Autopilot auf der Schiene 11.05.2016, 12:57 Uhr

Bahnchef Grube: In 10 bis 20 Jahren fahren Züge ohne Lokführer

In 10 bis 20 Jahren werden die ersten Züge der Bahn ohne Lokführer unterwegs sein. Bahnchef Rüdiger Grube glaubt, dass das autonome Fahren für mehr Pünktlichkeit und engere Zugtakte sorgen wird. Dabei ist das Fahren ohne Zugführer in U- und Hochbahnen längst Realität in Deutschland: in Frankfurt, Düsseldorf und Nürnberg.

Lokführer in einem ICE: Es gibt zwar immer mehr Assistenzsysteme, doch die Verantwortung zur Steuerung eines Zuge liegt immer noch in der Hand von Menschen. Autonom fahrende Züge kann sich Bahnchef Grube in 10 bis 20 Jahren vorstellen.

Lokführer in einem ICE: Es gibt zwar immer mehr Assistenzsysteme, doch die Verantwortung zur Steuerung eines Zuge liegt immer noch in der Hand von Menschen. Autonom fahrende Züge kann sich Bahnchef Grube in 10 bis 20 Jahren vorstellen.

Foto: Barteld Redaktion & Verlag/Deutsche Bahn

„Die Aufgaben des Lokführers und des Fahrdienstleiters werden in Zukunft immer mehr verschmelzen“, sagte Grube der WirtschaftsWoche. „Züge könnten dann in ein bis zwei Jahrzehnten aus der Betriebszentrale gesteuert werden.“ Die Digitalisierung biete auch für die Bahn enorme Chancen. „Sie führt zu besserer Qualität, höherer Pünktlichkeit, stabilem Betrieb.“

Längst ist die Bahn dabei, die Möglichkeiten der Digitalisierung und des Autonomen Fahrens auf der Schiene zu erproben. So fahren im Testbetrieb umgerüstete Güterloks und Rangierloks mit Autopilot bei der sächsischen DB-Tochter Erzgebirgsbahn. Das Schienennetz der Erzgebirgsbahn ist mit 217 km übersichtlich und kurz. Es verbindet vor allem die Städte Zwickau und Chemnitz. Zudem gibt es einige Nebenstrecken, auf denen die umgerüsteten Loks erprobt werden. Also ideal für einen Testbetrieb.

Mischverkehr überfordert Autopiloten auf der Straße und der Schiene

Denn wie auf der Straße, wo Autopiloten zuerst auf der Autobahn mit ihrem geregelten Verkehr eingesetzt werden, brauchen heutige autonome Systeme übersichtliche Verkehrssituationen. So gilt der Stadtverkehr als zu kompliziert, um dort autonom steuernde Autos sicher bewegen zu können.

Bahnstrecken ohne Mischverkehr wie die eingleisige Regionalstrecke zwischen Oberstdorf und Ulm eignen sich am ehesten, um auch auf der Schiene das autonome Fahren einzuführen.

Bahnstrecken ohne Mischverkehr wie die eingleisige Regionalstrecke zwischen Oberstdorf und Ulm eignen sich am ehesten, um auch auf der Schiene das autonome Fahren einzuführen.

Quelle: Uwe Miethe/Deutsche Bahn

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Ähnlich ist es auf der Schiene. Die Bahn hat ebenfalls das Problem, dass auf vielen Schienenstrecken Mischverkehr herrscht. Da teilen sich langsame S-Bahnen und Güterzüge die Fahrwege mit schnellen InterCitys und ICEs. Da sind autonome Systeme schnell überfordert.

Deshalb kann sich die Bahn autonom fahrende Züge am ehesten in geschützten Bereichen nur mit einer Verkehrsart vorstellen. „Ein erster Einsatz ist am ehesten dort vorstellbar, wo es auf dem Schienennetz keinen Mischbetrieb gibt, zum Beispiel bei S-Bahnen“, sagte Grube Ende vergangenen Jahres der Tageszeitung „Die Welt“.

Bahn will autonome Systeme zuerst im S-Bahn-Betrieb einsetzen

Geschützte Bereiche gibt es aber nicht nur im S-Bahn-Betrieb, der oft auf eigenen Trassen abgewickelt wird. Auch einige ICE-Strecken sind allein für die Hochgeschwindigkeitszüge reserviert. So fahren auf den Strecken zwischen Köln und Frankfurt ausschließlich ICE-Züge. Der Güterverkehr wird zwischen beiden Strecken ausschließlich über die alte Rheinstrecke abgewickelt. Der Nahverkehr fährt auf eigenen Trassen.

Die Hochbahn Skyline am Flughafen Frankfurt transportiert jeden Tag bis zu 25.000 Fahrgäste vollautomatisch und ohne Fahrer. Sie ist seit 20 Jahren in Betrieb.

Die Hochbahn Skyline am Flughafen Frankfurt transportiert jeden Tag bis zu 25.000 Fahrgäste vollautomatisch und ohne Fahrer. Sie ist seit 20 Jahren in Betrieb.

Quelle: Fraport

Doch nicht die Bahn, sondern die Flughäfen und die Nürnberger Verkehrsbetriebe sind in Deutschland die Pioniere in Sachen pilotiertes Fahren auf der Schiene. So betreiben die Flughäfen Frankfurt und Düsseldorf Hochbahnen, die auf einer eigenen Trasse vollautomatisch Fluggäste zwischen den Terminals befördern.

Flughäfen und die U-Bahn Nürnberg fahren schon lange autonom

In Nürnberg werden dagegen ganze U-Bahnstrecken fahrerlos betrieben. Die Linie 3 fährt schon seit 2008 vollautomatisch, inzwischen gibt es mit der U2 eine weitere automatische Strecke. Die Technik lieferte Siemens.

Einweihung der automatischen U-Bahn in Nürnberg im Juni 2008: Die U3 ist die erste fahrerlose U-Bahnstrecke Deutschlands. Die Automatisierungstechnik hat Siemens geliefert.

Einweihung der automatischen U-Bahn in Nürnberg im Juni 2008: Die U3 ist die erste fahrerlose U-Bahnstrecke Deutschlands. Die Automatisierungstechnik hat Siemens geliefert.

Quelle: Siemens

Im Ausland gibt es ohnehin schon deutlich mehr Strecken ohne Fahrer. Wobei die dafür nötige Technik auch aus Deutschland stammt: Siemens ist in diesem Bereich sehr aktiv und hat beispielsweise die Linie 14 der Pariser Metro mit entsprechender Technik ausgestattet. Der Vorteil: Die Strecke kann dank der perfekten Steuerung im 85-Sekundentakt fahren. Das wäre mit Fahrer nicht möglich. 

Ein Junge in einer fahrerlosen Metro genau dort, wo sonst der Fahrer sitzt: Die Pariser Metro betreibt zwei Linien mit fahrerlosen Zügen. In der Spitze ermöglicht die Technik einen 85-Sekunden-Takt, der mit gewöhnlichen Zügen nicht zu schaffen ist.

Ein Junge in einer fahrerlosen Metro genau dort, wo sonst der Fahrer sitzt: Die Pariser Metro betreibt zwei Linien mit fahrerlosen Zügen. In der Spitze ermöglicht die Technik einen 85-Sekunden-Takt, der mit gewöhnlichen Zügen nicht zu schaffen ist.

Quelle: Siemens

In der saudischen Hauptstadt Riad baut Siemens sogar ein ganzes U-Bahn-Netz, das fahrerlos betrieben wird und 2018 in Betrieb gehen soll.

In Singapur bewältigen ebenfalls mehrere U-Bahn-Strecken im fahrerlosen Betrieb den täglichen Nahverkehr.

Fahrerlose Züge sind die Menschen in Singapur gewohnt. Dort wird seit 2003 die mit 20 Kilometern längste fahrerlose Strecke der Welt betrieben. 

Fahrerlose Züge sind die Menschen in Singapur gewohnt. Dort wird seit 2003 die mit 20 Kilometern längste fahrerlose Strecke der Welt betrieben. 

Quelle: Land Transport Authority

Gleiches gilt für einzelne U-Bahn-Strecken in London, Dubai, Kopenhagen, Rom und Wien. Das längste Streckennetz mit fahrerlosem Zugbetrieb betreibt die kanadische Metropole Vancouver. Das Netz des SkyTrains umfasst 68,7 km, die Züge fahren vollautomatisch.

Autonome Züge mit höheren Takten und niedrigeren Kosten

Und was sind die Vorteile autonom fahrender Züge? Nach Angaben des Wirtschaftsinformatikers Oliver Gebauer sind dichtere Zugfolgen möglich, ohne dass die Kosten explodieren. Im Gegenteil: Wenn man lange Nahverkehrszüge teilt und sie in engeren Takten fahren lässt, steigen Untersuchungen zufolge Auslastung und damit die Kostendeckung.

Für die lokale Traunseebahn hat Gebauer gemeinsam mit der Universität Salzburg und der Fachhochschule (FH) Wels ein Softwaresystem entwickelt, das Züge steuern kann. Der Vorteil: Vorhandene Züge werden mit Sensoren, Kameras und der Software nachträglich ausgerüstet. Das System hat sich im Probebetrieb auch schon bewährt.

Die Leitzentrale der Nürnberger Verkehrsbetriebe: Die Daten der fahrerlosen U-Bahnen laufen hier zusammen und werden von einen Hochleistungsrechner analysiert.

Die Leitzentrale der Nürnberger Verkehrsbetriebe: Die Daten der fahrerlosen U-Bahnen laufen hier zusammen und werden von einen Hochleistungsrechner analysiert.

Quelle: Siemens

Und laut Gebauer funktioniert es nicht nur, sondern könnte auch die Rettung für Strecken sein, die von Stilllegung bedroht sind. Kurze Züge, höhere Takte. „Mit dem autonomen Zug könnte sich die Kostendeckung von Regionalbahnen von 20 bis 40 auf 35 bis 60 Prozent erhöhen“, erwartet Gebauer. Denn höhere Takte bedeuten oft höhere Fahrgastzahlen, bei trotzdem niedrigeren Kosten. Das würde auch Bahnchef Grube sehr gefallen.

Ein Beitrag von:

  • Axel Mörer-Funk

    Axel Mörer-Funk ist Gesellschafter der Medienagentur S-Press in Bonn. Nach einem Volontariat beim Bonner Generalanzeiger und dem Besuch der Journalistenschule Hamburg arbeitete er u.a. als freier Journalist für dpa, Bunte und Wirtschaftswoche.

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