Zuwachs für Deutschlands höchstgelegene Forschungsstation
Deutschlands höchstgelegene Forschungsstation auf der Zugspitze hat Zuwachs erhalten: Die PTB betreibt dort jetzt drei neue Messsysteme für die Umweltforschung.
Wer heute die Zahnradbahn zur Zugspitze in Garmisch besteigt, den erwartet nach 1 h und 13 min Fahrtzeit als Endbahnhof das Zugspitzplatt mit dem Restaurant Sonnalpin. Das war nicht immer so. Bis 1986 gings nämlich zum etwas unterhalb gelegenen Schneefernerhaus (s. Kasten). Das Restaurant dort ist heute längst geschlossen, hierher verirren sich aber sehr regelmäßig Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschlands Spitzenforschungseinrichtungen. Der Freistaat Bayern hat nämlich dort kurz vor der Jahrtausendwende Deutschlands höchst gelegene Umweltforschungsstation eingerichtet. Erst Ende Februar dieses Jahres kam die Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) als elftes Mitglied in das Konsortium, das die Umweltforschungsstation Schneefernerhaus (UFS) betreibt.
Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) startet jetzt den Betrieb von drei neuen Experimenten aus dem Bereich Umwelt- und Klimaforschung auf dem Schneefernerhaus:
- Messungen von Rußpartikeln in der Luft
- Messungen von Molekülen in der Mesopause (einer Atmosphärenschicht)
- Messungen der natürlichen Neutronenstrahlung.
Alle drei Projekte stünden für das gemeinsame Ziel der Metrologie für den Klimaschutz: dafür zu sorgen, dass Messergebnisse vergleichbar sind und man sich auf sie verlassen kann, so die PTB in einer Mitteilung.
Warum die Umwelt-Spitzenforschung auf dem Schneefernerhaus so besonders ist
„Alle drei Projekte betreffen wichtige Zukunftsfragen zu unserem Klima“, erklärt Olav Werhahn, Geschäftsführer des Innovationsclusters Umwelt und Klima in der PTB. Die Umweltforschung fokussiert sich weltweit auf Orte, an denen die vom Menschen verursachte Verschmutzung gering ist und an denen die Atmosphäre kontinuierlich mit modernsten Instrumenten untersucht werden kann. Das Schneefernerhaus auf der Zugspitze ist einer dieser gefragten Orte. „Die Höhenlage der Messstation ermöglicht die Messung der freien Troposphärenluft“, so die PTB.
Nano-Rußteilchen auf dem Gipfel messen
Während bei gutem Wetter die Sicht vom Schneefernerhaus bis zu 250 km reicht und sich dann im Optimum mehr als 300 Gipfel in Österreich, der Schweiz und Italien erkennen lassen sollen, sucht die PTB danach, was den Blick trüben könnte. Sie will die Folgen der Nutzung fossiler Brennstoffe nachweisen: feinste Rußpartikel, die bei der Verbrennung entstehen.
„Solche Kohlenstoff-Nanopartikel können Sonnenstrahlung absorbieren und geben Wärme wieder ab; sie heizen also die Atmosphäre auf“, erklärt PTB-Wissenschaftler Jorge Saturno. Er untersucht auf der Zugspitze, wie gut Messgeräte diese Kohlenstoffaerosole messen. Saturno beschäftigt sich schon länger bei der PTB mit der Messgenauigkeit bei der Erfassung von Abgasen. Die PTB ist als nationales metrologisches Institut prinzipiell damit betraut, entsprechende Messverfahren und die notwendigen Geräte zu entwickeln. Die hauseigenen Instrumente seien wegen der hohen Messgenauigkeit „besonders gut geeignet, um die relativ kleinen Konzentrationen hier oben exakt zu messen“, so die Bundesanstalt.
Klimawandel verändert die Erdatmosphäre auch in großen Höhen
Höher gelegene Messstationen wie das Schneefernerhaus eignen sich auch gut für terrestrische Infrarotmessungen höher gelegener Atmosphärenschichten. Hintergrund sind die Absorptionsbanden des Wassers. In höheren Lagen gibt es weniger Absorption, da die Wasserdampfkonzentration geringer ist. Daher platziert die PTB am Schneefernerhaus auch ein Infrarotspektrometer, um die Mesosphäre zu erkunden. Diese Schicht der Erdatmosphäre beginnt bei ca. 50 km und reicht bis hinauf in etwa 90 km Höhe. Die PTB will bei ca. 87 km Höhe messen. Denn, so PTB-Forscher Oliver Wroblowski, der Klimawandel zeige sich auch in einer Veränderung der Dynamik in der oberen Atmosphäre: „Die Beobachtung des jährlichen Temperaturzyklus in der Mesopause erlaubt daher eine frühzeitige Erkennung von Klimatrends mit guter statistischer Signifikanz.“ Konkret misst das Infrarotspektrometer hochgenau die Emission von angeregten OH-Molekülen, die als präzise Referenz für die Temperatur in dieser Höhe gilt.
Wenn die Kugelalm zum Gipfel kommt
Schließlich will die PTB genau wissen, wie groß der Neutronenanteil an der natürlichen kosmischen Strahlung ist und wie intensiv die Neutronen sind. Die PTB beschäftigt sich nämlich mit einem neuen Verfahren, um die Bodenfeuchte messen zu können. Nach den Dürrejahren 2018/2019 haben es Bodenfeuchtewerte bis in die Hauptnachrichten zur Primetime geschafft, nachdem deutlich wurde, wie wichtig es nicht nur für Land- und Forstwirte ist zu wissen, wie sich die Bodenfeuchte entwickelt.
Das neue Verfahren ermittelt mithilfe von natürlichen Neutronen, wie viel Wasser im Boden vorhanden ist. Damit diese Messungen korrekt sind, ist es aber wichtig zu wissen, wie viele Neutronen mit welchem Energieniveau und welcher Intensität natürlicherweise ohnehin vorhanden sind, um die Messungen entsprechend bereinigen zu können.
Als Messinstrument kommt bei der PTB ein Satz sogenannter Bonnerkugeln zum Einsatz, untergebracht in einem „Kugelalm“ getauften Messhäuschen. „Das Gerät misst auch die hochenergetischen Neutronen, die in der oberen Atmosphäre entstehen“, erklärt PTB-Physiker Miroslav Zboril. Das ist wichtig, damit wirklich Information über das gesamte Neutronenspektrum vor Ort ermittelt werden kann. „Die Intensität der kosmischen Strahlung nimmt mit der Höhe zu. Das Schneefernerhaus ist also ein perfekter Ort für solche Messungen“, so Zboril.
Schneefernerhaus liegt ideal für die Umweltforschung
„An der Zugspitze haben wir die Möglichkeit, in einer geringen räumlichen Distanz die Auswirkungen des Klimawandels auf Tiere und Pflanzen in unterschiedlichen Klimagradienten zu beobachten – von Garmisch-Partenkirchen aus, das auf einer Höhe von 700 m liegt, bis zur knapp 3000 m hohen Zugspitze“, erklärt Nadja Simons, Juniorprofessorin für Angewandte Biodiversitätsforschung an der Würzburger JMU. Ein Grund, warum die Alma Mater aus der fränkischen Barockmetropole inzwischen das elfte Mitglied im Betreiberkonsortium des UFS ist.
An der UFS ist verschiedenste Forschung möglich, so für die JMU im wichtigen Bereich Fernerkundung: „Die Station bietet mit ihren Laborflächen, ihrer Forschungsinfrastruktur und der Betreuung durch die dortigen Mitarbeiter ein Rundum-Paket, wie man es sonst vielleicht noch auf einem Forschungsschiff findet“, sagt Martin Wegmann, Manager des Earth Observation Research Clusters am Lehrstuhl für Fernerkundung. Und das Beispiel PTB zeigt, dass nicht nur die Konsortialmitglieder Zugang haben und Experimente aufbauen können.
Wie prägend der Klimawandel ist, der am UFS intensiv erforscht wird, wird deutlich, wenn man auf den Gletscher gleichen Namens sieht. Es gab mal einen Südlichen und einen Nördlichen Schneeferner, gleich zwei Gletscher im Zugspitzgebiet. 2022 erklärte die Bayerische Akademie der Wissenschaften den Südlichen Schneeferner zu Toteis, denn es fließt nur noch Schmelzwasser ab. So weit ist der Nördliche Schneeferner noch nicht. Aber die Forschung ist sich sicher, dass auch das nur noch eine Frage der Zeit ist.
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