucht und in einer Studie nachgewiesen, dass die Intensität der Sonneneinstrahlung die Klimadynamik der Eiszeiten beeinflusst hat.
Wie entstehen Tropfsteine?
Es gibt zwei Haupttypen von Tropfsteinen, nämlich Stalagmiten und Stalaktiten. Stalaktiten wachsen von der Höhlendecke nach unten, während Stalagmiten vom Höhlenboden nach oben wachsen. Beide entstehen durch die Ablagerung von Calciumcarbonat und chemische Fällung. Die Bildung dieser Formationen wird durch den Kontakt von Regenwasser mit dem Kalkstein gestartet. Wenn Regenwasser in die Höhle einsickert, löst es den Kalkstein langsam auf und bringt dabei CO2 mit sich.
Sobald das CO2 mit dem im Wasser gelösten Calciumcarbonat reagiert, entsteht Calciumbicarbonat, das sehr gut wasserlöslich ist. Wenn dieses Bicarbonat auf den Höhlenboden oder die Decke tropft, wird das CO2 freigesetzt, und das Calciumcarbonat fällt als Ablagerung aus, wodurch die charakteristischen Tropfsteine entstehen. Die langsame Wachstumsrate von Tropfsteinen macht sie zu wertvollen Zeugen vergangener Klimabedingungen. Die Geschwindigkeit ihres Wachstums variiert stark – manche Tropfsteine benötigen bis zu 4.000 Jahre, um nur einen Zentimeter zu wachsen, während andere dafür nur zweieinhalb Jahre benötigen.
Rekordverdächtige Tropfsteine |
Der größte Stalaktit der Welt ist in den Höhlen von Nerja in der Provinz Malaga zu finden. Mit einer Länge von 60 Metern und einem Durchmesser von 18 Metern hat es ganze 450.000 Jahre gedauert, bis er die jetzige Größe erreicht hat. Ebenso beeindruckend ist der größte Stalagmit der Welt, der 67 Meter hoch ist und in der Martín Infierno-Höhle in Kuba entdeckt wurde. |
Sonneneinstrahlung sorgte für abrupte Klimaänderungen
Eine aktuelle Studie eines interdisziplinären Teams von Klimaforschern, Geowissenschaftlern und Umweltphysikern beleuchtet die Bedeutung der sommerlichen Sonneneinstrahlung während vergangener Eiszeiten. Die Untersuchungen zeigen, dass die Stärke der sommerlichen Sonneneinstrahlung einen erheblichen Einfluss auf das Auftreten von Warm- und Kaltzeiten hatte und sogar eine wichtige Rolle bei der Auslösung abrupter Klimaänderungen spielte.
Um diese Zusammenhänge zu untersuchen, dienten den Wissenschaftlern Stalagmiten in den europäischen Alpen als wertvolle Quellen. Die Analyse dieser Gesteinsformationen ergab, dass Warmphasen vor allem dann auftraten, wenn die sommerliche Sonneneinstrahlung auf der Nordhalbkugel ihr Maximum erreichte. Die Studie wurde von einem internationalen Team mit Forschenden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz durchgeführt.
Erstmals konnten Klimaschwankungen der vorletzten Eiszeit ermittelt werden
In den vergangenen Eiszeiten auf der Nordhalbkugel gab es auffällige und abrupte Übergänge zwischen kalten und warmen Phasen, die jeweils mehrere tausend Jahre andauerten. Obwohl die genauen Gründe für diese Schwankungen noch nicht vollständig geklärt sind, deutet die wissenschaftliche Forschung darauf hin, dass sie mit den Auswirkungen der Größe der kontinentalen Eisschilde zusammenhängen könnten.
Eine interessante Entdeckung wurde in diesem Zusammenhang bei der Analyse des grönländischen Eises gemacht, das insgesamt 25 Warm-Kalt-Zyklen zwischen 115.400 und 14.700 Jahren vor heute aufweist. Diese Zyklen geben wichtige Einblicke in das Klimageschehen der Vergangenheit. Anhand von Stalagmiten aus dem Höhlensystem Melchsee-Frutt in den Schweizer Alpen konnten Forschende kürzlich erstmals 16 solcher Zyklen für die Zeit der vorletzten Eiszeit vor etwa 185.000 bis 130.000 Jahren mit hoher Genauigkeit untersuchen.
Tropfsteine als Archive der Klimaforschung
Tropfsteine in Höhlen spielen eine wichtige Rolle als Archive für die Klimaforschung, da sie wertvolle Informationen über Veränderungen der Temperatur, des Niederschlags und der Vegetationsdecke liefern. Durch die genaue Altersbestimmung dieser Tropfsteine können Klimaforscher die zeitliche Abfolge abrupter Klimaschwankungen innerhalb vergangener Eiszeiten analysieren.
Wie bereits geschrieben, entstehen Kalksteine durch die Ablagerung von in Tropfwasser gelöstem Kalkstein. Dieses Tropfwasser durchläuft zuvor den Boden, der über der Höhle liegt und löst dort allerlei organische Verbindungen. Zudem kann sich auch die Vegetation über der Höhle durch veränderte klimatische Bedingungen ändern. Im Laufe der Jahrtausende verändert ein Wassertropfen somit ständig seine chemische Zusammensetzung. Der Tropfstein konserviert diese unterschiedlichen Zusammensetzungen. Mit Hilfe einer Isotopenanalyse können Experten Tropfsteine bis zu einem Alter von 600.000 Jahren datieren.
Zusammensetzung der Tropfsteine untersucht
Im Mittelpunkt der Untersuchungen in den Schweizer Alpen stand die Sauerstoff-Isotopenzusammensetzung der Tropfsteine. „Wir können ihr Alter präzise bestimmen und somit die zeitliche Abfolge von abrupten Klimaschwankungen innerhalb der Eiszeiten analysieren, die wir an der Sauerstoff-Isotopenzusammensetzung der Tropfsteine erkennen“, erklärt Prof. Dr. Norbert Frank vom Institut für Umweltphysik der Universität Heidelberg. Ein besonderes Augenmerk lag auf der Frage, ob nicht nur das Eisvolumen auf der Nordhalbkugel, sondern auch Veränderungen in der globalen Verteilung der Sonneneinstrahlung durch die Erdumlaufbahn (orbital induzierte Veränderungen) einen Einfluss auf diese abrupten Klimaschwankungen hatten.
„Mit unseren Untersuchungen sind wir der Frage nachgegangen, ob neben dem Eisvolumen auf der Nordhemisphäre auch orbital angetriebene Änderungen in der globalen Verteilung der Sonneneinstrahlung Einfluss auf die abrupten Klimaschwankungen gehabt haben könnten“, so der Leiter der Studie, Dr. Jens Fohlmeister, der in der Heidelberger Umweltphysik promoviert hat und zum Zeitpunkt der Forschungsarbeiten am Deutschen Geoforschungszentrum Potsdam sowie am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung tätig war.
Ergebnisse der Studie
Ein besonderes Augenmerk legten die Forschenden auf die Übergänge von Warm-Kalt-Zyklen in der vorletzten Eiszeit. Dazu analysierten sie das Alter und die Sauerstoffisotopenzusammensetzung von Stalagmiten aus dem Höhlensystem Melchsee-Frutt. „Anhand der neu gewonnenen Forschungsdaten können wir zeigen, dass Warmphasen vor allem während des Maximums der sommerlichen Sonneneinstrahlung auf der Nordhalbkugel auftraten, auch wenn der Meeresspiegel – abhängig vom Volumen der kontinentalen Eisschilde – während der Haupteiszeiten nahe seinem Minimum blieb“, erklärt Dr. Fohlmeister.
Die Gültigkeit dieser Beobachtungen wird durch Modellsimulationen bestätigt. Die Simulationen prognostizieren in Übereinstimmung mit den Forschungsdaten aus dem Höhlensystem sowohl die Häufigkeit als auch die Dauer von Warmphasen unter den Bedingungen eines bestimmten Meeresspiegels und einer bestimmten Sonneneinstrahlung.
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