Winzige Partikel aus Autoreifen bedrohen Gewässer
Abgase und Feinstaub beeinträchtigen die Umwelt. Das ist inzwischen weitreichend untersucht worden. Doch die Umwelteinflüsse durch Reifenabrieb hat sich erst jetzt ein Forscherteam ganz genau angeschaut. Die Ergebnisse sind alarmierend: Denn der Reifenabrieb bedroht Gewässer.
Es ist eine Tatsache, dass Autos sich auf unterschiedliche Art und Weise auf Umwelt, Klima und die menschliche Gesundheit auswirken. Diese negativen Folgen werden seit einiger Zeit auch gesellschaftlich intensiv diskutiert. Im Fokus stehen dabei vor allem CO2-Emissionen und Luftverschmutzung durch Abgase und Feinstaub. Andere Arten von Emissionen, besonders solche, die nicht in die Luft abgegeben werden, sind aktuell noch nicht so weitreichend untersucht worden. Doch betrachtet man kleinste Partikel, die zum Beispiel durch den Abrieb von Reifen entstehen und dann durch Regen und Wind in der Umgebung verteilt werden, spielen auch sie in diesem Zusammenhang eine große Rolle.
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Der Biologe Markus Pfenninger von der Universität Frankfurt, der auch das Laborzentrum des Biodiversität und Klima Forschungszentrums (BiKF) der Senkenberg Gesellschaft für Naturforschung und der Goethe-Universität leitet, hat gemeinsam mit einem Team die schädlichen Auswirkungen des Reifenabriebs auf Wasserökosysteme untersucht. Die Ergebnisse, die jüngst im Fachmagazin „Science of The Total Environment“ veröffentlicht wurden, sind alarmierend: Das giftige Partikelgemisch aus dem Straßenverkehr schädigt essenzielle Wasserlebewesen erheblich. Die Forschenden warnen deshalb eindringlich vor dieser oft verkannten Umweltgefahr.
Reifenabrieb und Mikroplastik: eine toxische Mischung
Das Forscherteam, dem auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des LOEWE-Zentrums für Translationale Biodiversitätsgenomik (TBG) und der Goethe-Universität Frankfurt angehören, untersuchte die Effekte von Reifenabriebpartikeln auf Larven der Zuckmückenart Chironomus riparius. Diese Spezies zählt zu den häufigsten Bewohnern von Gewässerökosystemen und wird oft für Umweltverträglichkeitsprüfungen herangezogen. Im ersten Schritt bestimmten die Forschenden Menge und Zusammensetzung des in einem Rückhaltebecken enthaltenen Reifenabriebs. Im nächsten Schritt setzten sie die Zuckmücken-Larven unterschiedlichen Konzentrationen des Abriebs aus. Danach beobachteten sie die Larven unter Berücksichtigung folgender Parameter: Sterblichkeit, Entwicklung, das Geschlechterverhältnis, Fruchtbarkeit und Größe. Darüber hinaus analysierten sie auch den Umfang, in dem die Organismen sogenanntem „oxidativem Stress“ durch freie Radikale ausgesetzt sind, und schätzten die Entwicklung der Wachstumsrate der Population.
„Die mikroskopisch kleinen Reifen- und Straßenabriebpartikel – kurz TRWP – sind eine chemisch komplexe Mischung aus vielen verschiedenen Komponenten wie Mikroplastik, polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAKs), Mineralölen, Metallen, Reifengummi und synthetischen Chemikalien, einschließlich Reifengummizusätzen und Weichmachern. Über 20.000 Tonnen von diesem Gemisch werden jedes Jahr allein in Deutschland in Gewässer eingetragen, vor allem durch ungefilterten Straßenabfluss“, sagt Pfenninger. Insgesamt betrachten die Forschenden ihre Ergebnisse als beunruhigend.
Reifenabrieb – langfristige Bedrohung für Ökosysteme
„Wir haben in den urbanen Sedimenten ein hochkomplexes, für die Verschmutzung durch Straßenabflüsse typisches Stoffgemisch gefunden“, erläutert Lorenzo Rigano, Hauptautor der Studie und Doktorand am LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik (TBG). „Diese Mischung hatte bei unseren Laboruntersuchungen komplexe und deutlich schädliche Auswirkungen auf die Mückenlarven und adulten Organismen. Das kontaminierte Sediment erhöhte die Sterblichkeit um fast 30 Prozent. Auch die Fruchtbarkeit nahm sichtbar ab und es kam zu einer Verringerung der Zahl fruchtbarer Eier pro Weibchen. Wir konnten deutliche Zeichen von oxidativem Stress feststellen und die Populationswachstumsrate war je nach Konzentration signifikant verringert.“ Die Forschenden sind sich sicher, mit ihrer Studie deutlich machen zu können, dass es sich bei Partikel durch Reifenabrieb um eine unterschätzte Gefahr für Gewässer handelt.
Die Studie stellt ein besonders besorgniserregendes Ergebnis fest: Die beobachteten Fortpflanzungsstörungen bei den Zuckmücken-Larven könnten sich nicht nur auf eine Generation beschränken, sondern sogar über mehrere Generationen hinweg bestehen bleiben . Darüber hinaus enthalten die winzigen Abriebpartikel zahlreiche Chemikalien und Schadstoffen, die sich wiederum im Gewebe des menschlichen Körpers anreichern können. Daraus resultierend ließen sich kaskadenartige Auswirkungen auf Süßwasserökosysteme über die Nahrungskette ableiten. „Unsere Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, die toxische Wirkung von Gemischen genau zu untersuchen, da deren Zusammenwirken unerwartete Auswirkungen haben kann“, fasst der Biologe Markus Pfenninger zusammen. Er ist darüber hinaus der Auffassung, dass eine Reduzierung der Umweltbelastungen unumgänglich sei. Denn nur dann ließen sich die Gewässer ausreichend schützen und die biologische Vielfalt erhalten.
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