Automobilindustrie entwickelt Telematiksysteme für Elektroautos
Solange Ladesäulen rar sind, sollten sie einfach zu finden sein. Elektrofahrzeugspezifische Telematiksysteme stecken jedoch noch in den Kinderschuhen.
Gleich, verspricht Herbert Halamek, Projektleiter beim Autozulieferer Continental, gleich könne ich auf dem Handy die nächste Ladestation sehen. Der Elektrotechniker, der einst bei Siemens selbst Mobiltelefone entwickelte, starrt geduldig auf das kleine Display. Die Verbindung ist schlecht, es dauert, bis sich die Karte aufbaut. Aber dann sind mehrere Elektrotankstellen zu erkennen, die nächste weniger als 1 km entfernt.
Die von T-Systems in Zusammenarbeit mit Continental entwickelte HTML5-Applikation ist ein Prototyp, der derzeit nur in 20 Fahrzeugen innerhalb des Vorarlberger Großversuchs „Vlotte“ (siehe Kasten) zur Verfügung steht. Sie kann weit mehr als den Weg zur nächsten Ladesäule weisen. So vermag der Nutzer jederzeit den Überblick über den Ladezustand seines Fahrzeugs und die daraus resultierende Reichweite im Auge behalten. In begrenztem Umfang kann der Fahrer mit der App auch Lademanagement betreiben – also z. B. vorgeben, dass das Auto zu Hause grundsätzlich nur nachts geladen wird, sofern wie in Österreich ein günstiger Nachtstromtarif angeboten wird.
Markt bietet derzeit keine elektroautospezifische Telematiksysteme
Für die überwiegend aus den Einfach-Elektroautos von Think bestehende Flotte der Vorarlberger mag die Conti-App ein großer Fortschritt sein. Dennoch offenbart sie ein großes Defizit: Telematiksysteme mit elektroautospezifischen Funktionen gibt es derzeit am Markt nicht. Auf Messen finden sich zwar immer wieder Demonstratoren, die eine zuverlässige Routenplanung in Abhängigkeit von der elektrischen Reichweite und den Lademöglichkeiten bieten – nur sind die in keinem Auto zu haben.
Fest eingebaute Navigationssysteme zeigen allenfalls die Standorte von Elektrotankstellen an und berechnen die Route dorthin. Überlandfahrten werden so allerdings zum Risiko, da keine Echtzeit-Informationen darüber vorliegen, ob eine Ladesäule defekt oder einfach nur belegt ist. Unklar bleibt zudem, ob man an einer Ladesäule eines Anbieters, mit dem man keinen Vertrag hat, überhaupt bezahlen kann.
Dass es die Geräte und Funktionen im Auto nicht gibt, liegt daran, dass die Statusdaten aller Ladesäulen nirgends komplett verfügbar sind. Zwar sieht der einzelne Betreiber Störungen sofort, aber es gibt keine Plattform, auf der die Daten ausgetauscht werden können.
Telematiksysteme sollen 80 000 Ladesäulen per Daten-Roaming vernetzen
Hier setzt das europäische Forschungsprojekt „Green E-Motion“ an, das zehn Modellregionen in acht Ländern – von Bornholm bis Malaga – miteinander vernetzt. Geführt wird das Megaprojekt, in dem bis Ende 2015 rund 80 000 Ladesäulen vernetzt werden sollen, von Siemens-Forscherin Heike Barlag. Ihr Ziel ist es, einen Marktplatz mit standardisierten Schnittstellen zu schaffen, mit dem ein europaweites Daten-Roaming möglich werden soll.
Der Weg dorthin ist weit. Mit den heutigen einfachen Suchfunktionen weiß man nicht, ob die Ladesäule überhaupt zum eigenen Fahrzeug passt. Beispielsweise kann ein Elektro-Smart nicht an einer Schnellladestation aufgetankt werden, die mit dem japanischem Chademo-Standard arbeitet.
Einen Ausweg soll das Gemeinschaftsunternehmen Hubject finden, das Daimler gemeinsam BMW, Bosch, Siemens und den Energieversorgern EnBW und RWE gegründet hat. Die Allianz will eine offene Plattform schaffen, über die Ladeplätze sogar im Voraus reserviert werden können.
Telematiksysteme nur mit standardisierten Datenübertragungswegen möglich
Wesentliche Entwicklungsarbeit ist vor allem in der Standardisierung der Datenübertragung notwendig. Allein bei der Kommunikation zwischen Fahrzeug und Ladesäule zeichnet sich bereits ein europäischer Standard ab, basierend auf Powerline, dem Transfer über das Stromnetz. Die Protokolle für die Kommunikation zwischen Ladesäule und den Servern des Betreibers unterscheiden sich jedoch derzeit stark voneinander.
„Bislang ist jede Ladesäulen-Infrastruktur ein geschlossenes System, da muss etwas passieren“, fordert Daimler-Forscher Tim Schluesener. „Elektromobilität profitiert von Standards, da Einzellösungen das Ganze nur kompliziert und teuer machen.“
Solange die Standards und die großen IT-Systeme nicht bestehen, ist Pragmatismus gefragt. Das „AutoLinQ“-System von Continental basiert neben der App technisch vor allem auf einer kleinen schwarzen Box, bestehend aus einem Mobilfunkmodul, einer GPS-Empfangseinheit und einer Schnittstelle zum Fahrzeug-CAN-Bus. „Hunderttausendfach bewährt“, verrät Halamek. Bislang kamen die Boxen vor allem in Südamerika zum Einsatz, um gestohlene Fahrzeuge zu orten. Für eine Serienentwicklung bräuchte Continental daher nur zwölf Monate.
Ein Beitrag von: