Zu wenige Bienen: Alarmierende Zahlen zum Ernteausfall
Rückgang der Bienen gefährdet die Ernte: Eine Studie zeigt, wie Bestäubermangel weltweit zu Ertragsdefiziten bei wichtigen Lebensmitteln führt.
Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Rutgers University-New Brunswick in den USA hat in einer groß angelegten Studie untersucht, wie sich der Mangel an Bestäubern auf die Ernteerträge auswirkt. Die Analyse umfasste mehr als 1500 Felder auf sechs Kontinenten und brachte alarmierende Ergebnisse: Der weltweite Rückgang von Bestäubern hat erhebliche Auswirkungen auf die Produktion wichtiger Nahrungsmittel wie Obst, Gemüse, Nüsse und Hülsenfrüchte.
Diese Nahrungsmittel sind nicht nur nährstoffreich, sondern auch wichtig für eine ausgewogene Ernährung. Die Ergebnisse der Studie, die in der renommierten Fachzeitschrift Nature Ecology & Evolution veröffentlicht wurden, zeigen, dass zwischen einem Drittel und zwei Dritteln der untersuchten landwirtschaftlichen Betriebe aufgrund des Bestäubermangels nicht ihr volles Ertragspotenzial ausschöpfen können. Dieses Phänomen ist in der Fachwelt als Bestäuberlimitierung bekannt.
Inhaltsverzeichnis
Bestäuberlimitierung – ein unterschätztes Risiko
Bestäuberlimitierung beschreibt den Zustand, in dem Ernteerträge durch unzureichende Bestäubung, d.h. zu wenige Besuche von Bestäubern wie Bienen, beeinträchtigt werden. Diese Form der Ertragsminderung ist ein ernstes Problem, das weltweit an Bedeutung gewinnt. Der Rückgang der Insektenpopulationen, insbesondere der Bienenpopulationen, hat in den letzten Jahren zunehmend Besorgnis erregt. Die Ergebnisse der Rutgers-Studie unterstreichen die Dringlichkeit, dieses Problem anzugehen.
Laut Katie Turo, einer der Autorinnen der Studie, zeigen die Ergebnisse sowohl eine besorgniserregende Situation als auch eine Chance für Verbesserungen. „Wir haben weit verbreitete Ertragsdefizite festgestellt. Dennoch sind wir optimistisch, dass durch gezielte Maßnahmen im Bestäubermanagement die Effizienz der bestehenden Anbauflächen gesteigert werden kann, um den Nahrungsmittelbedarf der wachsenden Weltbevölkerung zu decken“, so Turo.
Umfassende Datenbasis für belastbare Erkenntnisse
Die Forscherinnen und Forscher der Rutgers University nutzten für ihre Analyse eine der weltweit größten Datenbanken zur Bestäubung von Kulturpflanzen. Diese Datenbank umfasst über 200.000 Beobachtungen von Bienenbesuchen an Blüten von Nutzpflanzen, gesammelt über einen Zeitraum von 30 Jahren.
Hauptautorin Rachael Winfree und ihr Team, unterstützt von Kollegeninnen und Kollegen aus Europa und Südamerika, trugen diese umfangreichen Daten zusammen, um ein möglichst vollständiges Bild der Bestäubersituation zu erhalten. Die Erkenntnisse aus diesen Daten zeigen, dass ein erheblicher Anteil der globalen Landwirtschaft von unzureichender Bestäubung betroffen ist.
Nicht alle Nahrungsmittel sind betroffen
Besonders betroffen von der Bestäuberlimitierung sind Kulturpflanzen, die für ihre Reproduktion auf Insekten angewiesen sind. Während wichtige Grundnahrungsmittel wie Reis und Weizen ohne Bestäuber auskommen, sind Obst, Gemüse, Nüsse und Hülsenfrüchte auf die Hilfe von Bienen und anderen Bestäubern angewiesen.
Diese Pflanzen sind nicht nur ernährungsphysiologisch wertvoll, sondern auch kulturell relevant. „Wenn man an seine Lieblingsfrüchte und -gemüse denkt, wie Beeren im Sommer oder Kürbisse im Herbst, dann sind das genau die Pflanzen, die von der Bestäubung durch Insekten abhängen“, erklärt Turo.
Die Rolle der Bestäuber bei der Ertragssteigerung
Die Bestäubung spielt eine entscheidende Rolle bei der Übertragung von Pollen und damit bei der Fortpflanzung von Pflanzen. Bienen, Wildbienen und andere Insekten sowie Tiere wie Fledermäuse tragen zur Verbreitung von Pollen bei. Frühere Studien haben gezeigt, dass weltweit etwa 88 % aller Blütenpflanzen und 76 % der wichtigsten Nahrungspflanzen auf Bestäuber angewiesen sind. Bienen gelten dabei als die effektivsten Bestäuber.
Vor allem bei Nutzpflanzen wie Heidelbeeren, Kaffee und Äpfeln wurde ein großer Einfluss der Bestäuberzahlen festgestellt. Diese Pflanzen profitieren von häufigen Bienenbesuchen, da Bienen nicht nur mehr Blüten anfliegen, sondern auch größere Mengen an Pollen transportieren als andere Insekten.
Chancen für Verbesserungen
Die Forscher stellten fest, dass bei 25 Einzelkulturen und in 85 % der untersuchten Länder Ertragsdefizite durch Bestäubermangel vorlagen. Trotz dieser besorgniserregenden Zahlen gibt es laut Turo Grund zur Hoffnung. Die Studie zeigt, dass durch gezielte Verbesserungen im Bestäubermanagement die bestehenden Ertragsprobleme teilweise behoben werden können.
In einigen Fällen besuchten bereits ausreichend viele Bienen bestimmte Felder, was darauf hindeutet, dass eine Ertragssteigerung durch eine bessere Konsistenz der Bestäuberaktivität möglich wäre. Winfree betont die Bedeutung dieser Erkenntnisse: „Die Ernteerträge sind ein wesentlicher Indikator dafür, wie gut die weltweite Nahrungsmittelversorgung mit der wachsenden Bevölkerung Schritt halten kann. Wenn Landwirte den Bestäubern mehr Aufmerksamkeit schenken, könnten sie die Produktivität ihrer Felder signifikant steigern.“
Warum gibt es immer weniger Bestäuber?
Derzeit fehlen umfassende wissenschaftliche Daten, um ein vollständiges Bild der Situation zu zeichnen. Es gibt jedoch deutliche Anzeichen dafür, dass der Rückgang der Bestäuber erheblich ist und hauptsächlich auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen ist. Die am besten dokumentierten Daten betreffen Bienen und Schmetterlinge und zeigen, dass eine von zehn Insektenarten in Europa vom Aussterben bedroht ist.
Die Ursachen für den Rückgang der Bestäuber sind vielfältig und lassen sich nicht auf einen einzigen Faktor zurückführen. Vielmehr sind die Bestäuber einer Reihe von Risiken ausgesetzt, die oft zusammenwirken und sich gegenseitig verstärken. Eine große Bedrohung stellen Landnutzungsänderungen durch Landwirtschaft und Urbanisierung dar, die zum Verlust und zur Zerstörung natürlicher Lebensräume führen. Intensive landwirtschaftliche Praktiken fördern die Entstehung homogener Landschaften, was zu einem Rückgang der Pflanzenvielfalt und damit zum Verlust von Nahrungsquellen und Nistplätzen für Bestäuber führt.
Der Einsatz von Pestiziden und anderen Chemikalien kann sowohl direkte (z. B. Insektizide und Fungizide) als auch indirekte (z. B. Herbizide) negative Auswirkungen auf Bestäuber haben. Aus diesem Grund hat das Europäische Parlament die Reduzierung des Pestizideinsatzes zu einem vorrangigen Ziel erklärt. Invasive Insektenarten wie die Asiatische Hornisse (Vespa velutina) stellen für Honigbienen eine ernsthafte Bedrohung dar. Ein Problem sind außerdem Krankheiten durch Parasiten. Darüber hinaus spielt auch der Klimawandel mit steigenden Temperaturen und häufigeren Wetterextremen eine wichtige Rolle bei der Bedrohung der Bestäuber.
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