„Wir zerstören Strände“
Sand ist endlich. Derzeit gefährden die Menschen durch rabiaten Sand-Abbau Strände weltweit. Der britische Geologe und Autor Michael Welland warnt vor den Folgen.
VDI nachrichten: Herr Welland, Sand ist so selbstverständlich, dass niemand ihn für einen seltenen Rohstoff hält. Sie glauben das Gegenteil. Warum?
Welland: Ich habe versucht, in meinem Buch klar zu machen, dass der Sandvorrat in der Welt nicht unendlich ist. Wenn wir an unseren Planeten denken, halten wir Sand für selbstverständlich. Aber es gibt viele Orte in der Welt, in denen wir durch schlechte Nutzung und Raubbau Probleme verursachen. Dabei brauchen wir Sand!
Wofür wird Sand gebraucht?
Zunächst einmal ist er in Beton, der zu zwei Dritteln aus Sand besteht. Aber Sand ist auch wichtig für die Herstellung von Glas. Eisenhaltiger Sand enthält sogar Titan. Und Silikon-Chips, wie sie heute in Telefonen oder Computern verwendet werden, werden nicht nur aus Quarz, sondern auch aus Sand hergestellt. Sand ist ein Rohstoff mit einer überraschend breiten Anwendung.
Was passiert, wenn Sand wild abgebaut wird?
Das hängt davon ab, wo er entnommen wird. Sowohl Flüsse als auch die Küste sind komplizierte Einheiten. Sand ist eines der dynamischsten Materialien des Planeten. An einem Strand gibt es ein Gleichgewicht von Sand, der hinein- und hinausgespült wird. Sobald wir Sand entnehmen, wird dieses Gleichgewicht gestört. Wenn wir zu viel entnehmen, entsteht ein Ungleichgewicht. Stürme können Strände auf natürliche Weise zerstören. Der Mensch kann das beispielsweise durch küstennahes Bauen. Sehen Sie sich nur die Auswirkungen des US-Sturms „Sandy“ an: Menschen hatten zuvor Dünen entfernt und so dem Strand seine natürliche Verteidigung genommen, nur um näher am Wasser bauen zu können. Aber auch die Entnahme von Sand am Strand oder im Meer stört das Gleichgewicht. Das ist in Dubai geschehen, wo Sand aus dem Golf gepumpt wurde – mit schlimmen Folgen für das Leben am Meeresboden. Wir zerstören Strände, wenn das passiert.
Wie lässt sich Sand ersetzen?
Den Sand, den wir im Beton nutzen, können wir nur zu einem gewissen Teil ersetzen und zwar durch recycelten Beton. Das sollten wir öfter tun. Wir können Steine zerkleinern und so künstlich Sand herstellen. Aber das braucht viel Energie. Wüstensand lässt sich übrigens nicht für Beton nutzen. Dubai importiert deshalb heute noch Sand aus Australien. Vor Kurzem hat mich ein Deutscher kontaktiert. Er berichtete mir von einem patentierten Projekt, bei dem Flugasche und Hüttensand die Nutzung von Wüstensand in Beton erlauben. So seien in Kuwait Straßen erfolgreich gebaut worden.
Was passiert, wenn Sand weiter weltweit wie bisher abgebaut wird?
Es hat Millionen Jahre gedauert, bis aus Felsen und Bergen Sand wurde, der in die Flüsse und ans Meer gelangte. Wenn wir so weitermachen, sind die Strände in Gefahr – nicht nur in tropischen Paradiesen, sondern auch in Europa. Und auch die Lebensgrundlage der Menschen. 2005 gab es in Italien Probleme mit dem Strand von Ostia bei Rom, weil der In-Strand Capocotta einen Ort weiter Barrieren vor die Küste gebaut hatte, um sich zu schützen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die italienische Regierung 26 Mio. € eingeplant, um 350 000 m3 Auffüll-Sand an 400 km Strand zu bringen. Wenn man aber Sand mit einer falschen Körnergröße nimmt, spült die Natur ihn sofort wieder ins Meer. Das haben Millionen-Dollar-Projekte vor der US-Küste gezeigt.
Lesen Sie auch unseren Beitrag über die Probleme des weltweit zunehmenden Sandabbaus.
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