Wie Wände aus Moos die Luft in den Städten verbessern
Sie sind ganz grün, die großen Wände mitten in Oslo. Und wenn man ganz nah rangeht, sieht man Hunderte kleinster Pflanzen und Moose. So sehen sie aus, die neuen Luftfilter der norwegischen Stadt. Aus Dresden kommen sie, erdacht von vier jungen Gründern. Und verrückt: Mitten ins Grün lassen sich sogar Werbebotschaften platzieren.
Warum müssen Grünflächen eigentlich immer am Boden sein? Warum nicht senkrecht, mitten in der Stadt? Wer durch Oslo geht, kann sie jetzt sehen, die ersten CityTrees des Start-ups Green City Solutions. Die CityTrees sind allerdings keine Bäume, sondern eben große Flächen, auf denen richtige Moose und kleinste Pflänzchen wachsen.
Die 4 m hohen und 3 m breiten Wände aus Holz sind beidseitig mit besonders klimafreundlichen Pflanzen bedeckt. Bis zu 1682 Pflanzen passen auf beide Seiten. Doch sie bringen nicht nur Grün in die Stadt. Sie filtern Staub und Stickoxide aus der Luft und binden Kohlendioxid. „Im Gegensatz zu herkömmlichen Filtermedien nehmen die lebenden Moose die Schmutzpartikel aus der Luft auf und wandeln diese in Biomasse um“, erklärt Peter Sänger, Gartenbauer und einer der vier Gründer von Green City Solutions.
Jede stehende Grünfläche bindet jährlich 73 kg Feinstaub, nach Angaben der Gründer entspricht das der Leistung von 275 gewöhnlichen Straßenbäumen. Feinstaubpartikel sind besonders gefährlich, da sie tief in die Lunge eindringen und dort Krebs auslösen können.
Die Displays aus Moos sind pflegeleicht
Sobald die CityTrees aufgebaut sind, brauchen sie keine Pflege mehr. Eine eigene Solaranlage auf dem Dach und eine automatische Bewässerungsanlage versorgen die Pflanzen selbständig. Ein Wasser- oder Stromanschluss ist nicht notwendig. Der 1400-Liter-Wassertank mit Dünger muss nur ab und an nachgefüllt werden.
Die freistehende Konstruktion ohne Bodenverankerung macht den CityTree schließlich völlig unabhängig und nahezu überall aufstellbar. Für die Standfestigkeit sorgt die Konstruktion. Denn auf beiden Seiten der Grünfläche ist jeweils eine Sitzbank montiert, die ein Umkippen verhindert. Die Grünfläche selbst weist eine Netzstruktur auf, an der die Pflanzen genügend Halt finden.
Oslo will weitere CityTrees aufstellen
In Oslo beginnt nun der Test auf Herz und Nieren. Bewähren sich die stehenden Grünanlagen auch in der Praxis? „Wir werden zwei Monate testen, wie gut sich die CityTrees in die gewählte Umgebung integrieren und angenommen werden“, erklärt Frederik Martinussen von der Osloer Umweltbehörde. „In der darauffolgenden zweijährigen Testperiode wird sich zeigen, ob sich die Pflanzen an das norwegische Klima anpassen und überleben können.
Von den Passanten erhielten wir bisher ein sehr positives Feedback.“ Sollten die Tests positiv verlaufen, will die Stadt weitere CityTrees aufstellen.
Bisher wurden die CityTree-Prototypen vor allem auf Veranstaltungen und Messen eingesetzt. Der erste stationäre CityTree wurde in Dresden aufgestellt. Oslo ist erst der zweite langfristig geplante Standort. Reutlingen ist Kandidat Nummer 3.
Varianten mit Hot-Spot und Bushaltestelle geplant
Doch langfristig sollen die CityTrees die Städte auch vor den Folgen des Klimawandels schützen. So können die CityTrees durch die laufende Bewässerung der großen Grünfläche um bis zu 17 Grad direkt an der Oberfläche senken.
Jetzt arbeiten die Sachsen an weiteren Varianten. Denkbar sind CityTrees mit WLAN-Hotspot und einer Biomasse-Verwertung. Aber auch eingebaute Nahrungsmittel- und Energieerzeugung sind denkbar, genauso wie die Kombination mit anderen Infrastrukturen wie beispielsweise mit Bushaltestellen, Fahrkarten- und Parkscheinautomaten oder Paketstationen.
Die Pflanzen können zu Firmenlogos, Schriften und Bildern arrangiert werden. Zudem können Kunststoffpixel zwischen den Pflanzen eingebaut werden. Sogar lesbare QR-Codes lassen sich integrieren. Und selbst bei den Pflanzen sind die Möglichkeiten enorm: 3000 verschiedene Pflanzen und Moose lassen sich in die Displays integrieren.
Wie sehr begrünte Flächen das Kleinklima verbessern, hat auch der Besitzer eines Hochhauses in Medellin erkannt. Er hat sogar eine Grünfläche an der Front eines 92 m hohen Hochhauses angebracht.
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