Automobilbauer Opel startet Aufholjagd bei Antrieben
Seit zwölf Jahren hatte Opel keine neue Motorenbaureihe mehr vorgestellt. Nun startet die GM-Tochter eine Offensive, in deren Rahmen fast alle Otto- und Dieselmotoren von Grund auf erneuert werden.
Ungewöhnlich ehrlich fiel das Statement aus, mit dem Opel-Motorenentwickler Christian Müller kürzlich eine Fachjournalistengruppe auf dem Prüfgelände im südhessischen Dudenhofen begrüßte: „Sie haben uns schon lange zum Handeln aufgefordert.“ Man sei sich bewusst, dass Motoren und Getriebe der zu General Motors gehörenden Marke nicht mehr in allen Punkten dem Stand der Technik entsprächen. Nun sollen bis 2016 auf Basis von drei neuen Motorbaureihen 13 neue Aggregate auf den Markt kommen.
In die Erneuerung der Motorenfabrik im ungarischen Szentgotthárd wurden bereits mehr als 600 Mio. € investiert. Außerdem überarbeitet Opel alle Handschaltgetriebe und verspricht für die Zukunft neue Automatikgetriebe und ein Doppelkupplungsgetriebe. Insgesamt soll die CO2-Flottenemission durch die neuen Antriebe bis 2020 um 27 % sinken.
Ziel: 15 % weniger Kraftstoffverbrauch
Sparsamkeit ist denn auch erstes Entwicklungsziel bei der neuen Ottomotorenbaureihe MGE, sie soll durchschnittlich 15 % weniger Kraftstoff verbrauchen. Dazu setzt Opel erstmals jene Technologien ein, die andernorts längst zum Standard gehören: Direkteinspritzung, Abgasturboaufladung, Rollenschlepphebel, motornaher Katalysator. Den Anfang machen dieses Jahr zwei Versionen des 1,6-l-Motors mit Nennleistungen von 125 kW und 147 kW, es folgt eine 1,8-l-Variante. Eine Besonderheit stellt die optionale Ausstattung des Motors mit zwei Ausgleichswellen dar, die seitlich in das Kurbelgehäuse integriert sind. Fehlen sie, wie beim neuen Cabrio Cascada, sind die Aufnahmen trotzdem sichtbar, da man nicht zwei Gussvarianten vorhalten will.
Besonders dringend war die Entwicklung der neuen Dieselmotorengeneration MDE, da die derzeit verwendeten Aggregate noch aus einem 2005 aufgelösten Gemeinschaftsunternehmen mit Fiat stammen. Mit 80 Mann habe man damals angefangen, berichtete Applikationsingenieur Michael Vogelsang. Heute arbeiten am Standort Turin wieder 500 Entwickler am Selbstzünder. Die erste Frucht ihrer Arbeit, ein 1,6-l-Dieselmotor, ersetzt in den kommenden Jahren den bisherigen 1,7-l-Motor.
Erstmals setzt Opel dabei auf ein Vollaluminium-Kurbelgehäuse und erreicht so ein Leistungsgewicht von etwa 1,4 kg/kW. Für das maximale Drehmoment von 320 Nm bei 2000 min-1 sorgt eine zweistufige Aufladung. Eine Besonderheit ist die Zylinderdruckerfassung über einen Sensor in der Glühkerze, sie erlaubt eine besonders exakte Gemischbildung. So kann die Einspritzmenge auf bis zu zehn Einzeleinspritzungen verteilt werden.
Das Werk in Szentgotthárd, bislang nur für Benziner zuständig, wird künftig zum Dreh- und Angelpunkt für die Produktion der Vierzylindermotoren. Diesel- wie Ottomotoren mit unterschiedlichen Hubräumen können mit einem flexiblen Fabrikkonzept auf einer Linie montiert werden. „So können wir die vorhandene Kapazität von 600 000 Motoren bestmöglich ausnutzen“, erläuterte Müller.
Weniger Reibung durch neue Getriebe
Effizienter will man auch mit neuen Getrieben werden. So verwendet Opel in den überarbeiteten Schaltgetrieben zur Lagerung der Hauptwelle Zylinderrollen- statt Kegelrollenlager und reduziert allein dadurch die Reibung in den unteren Gängen um die Hälfte. Für mehr Schaltkomfort sorgt ein durchgängig synchronisierter Rückwärtsgang. Wer nicht selbst schalten will, soll bei Opel künftig auch ein neues Achtgang-Automatikgetriebe oder ein Doppelkupplungsgetriebe ordern können. Beide Aggregate werden derzeit noch – in eigener Regie und nicht von Zulieferern – entwickelt, der Serieneinsatz soll „in weniger als fünf Jahren“ erfolgen.
Mit der Motoren- und Getriebeoffensive dürfte Opel nicht nur an globaler Wettbewerbsfähigkeit gewonnen haben. Auch im Wettstreit mit dem Kooperationspartner PSA punktet Rüsselsheim, zumindest bei den Vierzylindermotoren und den Getrieben.
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