Weltklimarat schließt Horrorszenarien nicht aus: Klimawandel ist verheerend
Nach sieben Jahren stellt der Weltklimarat einen neuen Sachstand über die globale Erwärmung vor – die Aussagen gleichen einem Paukenschlag. Selbst zwei Horrorszenarien können nicht mehr ausgeschlossen werden.
Dass es kein Feel-good-Bericht werden würde, damit musste man rechnen: Die verheerenden Brände der letzten Jahre und aktuell in Südeuropa, die Flutkatastrophe in Deutschland, die Hitzewellen und Dürren – all diese Ereignisse konnte man durchaus als Warnzeichen interpretieren. Doch der aktuelle Bericht des Weltklimarats (IPCC) ist noch viel erschütternder, als viele wahrscheinlich gedacht hätten.
Weltklimarat IPCC findet deutliche Worte
Derart drastisch hat das Gremium die Folgen der menschengemachten Erderwärmung noch nie bewertet und zum Ausdruck gebracht.
“Es ist sehr wahrscheinlich, dass Episoden mit Starkniederschlägen in den meisten Regionen mit einer weiteren Klimaerwärmung intensiver und häufiger werden”, heißt es in dem am Montag veröffentlichten Bericht.
“Sehr wahrscheinlich” heißt: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 bis 100 %. Abmilderndes, Relativierendes, Beschwichtigendes findet man nicht im Bericht des IPCC.
„Es ist zweifelsfrei, dass der menschliche Einfluss die Atmosphäre, den Ozean und das Land aufgeheizt hat“, heißt es weiter. Laut Pariser Klimaabkommen wollen die Staaten die Erwärmung gegenüber dem vorindustriellen Niveau unter zwei Grad halten, möglichst bei 1,5 Grad. Das ist das große Ziel – laut Wissenschaft ist das aber nur erreichbar, wenn die CO2-Emissionen ab sofort drastisch gesenkt werden und ab etwa 2050 Klimaneutralität erreicht wird. Wenn es bei den bisherigen Klimaschutzzusagen der Länder bleibt, ist eine Erwärmung von 2,1 bis 3,5 Grad bis Ende des Jahrhunderts wahrscheinlicher.
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Folgen des Klimawandels nicht mehr aufzuhalten
Aufhalten kann man die Folgen nicht mehr. Laut Bericht geht es jetzt wohl nur noch um die Frage, wie extrem die Auswirkungen in der Zukunft sein werden. Selbst, wenn es gelingen sollte, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, dürfte der Meeresspiegel Ende des Jahrhunderts um bis zu 62 Zentimeter höher sein als 1995-2014. Klimaneutralität heißt, dass nur noch höchstens so viel Treibhausgas ausgestoßen wird wie Senken aufnehmen können.
“In der Arktis sind Dreiviertel des Meereisvolumens im Sommer schon abgeschmolzen”, so Dirk Notz vom Max-Planck-Institut für Meteorologie, Mit-Autor der Studie. “Wir werden es vermutlich nicht mehr verhindern können, dass das Nordpolarmeer bis 2050 im Sommer zumindest in einzelnen Jahren weitgehend eisfrei sein wird.”
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Klimawandel: Das Eis wird verschwinden
Monatelang waren Physiker Markus Rex und sein Team auf der "Polarstern" im arktischen Eis unterwegs. Eine Jahrhundertexpedition. Im Gespräch mit Sarah Janczura und Peter Sieben erzählt er von katzenhaften Eisbären, den sichtbaren Folgen des Klimawandels und verrät, was ihn besonders auf der Reise bewegt hat.
Der Weltklimarat hatte die physikalischen Grundlagen des Klimawandels zuletzt 2013 beleuchtet. Die Vorhersagen sind seitdem präziser geworden, Unsicherheiten in den Klimamodellen sind deutlich reduziert. Anders als damals stellt die Wissenschaft jetzt klar fest: Wenn die Treibhausgas-Emissionen nicht sehr schnell heruntergefahren werden, wird das Ziel, die Erwärmung auf unter zwei Grad über vorindustriellem Niveau zu begrenzen, scheitern. Zudem könnten mehr Klimaveränderungen direkt auf den Einfluss des Menschen zurückgeführt werden, sagte Mitautorin Veronika Eyring von der Universität Bremen.
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Zwei Horrorszenarien des IPCC
Der Weltklimarat nennt auch zwei echte Horrorszenarien. Diese sind nach jetzigem Kenntnisstand unwahrscheinlich, aber nicht auszuschließen:
- Ein Horrorszenario: ein Anstieg des Meeresspiegels um zwei Meter bis Ende des Jahrhunderts. Das hängt davon ab, wie sehr der Eisschild der Antarktis schmilzt.
- Das andere Extremszenario: Ein Kollaps der Atlantischen Umwälzströmung (AMOC), die bereits an Fahrt verloren hat. Die AMOC verteilt kaltes und warmes Wasser im Atlantik und beeinflusst etwa den für Milliarden Menschen wichtigen Monsun in Afrika und Asien. Ein Zusammenbruch des Systems, zu dem auch der Golfstrom gehört, hätte auch direkte Auswirkungen auf Europa.
Auswirkungen durch Klimaneutralität abmildern
Klar ist: Je schneller die Klimaneutralität erreicht wird, desto besser stehen die Chancen, die Auswirkungen abzumildern. Der Weltklimarat entwirft in seinem Bericht, an dem 230 Forschende aus 66 Ländern beteiligt waren, fünf denkbare Szenarien. Darunter sind zwei, in denen die Welt etwa 2050 Klimaneutralität erreicht, also mehr CO2 speichert als ausstößt. Nur damit könnte der Anstieg der Mitteltemperatur Ende dieses Jahrhunderts bei 1,8 Grad oder darunter bleiben.
Wenn die Emissionen bis 2050 gleich bleiben, würde die Temperatur am Ende des Jahrhunderts um 2,1 bis 3,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau liegen. In zwei weiteren Szenarien mit mindestens der Verdoppelung der CO2-Emissionen bis Mitte des Jahrhunderts wäre ein Anstieg der Temperatur um bis 5,7 Grad möglich.
“Wenn man sich anschaut, was die einzelnen Regierungen für den Klimaschutz zugesagt haben, würde man im Moment am ehesten im mittleren Szenario landen”, sagt Mit-Autor Dirk Notz. “Für die Zukunft bleibt aber natürlich unklar, ob die Zusagen eingehalten werden oder ob die Regierungen andererseits ihre Bemühungen noch verstärken werden.”
Erste Reaktionen gab es bereits von Verbänden und Klimaschutzorganisationen. Der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft (BNW) etwa forderte „mehr Konsequenz zur Bewältigung der Klimakrise“: „Der jetzt beobachtete Temperaturanstieg erfordert ein radikales Umdenken und konsequentes Handeln“, so BNW- Geschäftsführerin Katharina Reuter. „Die wirtschaftlichen Schäden durch Starkregen bei uns in Deutschland oder in China und die Brände rund um das Mittelmeer, in den USA und Kanada übertreffen die Vermeidungskosten bei weitem.“ Nichts sei teurer als Nichtstun, so Reuter.
Verband fordert höhere CO2-Preise
Der Bericht zeige noch deutlicher als bisher, dass eine schnelle Reduktion von Emissionen notwendig sei, um den derzeitigen Lebens- und Wirtschaftsraum zu erhalten. „Laut IPCC ist es noch nicht zu spät. Aber wir brauchen massive Anreize, damit auch die Wirtschaft Klimaschutz auf allen Ebenen umsetzen kann. Der CO2-Preis muss deutlich steigen. Damit es nicht zu einem Ausweichen CO2-intensiver Industrien kommt, brauchen wir einen konsequenten Klimazoll für alle Importe“, erklärt Reuter.
Klimaschutz-Aktivistin Luisa Neubauer forderte in einem Zeitungsinterview angesichts der anstehenden Bundestagswahlen eine „Neuverhandlung der Wahlprogramme“. Diese müssten alle mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar sein. Ferner brauche es nun einen „radikalen Ausstieg aus fossiler Infrastruktur“.
Wer ist der IPCC?
Der IPCC ist der Weltklimarat. Die Abkürzung steht für Intergovernmental Panel on Climate Change. Die Institution gehört zu den Vereinten Nationen. Regelmäßig tragen Fachleute Kenntnisse zum Klimawandel zusammen und bewerten diese aus wissenschaftlicher Sicht. Für den aktuellen Bericht haben 234 Autoren aus 66 Ländern zusammengearbeitet.
Der IPCC gibt explizit keine Ratschläge oder Handlungsanweisung, wie die Welt dem Klimawandel begegnen kann. Der Klimarat dokumentiert den Sachstand. Das wiederum bildet die Basis für wissenschaftsbasierte politische Entscheidungen.
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Wer finanziert das IPCC?
Es besteht ein Treuhandfonds, der sowohl die Beteiligung von Experten (zum Beispiel aus Entwicklungsländern) als auch die Publikationen und Übersetzungen der IPCC-Berichte finanziert. Freiwillige Beiträge leisten zudem die Mitgliedstaaten. Das aktuelle Jahresbudget beträgt fünf Millionen Euro.
Was versteht man unter dem Klimawandel?
Sowohl die Abkühlung als auch die Erwärmung des Klimas auf der Erde über einen längeren Zeitraum wird als Klimawandel bezeichnet. In vielen Regionen unseres Planeten sind die Auswirkungen schon heute fatal. Zum Beispiel erwarten Forscher in den nächsten Jahrzehnten eine eisfreie Arktis.
Klima darf dabei nicht mit dem Wetter verwechselt werden. Wie sich Faktoren wie Niederschlag, Meeresströmungen und Temperatur mit der Zeit verändern, fällt unter den Klimawandel.
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