Autonome Fahrzeuge sind bereits im Straßenverkehr unterwegs
Eine Weile war es still geworden um autonome Straßenfahrzeuge. Aktuelle Berichte aus Kalifornien und Braunschweig zeigen nun, dass diese bereits im Straßenverkehr getestet werden. Google erprobt z. B. schon seit über einem Jahr das Fahren ohne Fahrer.
Für viele war es überraschend, dass Google seit über einem Jahr autonome Fahrzeuge im kalifornischen Straßenverkehr erprobt. Letzteres hatte die New York Times am 9. Oktober 2010 berichtet. Für Insider war der Weg aber abzusehen. Denn bereits im November 2007 waren die bunten Google-Buchstaben auf einem VW Passat zu sehen, der beim Wettbewerb „Darpa Urban Challenge“ für autonome Fahrzeuge an den Start ging. Der Suchmaschinenbetreiber war damals ein eher unauffälliger Unterstützer des Teams „Junior“ von der Stanford University. Ebenso diskret wurde die Zusammenarbeit danach fortgesetzt.
Wenige Tage vor der Google-Meldung hatte die TU Braunschweig medienwirksam ihr autonomes Fahrzeug „Leonie“ auf den Braunschweiger Stadtring geschickt und stolz erklärt, dies sei die „weltweit erste“ Fahrt eines solchen Autos. Da hatten die sechs Toyota Prius und ein Audi TT von Google schon mehr als 200 000 km hinter sich. Mit ihrer ungewöhnlichen Sensorausstattung hatten sie zwar immer wieder Blicke auf sich gezogen. Aber wie bei Leonie saß hinter dem Steuer der Roboterfahrzeuge immer ein Sicherheitsfahrer. Dass er das Lenkrad nur in Ausnahmefällen anfasste, entging den Beobachtern. Den schillernden Zylinder auf dem Dach hielten sie daher wohl meistens für eine Spezialkamera, die Bilder für Googles Internetdienst „Street View“ sammelt.
Doch was da bis zu 15-mal in der Sekunde rotiert, ist keine Kamera, sondern ein Laserscanner (Lidar). Mit 64 Beams erzeugt er jede Sekunde über eine Million Datenpunkte, die Informationen über die Distanz und die Intensität der Reflektion enthalten. Nach Angaben des Herstellers Velodyne lassen sich damit 15 cm große Objekte in 50 m Entfernung schnell genug erkennen, um bei 65 km/h noch ausweichen zu können. Bei der Urban Challenge war der Sensor so etwas wie der heimliche Star des Turniers. Von den sechs Fahrzeugen, die die Ziellinie überquerten, hatten fünf einen Velodyne-Laser HDL-64E auf dem Dach. Er half jetzt auch Leonie, in der Spur zu bleiben und den richtigen Abstand zu halten.
Ampeln sind in Braunschweig allerdings noch ein Problem. Der Fahrer muss dem Fahrzeug die Farben durch Drücken entsprechender Tasten mitteilen, die automatische Erkennung überfordert die Bildverarbeitung noch. Auf den 1000 Meilen dagegen, die die Google-Fahrzeuge bisher ohne jeden menschlichen Eingriff gefahren sind, seien auch Ampeln erkannt worden, sagt Projektleiter Sebastian Thrun. Der Fahrer musste mindestens 100 Meilen untätig gewesen sein, um einen Abschnitt als „autonom gefahren“ zu zählen.
Im offiziellen Google-Blog gibt der Direktor des Artificial Intelligence Laboratory an der Stanford University Einblicke in das Konzept. „Unsere automatischen Wagen verwenden Videokameras, Radarsensoren und einen Laser Range Finder, um den übrigen Verkehr zu ‚sehen‘“, berichtet Thrun. „Für die Navigation stützen sie sich außerdem auf detaillierte Karten.“ Jede Testfahrt beginne damit, zunächst ein konventionelles Fahrzeug mit Fahrer loszuschicken, um die Strecke und ihren Zustand kartografisch zu erfassen. „Mit der Straßenführung und wichtigen Verkehrszeichen ist die Software dadurch schon im Voraus vertraut.“
Wer beim Anblick der Testfahrzeuge auf „Street View“ tippte, an dessen Entwicklung Thrun ebenfalls maßgeblich beteiligt ist, lag also doch nicht ganz daneben. Die von Google erstellten Geodaten sind eine wichtige Stütze für die Orientierung der Roboterautos. Damit unterscheiden sie sich von anderen Projekten, die möglichst ohne externe Informationen auskommen wollen.
So steht etwa bei MuCAR-3, dem autonom fahrenden VW Touareg der Universität der Bundeswehr München, die Orientierung in unbekannter, unstrukturierter Umgebung im Mittelpunkt. Hauptsensor ist eine multifokale, bewegliche Kameraplattform, das Lidar auf dem Dach dient hier als Unterstützung.
Das Google-Projekt zielt dagegen mehr auf den geregelten Verkehr, dessen Dichte durch zunehmende Automatisierung deutlich erhöht werden könnte. Thrun nennt es die „Highway Trains“ der Zukunft. Außerdem ginge es darum, die Zahl von jährlich 1,2 Mio. Verkehrstoten weltweit auf die Hälfte zu reduzieren.
Diese Zielsetzung ist auf Skepsis gestoßen. „Spiegel Online“ spekulierte über mögliche Geschäftspläne. Thrun motivierte seine Forschung allerdings schon vor fünf Jahren mit diesen Zahlen. Ziel der US-Militärforschungsbehörde Darpa (Defense Advanced Research Projects Agency), dem Organisator der Urban Challenge, war es dagegen lediglich, bis zum Jahr 2015 den Anteil unbemannter Fahrzeuge im Militäreinsatz von einem Drittel des Fuhrparks zu erreichen. Thrun dagegen betonte: „Wichtig wäre es, dass wir wirklich aufwachen und wahrnehmen, wie viele Menschenleben wir jedes Jahr im Straßenverkehr verlieren, im zivilen noch wesentlich mehr als im militärischen.“ H.-A. MARSISKE
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