Auto-Hersteller setzen auf Turbolader
So schnell Abgasturbolader ins Glühen kommen, kühlen sie auch ab. Ein Sinnbild für den Markt? Ihre Hersteller erwarten angesichts weltweit anziehender CO2-Grenzwerte rasantes Wachstum. Doch schon in den 2040er-Jahren sollen fast nur noch Stromer auf den Markt kommen. Davon unbeeindruckt steigen große Zulieferer neu in den Turbomarkt ein. Auch Hersteller von Superchargern erwarten stramme Zuwächse.
Wenn die EU die aktuell diskutierten CO2-Grenzwerte wahr macht, wird ein „3-l-Auto“ 2025 nur noch schnödes Mittelmaß sein. Bei Dieselneuwagen muss sogar ein durchschnittlicher Verbrauch von 2,6 l/100 km her, um die angepeilten 70 g CO2/km zu erreichen.
Finanzvorstände der Pkw-Hersteller dürften beim 70-g-CO2-Ziel vor allem an Kostenexplosion denken. Denn um es von der heutigen Basis (147 g CO2/km) aus zu erreichen, müssen alle bekannten Technikansätze ausschöpft werden: Hybridisierung, Start-Stopp-Systeme, Thermomanagement, Energierückgewinnung und vor allem „Downsizing“.
Der Trend zum Downsizing, also kleiner Hubraum und hohe Leistung, spiegelt sich bereits in den Prognosen: Der Markt für Motoren mit sechs und mehr Zylindern wird auf heutigem Niveau verharren. Dagegen wird sich der Absatz von 2- und 3-Zylindern bis 2016 auf fast 12 Mio. Einheiten verdoppeln und bei 4-Zylindern rechnen Marktbeobachter mit einem Anstieg von 58 Mio. auf mehr als 70 Mio. Aggregate.
Herstellern von Turboladern und Superchargern kann diese Entwicklung nur recht sein. Denn um den 3- und 4-Zylindern vergleichbare Drehmomente und Leistungen zu entlocken, wie 6- oder 8-Zylindern, muss mehr Frischluft in die Brennräume gepresst werden. Nachdem Turbolader bei Dieselmotoren praktisch Standard sind, setzt sich die Technik auch bei Benzinern durch.
„Jeder Autohersteller weltweit wird in Zukunft aufgeladene Ottomotoren anbieten“, sagte Günter Krämer, Marketingdirektor von BorgWarner Turbo Systems, den VDI nachrichten. Der Zulieferer mit Hauptsitz und Entwicklungszentrum im pfälzischen Kirchheimbolanden hat in den letzten Jahren rasant zugelegt und zum ebenfalls wachsenden Marktführer Honeywell aufgeschlossen.
Steigende Pkw-Absätze und sinkende CO2-Grenzwerte machen den Turbolader attraktiv
Der Markt wird angesichts weltweit anziehender Pkw-Verkäufe und CO2-Grenzwerte weiter stark wachsen. Das zieht weitere Mitspieler an. Bei Bosch und Mahle startet in ihrem Joint Venture dieses Jahr die Serienfertigung, die in der neuen Gemeinschaftsfirma von Daimler und dem japanischen Turbohersteller IHI bereits angelaufen ist.
Auch Continental fährt momentan die Fertigung von Turboladern im tschechischen Werk Trutnov hoch. Bis 2015 dürfte die Produktionskapazität von Bosch Mahle Turbo Systems (BMTS) und Continental auf 3 Mio. Turbolader jährlich steigen.
Damit würden die Einsteiger kaum ein Drittel des Wachstums auf sich vereinen, das BorgWarner bis 2016 prognostiziert. „Bei Turboladern im Ottomotoren-Bereich erwarten wir einen Zuwachs um 130 % auf 12 Mio. Lader jährlich“, berichtete Krämer. Bei Dieseln, wo der Markt bereits auf hohem Niveau ist, seien 25 % Wachstum realistisch, was für 2016 auf ein Marktvolumen von 18,5 Mio. Einheiten hinauslaufe. In beiden Bereichen entfallen zwei Drittel des Marktes auf Europa. Doch auch in Asien und Amerika steigt die Nachfrage.
Weil die Schwellenländer die EU-Abgasgesetzgebung um einige Jahre versetzt übernehmen, entwickelten sich die Märkte vergleichbar , so Krämer. Aus dem 1,4 Mio. Turboladern, die 2011 in China verbaut würden, könnten schnell 3 Mio., 6 Mio. oder 12 Mio. Stück werden.
Im Windschatten der Turbolader rechnen auch Hersteller von Superchargern mit strammen Zuwächsen. Während die Turbos ihre Energie aus dem Abgas beziehen – eine Abgasturbine treibt über eine Welle den Lader an, der die angesaugte Außenluft verdichtet – sind die Supercharger mechanisch an die Kurbelwelle gekoppelt. Marktführer Eaton erwartet laut Klaus Dehnert, der als Vertriebs- und Marketingdirektor das Fahrzeuggeschäft in Europa, im Mittleren Osten und Afrika verantwortet, eine Verdopplung der Nachfrage bis 2015. Aktuell liefere man per anno ca. 500 000 Supercharger an die Autohersteller.
Mechanische Lader erleben vor allem im Volkswagen-Konzern eine Renaissance. Audi hat einen V6-Motor mit Supercharger ausgerüstet, der weltweit stark gefragt ist. Und auch im vielfach prämierten Twincharger-Aggregat 1.4 TSI von VW sorgt bei niedrigen Drehzahlen ein Supercharger für die Beatmung der Zylinder, ehe ab 3500 min-1 ein Turbo übernimmt. Treiber ist der Trend zu kleineren Motoren mit geringer Zylinderzahl, die bei stark gemindertem Verbrauch teils mehr Leistung und Elastizität bieten als Motoren mit mehr Hubraum und Zylindern.
Der Supercharger ist dem klassischen Turbolader im niedrigen bis mittleren Drehzahlbereich überlegen
„Gerade die steigenden Elastizitätsanforderungen bei aggressivem Downsizing, wenn 3- oder 4-Zylindermotoren Kombis, Vans und teils auch Limousinen antreiben, machen die Überlegenheit der Supercharger im niedrigen bis mittleren Drehzahlbereich deutlich“, so Dehnert. Turbolader hätten Schwächen, wenn aus dem Abbremsen heraus Beschleunigung gefordert sei. Die mechanische Kopplung an die Kurbelwelle sorge für spontaneres Ansprechverhalten.
Aber ist es angebracht, Kraft der Kurbelwelle abzuzapfen, wenn ein Turbolader ansonsten nutzlose Abgasenergie nutzen kann? Dehnert sieht hier weniger eine Konkurrenz als unterschiedlich verteilte Stärken beider Ladekonzepte. Ein Supercharger sorge für spontaneres Drehmoment in niedrigen Drehzahlbereichen und wenn wenig oder kaltes Abgas vorhanden sei, während der Turbolader bei Volllast Stärken habe.
Der energetische Vergleich beider Aufladeansätze falle zudem weniger klar aus als oft vermutet. Weil die Leistung, die an der Kurbelwelle abgenommen wird, den Kolben die Ansaugarbeit abnehme, sei der Energiebedarf praktisch auf die Leerlaufleistung des Laders begrenzt. Diese bewege sich unterhalb 0,3 kW. Beim Turbolader müsse der Motor dagegen steigenden Abgasdruck überwinden. „Auch das ist Arbeit, die gern mal vergessen wird“, argumentierte Dehnert.
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