Windeln mit UV-Licht recyclen
Durch die Kombination von Wasser und UV-Strahlung können vernetzte Polymere aus Windeleinlagen rasch und ressourcenschonend aufgelöst werden, ohne dass chemische Substanzen benötigt werden. Die recycelten Kunststoffmoleküle lassen sich dann vielfältig einsetzen.
In Deutschland werden jedes Jahr mehr als 100.000 Tonnen Einwegwindeln entsorgt. Dies führt zur Verschwendung von beträchtlichen Mengen wertvoller Rohstoffe, insbesondere der Saugkissen, die aus speziellen Polymeren, sogenannten Superabsorbern, bestehen. Wissenschaftler am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben kürzlich eine signifikante Verbesserung des aufwändigen Recyclings dieser Superabsorber erzielt.
Superabsorber, die auf vernetzten Natriumpolyacrylat-Polymeren basieren, lassen sich nicht leicht recyceln. Eine schnelle und effektive Methode zum Recyceln von Superabsorbern würde erheblich zur Reduzierung von Umweltverschmutzung beitragen und eine nachhaltige Nutzung dieser Polymere fördern. Im Rahmen einer Studie haben die Forschenden bewiesen, dass eine schnelle Wiederverwertung vernetzter Natriumpolyacrylat-Hydrogele durch natürlichen UV-Zerfall möglich ist, ohne zusätzliche Chemikalien zu verwenden.
Um das 200-fache schneller auflösen
Forschende des KIT aus dem Institut für Biologische und Chemische Systeme, dem Institut für Biologische Grenzflächen und dem Institut für Technische Chemie und Polymerchemie haben entdeckt, dass die vernetzten Polymere aus Natriumpolyacrylat nach Wasseraufnahme unter UV-Licht aufgelöst werden. Durch den Einsatz von UV-Strahlen ist es den Forschenden gelungen, die chemischen Ketten, die die Polymere zusammenhalten, ohne Verwendung von Chemikalien und bei Raumtemperatur um das 200-fache schneller aufzulösen als zuvor. Die aufgelösten Polymere können wiederverwendet und in neue Kleb- und Farbstoffe umgewandelt werden. Die Forschungsergebnisse wurden im Fachjournal ACS – Applied Materials and Surfaces veröffentlicht.
„Die Ketten, welche die Polymere miteinander verbinden, werden vom Licht gebrochen und sind dann so lose, dass sie im Wasser schwimmen und zu Flüssigfasern werden“, erklärt Pavel Levkin, Professor am Institut für Biologische und Chemische Systeme.
Bislang nur unter Einsatz starker Säuren möglich
Superabsorber sind nicht ausschließlich in Windeln zu finden, sondern auch in einer Vielzahl anderer Hygiene- und medizinischer Produkte wie Binden und Verbandsmaterial. Bislang erforderte die Wiederverwendung ihres chemischen Kerns den Einsatz starker Säuren, da das saugfähige Material aus Natriumpolyacrylat besteht.
Diese vernetzten Polymere sind wasserunlöslich und können selbst bei hohen Temperaturen nicht eingeschmolzen werden – stattdessen zersetzen sie sich. Die Säuren konnten jedoch bei 80 Grad Celsius und nach etwa 16 Stunden die stabilisierenden Ketten, die die Polymere zusammenhalten, „schneiden“ und damit das Recycling ermöglichen. Dieses Verfahren ist aber aufwändig und kostspielig, weshalb die Wiederverwendung von Superabsorbern selten erfolgt. Deshalb werden jährlich etwa zwei Millionen Tonnen davon, wie bereits erwähnt weggeworfen oder verbrannt.
In einen flüssigen Zustand verwandelt
Für ihre Tests extrahierten die Forschenden die Saugkomponente aus konventionellen Windeln, befeuchteten sie mit Wasser und setzten sie einer 1000-Watt-Lampe aus. Innerhalb von nur fünf Minuten verwandelte sich das feste Material in einen flüssigen Zustand, der in einen Sammelbehälter tropfte. „Somit ist dieses Verfahren mit UV-Licht etwa 200-mal schneller als mit Säuren“, erklärte Levkin.
Das Team verarbeitete die flüssige Rohchemikalie anschließend mithilfe etablierter Verfahren zu neuartigen Kleb- und Farbstoffen. „Wichtig war die Beobachtung, dass die Substanz löslich und verarbeitbar ist. Daraus kann man sicherlich noch viel mehr machen“, sagt der Wissenschaftler.
Für die Versuche wurden unbenutzte Windeln verwendet. In realen Anwendungen ist es jedoch durchaus möglich, Superabsorber aus verschmutztem Material herauszufiltern.
„Einer realitätsnahen Anwendung steht daher nichts im Weg“, so Levkin. Außerdem könne man das Recyclingverfahren mit Solarstrom kostenneutral und ökologisch optimieren: „Wir haben eine zukunftsweisende Strategie zur Wiederverwendung von Superabsorbern gefunden. Das könnte die Umweltverschmutzung signifikant reduzieren und zu einem nachhaltigeren Umgang mit Polymeren beitragen.“
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