Zauberwatte gegen Ölpest: Wie aus einer Panne eine glorreiche Erfindung wurde
Eigentlich sollte Ernst Krendlinger bei seinem Arbeitgeber ein Rezept für Wachs geringfügig modifizieren. Doch irgendetwas lief gründlich schief. Produziert wurden zehn Tonnen einer faserigen Substanz, die an Watte erinnerten. Der Chemiker reagierte. Machte aus der Fehlproduktion ein Erfolgsrezept. Und könnte jetzt wohlmöglich den europäischen Erfinderpreis dafür bekommen.
Denn aus der fehlproduzierten Watte ist Zauberwatte geworden, die hervorragend Öl und Wasser trennt. Und so bei Ölkatastrophen schlimme Umweltverschmutzungen verhindern kann. Wer verantwortlich für die Panne war? Man weiß es nicht. „Irgendjemand muss wohl die verkehrte Temperatur und den falschen Druck eingestellt haben“, sagte Krendlinger dem Magazin Wired. Jedenfalls geschah dies beim Chemieunternehmen Deurex in Elsteraue in Sachsen-Anhalt. Und auch, warum aus der Fehlproduktion ein Erfolgsrezept wurde: „Wir wollten diese riesige Menge nicht einfach wegwerfen, das hätte immense Kosten verursacht“, so Krendlinger.
„Danach hat es wieder Trinkwasserqualität“
Im Laufe verschiedener Experimente fand Krendlinger heraus, dass die seltsame Watte Stoffe wie Öl oder Diesel aufsaugt, während sie gleichzeitig Wasser abweist. „Soweit ich weiß, sind diese Eigenschaften weltweit einzigartig“, sagt der 61-jährige. Zauberwatte nennen er und sein Team das neu entdeckte hydrophobe Bindemittel mit dem offiziellen Namen Deurex Pure.
Die Zauberwatte ist recycelbar, umweltfreundlich, unlöslich in Wasser, witterungsbeständig und schwimmt immer oben, selbst vollgesogen mit Öl. Laut Deurex kann der Wachs das 6,55-fache seines Eigengewichts aufnehmen. 100 kg Deurex Pure können mehr als 600 l Öl aus verseuchtem Wasser binden. „Danach hat es wieder Trinkwasserqualität“, sagt Krendlinger.
Ungläubige Patentämter in München und Den Haag
Die so vollgesaugte Wachs-Watte kann man danach einfach wieder auswringen und erneut verwenden. „Natürlich ist das Wachs danach nicht mehr so saugfähig, aber drei- bis viermal kann es locker wieder verwendet werden“, sagt Krendlinger. „Der entscheidende Unterschied zu allen bisherigen Methoden ist eben, dass wir das Öl aus dem Wasser komplett und rückstandsfrei binden können.“
Das wollte ihm das Patentamt in München nicht glauben, als er Deurex Pure zum Patent anmelden wollte. „Ich bin dann vorbeigefahren und habe es ihnen vorgeführt. Erst als ich einen Schluck des gereinigten Wassers getrunken haben, haben sie mir geglaubt“, berichtet der Erfinder. Auch beim europäischen Patentamt in Den Haag blitzte der Zufalls-Erfinder zunächst ab und musste demonstrativ sein gereinigtes Wasser trinken.
Nominiert zum Patent des Jahres
Inzwischen haben Krendlinger und sein Arbeitgeber Deurex das Patent für die Zauberwatte. Und von den europäischen Spezialanwälten wurde sie sogar als „Patent des Jahres“ nominiert. „Die Verleihung findet nächstes Frühjahr im Elysee-Palast in Paris statt“, berichtet Krendlinger. Wenn die Zauberwatte gewinnt, gibt es ein Preisgeld in Höhe von einer halben Million Euro. Was den den Zufalls-Erfinder sehr erfreuen würde.
Ingenieure des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben nach dem Vorbild von Schwimmfarnen ebenfalls ein Material entwickelt, das kein Wasser aufnimmt, dafür aber große Mengen Öl. Anschließend lässt sich der Nanopelz einfach aus dem Wasser fischen – mit seiner Ölfracht. Noch befindet sich das Material namens Nanofur im Prototypstadium. Die Forscher arbeiten auf eine großtechnische Fertigung zu.
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