Audi und US-Stadt Somerville planen die neue autogerechte City
Ampeln kommunizieren mit Autos, Parkhäuser kommen ohne Fußgänger aus, der Verkehr fließt reibungslos: In einer Kooperation mit der US-Stadt Somerville will Audi zeigen, dass das Auto auch in der Großstadt der Zukunft noch eine große Rolle spielen kann.
Platznot, Staus, Luftverschmutzung – Verkehrsforscher in aller Welt rechnen damit, dass die Großstadt der Zukunft eine ist, in der motorisierter Individualverkehr, wie wir ihn heute kennen, kaum noch eine Rolle spielt. Für Fahrzeughersteller eine Horrorvorstellung. Kein Wunder also, dass sie alles dafür tun zu beweisen, dass jeder auch in Zukunft mit dem Auto fahren kann. Weil man aber Peking, New York oder Berlin nicht so leicht umbauen kann, hat sich Audi für ein Modellprojekt eine Stadt in den USA gesucht, die in weiten Teilen komplett neu gedacht und gebaut wird.
Somerville heißt die Stadt, gelegen nahe Boston und angeblich einer der dynamischsten Orte der USA. Der Immobilienentwickler FRT jedenfalls plant dort ein ganz neues Viertel, und das Stadtzentrum wandelt und verdichtet sich rasant. Mit den Stadtoberen hat Audi nun eine Vereinbarung geschlossen, die den Praxistest neuer Mobilitätskonzepte vorsieht.
Ampel zählt den Countdown runter
Indes: So richtig neu sind die einzelnen Bestandteile nicht. Aber ihre Vernetzung lässt sich hier umsetzen. Ein Aspekt ist beispielsweise der „Ampelphasenassistent“, dessen erste Version Audi schon vor zehn Jahren entwickelte. Das Grundprinzip ist, dass jede Ampel Signale an Autos in der Nähe schickt und deren Fahrern sagt, wie lange es denn noch bis zur nächsten Grünphase dauern wird. So sollen Haltezeiten an Ampeln reduziert werden. Der Fahrer kann sein Tempo dann manuell anpassen oder das Ganze einer elektronischen Steuerung, der „adaptive cruise control“, überlassen.
Bislang hat es mit diesem System zwar einen Praxistest in Ingolstadt gegeben, aber von der Durchsetzung ist es weit entfernt – schon deshalb, weil die Kommunen, die ihre ohnehin teuren Ampelanlagen erneuern müssten, kein Geld dafür haben. Würde das System in Deutschland flächendeckend eingeführt, könnten pro Jahr zwei Millionen t Kohlendioxid eingespart werden, rechnet Audi vor. Die Investitionskosten wären allerdings enorm.
Parkplätze kosten Planer besonders viel Geld
In Somerville dagegen scheint Geld kein Problem zu sein. Die Stadt prosperiert nach eigenen Angaben so stark wie sonst in den USA nur noch das Silicon Valley. Deshalb soll Audi sein Ampelsystem im Zentrum von Somerville, am Union Square, installieren.
Außerdem wird gerade im Stadtteil Assembly Row eine „Smart City“ durchgeplant. Ein Viertel, das Wohnraum, Arbeitsplätze und Freizeitmöglichkeiten gleichermaßen vorsieht – und in dem eine bestimmte Anzahl von Parkplätzen vorgeschrieben ist. Genau die allerdings sind ein Kostenproblem für den Entwickler FRT: Jeder einzelne kostet im Durchschnitt mindestens 25.000 $. „Das Thema Parken ist für uns teuer und verbraucht enorm viel Platz. Wenn wir Parkfläche reduzieren können, sinken die Kosten, Raum kann besser genutzt werden und Lebensqualität sowie Gewinn steigen“, sagt Chris Weilminster, Vizepräsident des Unternehmens.
Parkpilot spart sehr viel Platz
Ein geparktes Auto braucht Platz. Vor allem aber braucht ein parkender Mensch Platz. In einem Parkhaus, wo alle Autos automatisch gesteuert und abgestellt werden, können nicht nur pro Platz etwa zwei Quadratmeter wegfallen, sondern auch breite Zufahrten und Fußwege werden überflüssig. Auf demselben Raum lassen sich laut Audi damit 62 % mehr Fahrzeuge unterbringen. Wie das mithilfe einer Smartphone-App funktionieren kann, hat BMW übrigens schon vor knapp einem Jahr vorgeführt. (LINK)
Der vernetzte Stadtverkehr und das autonome Parkhaus – beides keine ganz neuen Konzepte. In Somerville entsteht aber vielleicht die schöne neue Autostadt. Bislang allerdings haben Audi-Chef Rupert Stadler und Bürgermeister Joseph A. Curtatone nur eine Absichtserklärung unterschrieben. Ob Realität daraus wird, bleibt abzuwarten.
Städte in Europa setzen dagegen völlig andere Akzente, um den Verkehr in Zukunft zu gestalten. London verbannt den Autoverkehr immer mehr aus der Innenstadt, baut seine U-Bahnen und Fahrradstrecken aus. Sogar Fahrrad-Highways quer durch die Stadt werden entwickelt.
Der Architekt Norman Foster hat sogar einen Fahrrad-Highway vorgeschlagen, der sich wie eine Stadtautobahn hoch über der Stadt durch London zieht. Und andere Architekten wollen einen schwimmenden Radweg in der Themse realisieren.
In Eindhoven gibt es schon den weltweit ersten Kreisverkehr für Radfahrer, der hoch über den Autostraßen schwebt und somit ein schnelles, kreuzungsfreies Radeln erlaubt.
Und Kopenhagen setzt ebenfalls auf kreuzungsfreie Highways. Die sind auch schon in Deutschland in Planung. Fünf Radschnellwege plant Nordrhein-Westfalen, darunter ist sogar der längste Fahrrad-Highway Deutschlands quer durch das Ruhrgebiet.
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