So fahren wir künftig 28.10.2023, 12:30 Uhr

Autonomes Fahren: So ist der aktuelle Stand in Deutschland

Nach und nach übernimmt künstliche Intelligenz (KI) immer mehr Kontrolle im Straßenverkehr. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für autonomes Fahren sind inzwischen zumindest teilweise geschaffen. Bis der gesamte Straßenverkehr tatsächlich aus rein autonomen Fahrzeugen besteht, wird es aber voraussichtlich noch eine Weile dauern.

autonomes Fahren

Ein komplett autonomes Fahren ist derzeit in Deutschland noch nicht erlaubt, aber es wird kommen.

Foto: Panthermedia.net/AndreyPopov

Moderne Autos sind in Teilen meistens schon automatisiert. Zum Beispiel übernimmt ein Tempomat die Geschwindigkeitsregelung und hält auch den Abstand zum vorausfahrenden Auto ein. Andere Fahrzeuge ermöglichen es der Fahrerin oder dem Fahrer, für gewisse Zeit die Hand vom Lenkrad zu nehmen. Zahlreiche Hersteller beschäftigen sich seit etlichen Jahren mit der Technik für autonomes Fahren. Geht es nach der Bundesregierung und dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV), soll Deutschland eine Führungsrolle beim autonomen Fahren einnehmen.

Bei Betrachtung der aktuellen Lage sind Hersteller in anderen Ländern jedoch schon weiter. Woran das liegt, lässt sich nur vermuten: Der rechtliche Rahmen war in Deutschland lange Zeit unklar. Deshalb haben sich die Hersteller entsprechend zurückgehalten. Zudem sind deutsche Ingenieurinnen und Ingenieure für ihre Gründlichkeit bekannt. Es finden also erst dann Teile Eingang in die Serienproduktion, wenn sie entsprechend umfangreich getestet worden sind.

Die fünf Stufen des automatisierten Fahrens

Die Society of Automotive Engineers (SAE) hat insgesamt fünf Stufen des automatisierten Fahrens festgelegt. In Deutschland ist derzeit Level 3 möglich:

Level 1: Assistiertes Fahren

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Die meisten modernen Autos bieten das assistierte Fahren. Dazu gehört zum Beispiel der Tempomat, der eine gewählte Geschwindigkeit beibehält, ebenso ein automatisierter Abstandsregler, der die Entfernung zum vorausfahrenden Fahrzeug regelt. Gemäß Level 1 unterstützen die Systeme bei bestimmten Aufgaben, die Kontrolle bleibt aber bei Fahrerinnen oder Fahrern. Diese müssen den Verkehr ständig im Blick behalten und haften auch bei Verstößen oder Schäden.

Level 2: Teilautomatisiertes Fahren

Im Level 2 kann das Fahrzeug schon in Teilen eigenständig handeln, ohne dass ein Mensch eingreifen muss. Beispiel: Ein Auto ist in der Lage, auf der Autobahn in der Spur zu bleiben, zu bremsen und zu beschleunigen. Dabei ist es erlaubt, dass Fahrerin oder Fahrer die Hände kurz vom Steuer nehmen. Zahlreiche moderne Fahrzeuge bieten diesen Automatisierungsgrad bereits. Hinzu kommt das automatische Einparken, welches das Auto ebenfalls selbstständig erledigt, ohne dass Sie die Hände am Lenkrad haben müssen. Rein rechtlich sind Sie auch bei Level 2 weiterhin voll für Verkehrsverstöße und Unfälle verantwortlich und in der Haftung. Sie müssen das Fahrzeug beherrschen und den Verkehr ständig im Blick behalten.

Level 3: Hochautomatisiertes Fahren

Mit dem Level 3 des autonomen Fahrens dürfen Sie sich als Fahrerin oder Fahrer erstmals vom Verkehr abwenden, zum Beispiel um Zeitung zu lesen oder sich mit Insassen, die auf der Rückbank sitzen, beschäftigen. Sobald das Auto Ihnen jedoch einen Hinweis gibt, müssen Sie sofort die Steuerung des Fahrzeugs wieder übernehmen. Ein hochautomatisiertes Fahrzeug kann in bestimmten Fällen selbst fahren, zum Beispiel beschleunigen, bremsen, überholen. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass Level-3-Fahrzeuge wohl zuerst auf Autobahnen fahren werden, da die Verkehrssituationen und Gegebenheiten in dieser Umgebung die besten Voraussetzungen darstellen.

Level 4: Vollautomatisiertes Fahren

Ab Stufe vier ist es möglich, von der Fahrerin oder dem Fahrer zum Passagier im eigenen Auto zu werden. Denn das Fahrzeug fährt auf bestimmten Strecken komplett selbstständig. Rein rechtlich dürfte es sogar ganz ohne Insassen unterwegs sein. Sie dürfen dann während der Fahrt Ihr Smartphone nutzen, Zeitung lesen oder sogar schlafen. Fahrzeuge, die vollautomatisiert fahren, sind mit Systemen ausgestattet, die ihre Grenzen erkennen und selbst einen sicheren Zustand erreichen, zum Beispiel, indem es zum Stillstand kommt. Gibt das Fahrzeug ein Signal, können Sie die Steuerung übernehmen, müssen es aber nicht. Agiert das Auto selbstständig, haften Passagiere nicht für Verstöße oder Schäden.

Level 5: Autonomes Fahren oder Fahrerloses Fahren

Sobald Sie in ein Auto mit Level-5-Ausstattung einsteigen, gelten Sie nur noch als Passagier. Die Fahraufgaben übernimmt das Fahrzeug allein – auch komplexe Aufgaben, wie das Überqueren einer Kreuzung oder das Durchfahren eines Kreisverkehrs.

So funktioniert autonomes Fahren

Die Basis für autonomes Fahren sind neuronale Netze, Machine Learning und künstliche Intelligenz (KI) – mit Unterstützung von Kameras und Sensoren. Voraussetzung für ein solches System: Es muss zahlreiche digitale Daten in Echtzeit verarbeiten, Schlüsse aus diesen Daten ziehen und ebenfalls in Echtzeit reagieren können. Ziel ist es, dass ein autonomes Fahrzeug einerseits in dem komplexen Gebilde des Straßenverkehrs sicher agieren kann, andererseits schwierige Wetterbedingungen oder ausfallende Sensoren die Lage nicht erschweren. Auch trotz solcher Einschränkungen muss ein autonomes Fahrzeug in der Lage sein, verlässlich weiterzufahren, zumindest bis ein sicherer Notstopp möglich ist.

Sicherheit bei autonomen Fahrzeugen

Damit autonomes Fahren sicher funktioniert, setzen Hersteller und Forschung darauf, Fahrzeuge und Infrastruktur miteinander zu vernetzen. Ziel ist ein sogenanntes kooperatives Ökosystem für den Straßenverkehr. Die Car2X-Kommunikation soll neben der Effizienz und der Nachhaltigkeit vor allem die Sicherheit gewährleisten.

Der aktuelle Stand der Technik deutet darauf hin, dass Sicherheit beim autonomen Fahren mit einer Verringerung der Geschwindigkeit verbunden sein könnte, was wiederum die Akzeptanz autonomer Mobilitätslösungen negativ beeinflussen könnte. Diese Erkenntnisse stammen aus einer Untersuchung des Insurance Institute for Highway Safety, einer renommierten amerikanischen Organisation im Bereich Verkehrssicherheit, die regelmäßig Forschungsergebnisse zum Thema autonomes Fahren veröffentlicht.

Parallel dazu unterstreichen Pilotstudien deutscher Automobilhersteller die Wahrnehmung der Nutzer, wonach autonome Fahrzeuge oft als zögerlich und langsam empfunden werden. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass eine der zentralen Herausforderungen bei der Implementierung autonomer Fahrsysteme darin besteht, ein Höchstmaß an Sicherheit zu bieten, ohne dabei Geschwindigkeit und Fahrkomfort so stark einzuschränken, dass die Technologie von den Nutzern abgelehnt wird. Es gilt, einen ausgewogenen Kompromiss zu finden, um die Vorteile autonomer Mobilität voll ausschöpfen zu können und gleichzeitig die Bedenken und Bedürfnisse der Endverbraucher ernst zu nehmen und zu adressieren.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Den rechtlichen Rahmen für autonomes Fahren in Deutschland schafft das Gesetz zum autonomen Fahren. Es trat 2021 in Kraft und regelt autonomes Fahren bis einschließlich Stufe 4 im öffentlichen Straßenverkehr. Demnach ist Level 3 (wie schon zuvor) in ganz Deutschland erlaubt, während Level 4 zunächst nur in festgelegten Betriebsbereichen im öffentlichen Straßenverkehr eingesetzt werden dürfen. Neben Einsatzszenarien sind auch Sachverhalte im Gesetz festgehalten. Es dient als Übergangslösung, da eine Regelung auf internationaler Ebene erwartet wird. Ein einheitliches Regelwerk weltweit wäre hier sicherlich sinnvoll und hilfreich.

Vor- und Nachteile autonomer Fahrzeuge

  • Autonome Fahrzeuge haben zahlreiche Vorteile, unter anderem:
  • sollen sich Unfallzahlen weiter reduzieren lassen.
  • können sie effizienter und vorausschauender fahren als der Mensch und damit auch umweltschonender.
  • bieten sie die Möglichkeit, Menschen in den Straßenverkehr einzubinden, die ohne die Automatisierung kein Auto sicher steuern könnten.
  • können sie den ländlichen Raum in Form von automatisierten Bussen oder Taxis besser an die angrenzenden Städte anbinden.

Die Nachteile autonomer Fahrzeuge beziehen sich häufig:

  • auf die Angst davor, dass die digitalen Systeme angreifbar sind und Hacker sie fremd- und fernsteuern könnten.
  • die Sorge, dass durch autonome Fahrzeuge der Individualverkehr attraktiver wird und damit die Anzahl an Fahrzeugen noch weiter zunimmt.
  • auf die Wahrscheinlichkeit, dass mehr Menschen dadurch ihre Jobs verlieren, weil es in Zukunft zum Beispiel Taxifahrerinnen und Taxifahrer nicht mehr geben wird, da Autos das alleine können.

Nutzungsszenarien autonomer Fahrzeuge

Schon heute sind automatisierte Fahrzeuge Teil des Straßenverkehrs. Zum Beispiel gibt es Robotertaxis in den USA, die in einem Vorort von Phoenix per App angefordert werden können. Auch in Deutschland gibt es ein Pilotprojekt mit sogenannten automatisiert fahrenden On-Demand-Shuttles, die das Verkehrsangebot im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ergänzen sollen. Zahlreiche Testprojekte gibt es auch mit autonomen Shuttle-Bussen, die zum Beispiel verschiedene Standorte von Hochschulen oder Unternehmen miteinander verbinden können oder ebenfalls den ÖPNV ergänzen.

Denkbar wäre auch, dass Pakete künftig von einem autonomen Zustellfahrzeug geliefert werden. Projekte dieser Art befinden sich ebenfalls in der Testphase. In der Landwirtschaft ist die Automatisierung bereits angekommen. Das hängt vor allem damit zusammen, dass sich hier der Einsatz solcher Fahrzeuge sehr genau eingrenzen lässt und es auf den Feldern keine komplexen Verkehrssituationen gibt. Dafür müssen die Landmaschinen andere Aufgaben erfüllen. Unter anderem hat der Hersteller John Deere autonome Traktoren im Portfolio, ebenso autonome Drohnen und Feldspritzen.

Damit Automobilhersteller autonome Fahrzeuge bauen können, benötigen sie in der Regel Partner. Denn für die autonomen Systeme sind unter anderem Kameras, Sensoren und Algorithmen notwendig. Das ist auch der Grund, weshalb viele Hersteller bereits Kooperationen mit Chip-Herstellern, Software- und KI-Spezialisten eingegangen sind. Autonome Fahrzeuge werden deshalb mehr sein als ein Auto. Es sind fahrende Computer, die in Echtzeit ihre Umgebung über Kameras erfassen und verstehen müssen. Darüber hinaus gilt es, diese Daten zu verarbeiten, um daraus Fahrmanöver abzuleiten und diese am Ende sicher umzusetzen.

Vermutlich wird autonomes Fahren auch die Rolle des Autos verändern. Schließlich könnte autonomes Fahren dazu beitragen, deutlich stressfreier zwischen Wohn- und Arbeitsort zu pendeln. Eventuell sind die Menschen dann bereit, weitere Strecken zurückzulegen. Das Ergebnis: Wir verbringen wohl künftig mehr Zeit im Auto und stellen damit auch andere Erwartungen an das Interieur als heute. Vielleicht wird autonomes Fahren auch dazu beitragen, dass sich die Gesellschaft weiter davon entfernt, ein eigenes Auto besitzen zu wollen. Dieser Trend ist aktuell schon erkennbar und könnte dadurch beschleunigt werden.

Ein Beitrag von:

  • Nina Draese

    Nina Draese hat unter anderem für die dpa gearbeitet, die Presseabteilung von BMW, für die Autozeitung und den MAV-Verlag. Sie ist selbstständige Journalistin und gehört zum Team von Content Qualitäten. Ihre Themen: Automobil, Energie, Klima, KI, Technik, Umwelt.

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