Deutsche Bahn: Bahnstreik lässt fast alle Züge ausfallen – das sind Ihre Rechte
Die Lokführer bestreiken die Deutsche Bahn erneut. Berufspendler und Geschäftsreisende sind spätestens ab Montag vom Bahnstreik betroffen. Was Sie jetzt wissen müssen.
Update zum Bahnstreik:
Ab kommendem Samstag (21. August) streikt die Lokführergewerkschaft. Der Bahnstreik geht bis mindestens Mittwoch. Ab Montag sind neben dem Güterverkehr auch wieder Personenzüge betroffen.
Darum geht es im Bahnstreik:
Um den neuerlichen Streik bei der Deutschen Bahn gibt es eine lange Vorgeschichte. Schon 2020 gab es eine Schlichtung, im Juni erklärte die Lokführergewerkschaft GDL die Tarifverhandlungen für gescheitert. Die wichtigsten Streitpunkte:
- Gehalt: Die GDL verlangt für die Beschäftigten 1,4 Prozent mehr Geld in diesem Jahr und 1,8 Prozent mehr 2022 – in Summe 3,2 Prozent. Das entspricht dem Abschluss im Öffentlichen Dienst. Ihre ursprüngliche Forderung von 4,8 Prozent mehr Geld hat die GDL fallen gelassen. Sie verlangt aber zusätzlich eine Corona-Prämie von 600 Euro, die noch 2021 fließen soll. Die Bahn hat 3,2 Prozent mehr Entgelt angeboten, jedoch zu späteren Zeitpunkten. Sie orientiert sich dabei mit Blick auf die Laufzeit an den Regelungen, die im Öffentlichen Dienst für die Flughäfen getroffen wurden: Sie bietet 1,5 Prozent mehr Geld ab Januar und 1,7 Prozent zum März 2023 bei einer Laufzeit bis zum 30. Juni 2024.
- Geltungsbereich: Die Lokführergewerkschaft will Rahmentarifverträge für weitere Berufsgruppen abschließen. 2014/2015 war es ihr nach Streiks gelungen, auch für Zugbegleiter einen Abschluss auszuhandeln. Nun will sie auch die Fahrzeuginstandhaltung, den Netzbetrieb und die Fahrweginstandhaltung sowie die Rahmenbedingungen für die Auszubildenden tarifieren. Die Bahn lehnt das ab. Sie geht davon aus, dass die GDL in den Infrastrukturbetrieben kaum Mitglieder hat. Nach dem Tarifeinheitsgesetz käme dann ohnehin nur der Vertrag der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) zur Geltung. Das Verfahren dazu greift die GDL gerichtlich an. Zudem will sie mehr Mitglieder gewinnen, um den Mechanismus auszuhebeln.
- Rente: Sie fußt hauptsächlich auf einem Pensionsfonds, der in Aktien und Anleihen investiert. Es gibt aber auch den sogenannten Zusatzversorgungstarifvertrag. Für diese Zusatzrente legt die Bahn für Beschäftigte Geld zurück. Weil es kaum noch Zinsen gibt und die Rücklagen die Bilanz belasten, hat die Bahn den Vertrag 2020 gekündigt. Die Arbeitgeberbeiträge zum Pensionsfonds stiegen unterdessen auf 3,3 Prozent des Jahresgehalts. Die GDL will an der Zusatzrente festhalten. Die Bahn will das System in den Pensionsfonds überführen und hat in einer Schlichtung 2020 angeboten, die Beiträge auf 3,7 Prozent zu erhöhen. Die GDL lehnte die Schlichtungsempfehlung ab. Sie fürchtet, dass Beschäftigte im Alter insgesamt weniger Geld erhalten, während die Bahn für sie unterm Strich ein Plus erwartet.
Erst vor wenigen Wochen gab es den letzten Bahnstreik – hier alle Infos rund um Fahrgastrechte zum Nachlesen:
Stillstehende Züge, genervte Pendler: Der Bahnstreik der Lokführergewerkschaft GDL läuft. „Zug fällt aus“ – diese Anzeige ist Bahnreisenden zwar gut bekannt, heute morgen dürfte sie aber für noch mehr Unmut gesorgt haben. Seit dem frühen Mittwochmorgen steht ein großer Teil des Personenverkehrs der Deutschen Bahn still. Der Betrieb wurde im Nah- und Fernverkehr auf einen Notfahrplan umgestellt, wie ein Bahnsprecher mitteilte. 25 Prozent der Fahrten im Fernverkehr sollen aufrecht erhalten werden. Im Nahverkehr könne es jedoch auch kurzfristig zu Ausfällen im Notfahrplan kommen. Für Reisende oder Pendler ist das noch ärgerlicher, wenn selbst die angegebene Bahn im Notfahrplan nicht ans Ziel fährt.
Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) bestreikt die Deutsche Bahn seit dem 10. August. Zunächst wurde der Güterverkehr ab Dienstag 19 Uhr lahmgelegt. Am Mittwoch geht es im Personenverkehr ab 2:00 Uhr weiter. Der Streik soll zunächst bis Freitag (ebenfalls 2:00 Uhr) anhalten.
Die Bahn bat Fahrgäste, nicht zwingend notwendige Reisen zu verschieben. Wegen der Pandemie rief sie auch zur Rücksichtnahme in den Zügen auf. Es ist davon auszugehen, dass die wenigen fahrenden Züge sehr voll sein werden. Der Ausstand trifft die Fahrgäste mitten in der reisestarken Urlaubszeit: In 11 der 16 Bundesländer sind Schulferien. Betroffen sind auch grenzüberschreitende Verbindungen.
Bei der Urabstimmung der Gewerkschaft stimmten 95 Prozent der teilnehmenden Mitglieder für einen Bahnstreik. Die GDL hatte die Tarifgespräche bereits Anfang Juni für gescheitert erklärt. Nach eigenen Angaben wolle die Gewerkschaft eine Nullrunde im laufenden Jahr nicht akzeptieren.
GDL: „Mit uns ist nicht gut Kirschen essen“
Bahn-Personalvorstand Martin Seiler bezeichnete den Streik als „völlig unangemessen und überzogen“. GDL-Chef Weselsky sagte: „Mit diesem ersten Signal muss dem Management klar werden, dass mit uns nicht gut Kirschen essen ist.“
Worum geht es bei dem Bahnstreik? Welche Rechte haben Fahrgäste? Bekommt man sein Geld wieder? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Bahnstreik: Worum geht es?
Die GDL hat nach gescheiterten Verhandlungen mit dem Arbeitgeberverband Move konkrete Arbeitskampfmaßnahmen beschlossen, wie die Gewerkschaft mitteilt:
„Auch in der vierten Runde legte die DB weder ein verbessertes Angebot vor, noch wollte sie über unsere Forderungen verhandeln – eine gezielte Provokation. Der GDL-Hauptvorstand und die Bundestarifkommission haben daraufhin das Scheitern der Tarifverhandlungen und die Einleitung von Arbeitskampfmaßnahmen beschlossen“, heißt es bei der GDL.
Bahn: Die Strecken mit den meisten Verspätungen
Der Warnstreik bei der Bahn wäre der erste seit Dezember 2018. Damals hatte die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) ihre Mitglieder zum Arbeitskampf aufgerufen. EVG und GDL ringen miteinander um Einfluss bei der Bahn. Die EVG hatte im Herbst 2020 einen Tarifabschluss erzielt. Ab 2022 steigen die Gehälter der Beschäftigten um 1,5%. Das ist eher wenig im Vergleich zu vergangenen Tarifrunden – die Corona-Pandemie hatte die Bahn allerdings massiv belastet. Die Bahn kämpft aktuell mit Milliardenverlusten. Dafür sind laut Tarif bis Ende 2023 betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen. Die GDL will nun wiederum bei Geld und Arbeitszeit mehr für die Beschäftigten herausholen.
DB und GDL hatten sich bereits ein Stück aufeinander zu bewegt. Die GDL hatte eine Einkommenserhöhung von 1,4 Prozent und eine Corona-Prämie 2021 sowie weitere 1,8 Prozent im nächsten Jahr gefordert. Die Beschäftigten hätten mehr verdient als einen Ausgleich der Preissteigerung, so GDL-Chef Claus Weselsky.
Bahn-Rekorde: Die schnellsten Züge der Welt
Die Bahn ihrerseits hatte Einkommenssteigerungen nach dem Vorbild Öffentlicher Dienst im Bereich Flughäfen vorgeschlagen. Dort gilt ein “Notlagentarifvertrag”: Die Einkommenserhöhung von 1,4 Prozent gibt es dort erst im Oktober 2022, die weiteren 1,8 Prozent erst im April 2023. Hinzu kämen Leistungen zur Altersvorsorge und der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen.
Der Konzern warf der GDL jetzt vor, mit ihren Streik-Ankündigungen Kunden zu verunsichern und dem in der Corona-Krise hart getroffenen Unternehmen zu schaden.
Gilt der Bahnstreik bundesweit?
Der Schwerpunkt des Streiks liegt zwar im Osten Deutschlands, dennoch fallen bundesweit Züge aus. Im Regionalverkehr in NRW fielen zehn Linien der DB Regio sowie zwei S-Bahn-Verbindungen ganz aus. Betroffen sind unter anderem die Linien RE2 von Düsseldorf über das Ruhrgebiet ins Münsterland und RE9 von Aachen über Köln nach Siegen. Zehn weitere Linien verkehren nur mit Einschränkungen, darunter die von Pendlern viel genutzten S-Bahn-Linien S1 und S6 zwischen dem Ruhrgebiet und dem Rheinland und Düsseldorf.
Das große Chaos blieb am Düsseldorfer Hauptbahnhof zunächst aus. Viele Pendler waren auf die Situation gut vorbereitet. „Ich bin extra zwei Stunden früher gefahren, mit einem anderen Anbieter“, sagte eine Pendlerin. Doch nicht alle Fahrgäste nahmen es so locker: „Ich muss sechs Stunden statt drei Stunden ins Büro fahren“, sagte eine Frau. „Um nach Offenburg zu kommen, muss ich jetzt erst nach Frankreich fahren. Die deutschen Züge sind das reinste Chaos.“
Erhebliche Einschränkungen gibt es auch in Thüringen. Zu Beeinträchtigungen soll es unter anderem auf den Strecken der Regionalzüge RE 2, RE 3 und RB 52 kommen, die zwischen Erfurt sowie Kassel, Altenburg und Leinefelde verlaufen. Betroffen ist außerdem der RE 1 zwischen Göttingen und Glauchau.
Die Pendler, die täglich mit der Bahn zur Arbeit auf die Nordseeinsel Sylt und zurück fahren, sind über den Streik der Bahn verärgert. „Der Streik wird bei den Pendlern natürlich nicht sehr gut aufgenommen, zumal die Lebensader die Bahn ist“, sagte der Sprecher der Pendlerinitiative Achim Bonnichsen. „Wir haben keine andere Möglichkeit auf die Insel zu kommen. Wir sind auf die Bahn angewiesen.“ Der Ausstand an sich sei das Gute Recht der Bahner. „Aber eine Lebensader so zu unterbrechen, ist natürlich unverhältnismäßig.“ Zu den bestreikten Linien gehört auch die Usedomer Bäder Bahn (UBB). Für diese Linien können weder reduzierter Fahrplan noch ein Ersatzverkehr mit Bussen angeboten werden, heißt von Seiten der Deutschen Bahn. Nicht vom Streik betroffen sind die Verbindungen der Ostdeutsche Eisenbahn GmbH (ODEG).
In München sollen die S-Bahnen mindestens im Stundentakt fahren. Auf einigen Linien innerhalb der Landeshauptstadt auch im Abstand von 20 bis 40 Minuten, sagte ein Sprecher der S-Bahn München.
Große Einschränkungen in Berlin und Brandenburg
Insbesondere der S-Bahn-Verkehr in Berlin und der Regionalverkehr zwischen Berlin und Brandenburg sind von dem Bahnstreik betroffen. Demnach werden die S1, S2, S25, S3, S46, S5, S7, S85 und S9 aktuell im 20-Minutentakt fahren. Die S8 soll im 40-Minutentakt fahren.
Gar nicht verkehren sollen die S26, die Ringbahnen S41 und S42, die S45, S47 und die S75. Zudem verkehrt der S-Bahn-Verkehr nur zwischen einzelnen Bahnhöfen. Bahnhöfe in Spandau werden mit der S-Bahn beispielsweise aktuell gar nicht angefahren.
Auch im Regionalverkehr zwischen Berlin und Brandenburg ist mit Einschränkungen zu rechnen. Auf den Linien RE1, RE3, RE5, RE6, RE7, RE10, RE15, RE18, RB11 und RB43 wird Ersatzverkehr mit Zügen und Bussen angeboten. Auf den Linien FEX, RB10/14, RB13, RB20, RB21, RB22, RB23, RB24, RB31, RB49, RB55 und RE/RB66 wird kein Ersatzverkehr angeboten.
Bundesweit hat die Deutsche Bahn 75 Prozent ihrer Fernzüge gestrichen.
Welche Bahnen werden nicht bestreikt?
Nicht bestreikt werden Konkurrenten der Deutschen Bahn. Sie haben im Regional- und Güterverkehr beträchtliche Marktanteile. Allerdings sind auch bei ihnen Einschränkungen möglich, wenn sich auch Fahrdienstleiter dem GDL-Streik anschließen. Es ist der erste Streik bei der Bahn seit Dezember 2018, als die EVG ihre Mitglieder zum Arbeitskampf aufrief. Die GDL legte zuletzt vor sechs Jahren die Arbeit nieder.
Wie viel verdient man als Lokführer?
Das Einstiegsgehalt nach der Ausbildung rangiert bei Lokführern zwischen 1.800 und 2.700 Euro brutto monatlich. Hinzu kommen Zulagen und Sonderzahlungen, etwa für Nachtarbeit. Je nach Berufserfahrung bewegt sich das Jahresgehalt zwischen 38.000 und 45.000 Euro bei der Deutschen Bahn (inkl. aller Zulagen).
Manche Wettbewerber der Bahn zahlen allerdings weniger – zum Teil deutlich.
Bahnstreik: Übernachtung, Geld zurück – Welche Rechte haben Fahrgäste?
Ein Bahnstreik trifft sowohl Berufspendler als auch Reisende gleichermaßen. Neben all dem Ärger, dass man nicht ans Ziel kommt oder wenn, dann zu spät, sollten Fahrgäste ihre Rechte bei einem Streik nicht außer Acht lassen.
Fakt ist: Ein Bahnstreik kann, was Erstattungen betrifft, nicht mit einer ausgefallenen Bahn durch eine Oberleitungsstörung gleichgesetzt werden. In derartigen Fällen können Sie bei Verspätungen ab 20 Minuten innerhalb von 60 Minuten ein Taxi oder einen Car-Sharing-Dienst nutzen. Nach dem Sie in Vorkasse getreten sind, können Sie innerhalb von 14 Tagen einen Erstattungsantrag stellen und sich das Geld bei der Bahn zurückholen. Also: Quittung nicht vergessen! Nun die schlechte Nachricht – bei einem Bahnausfall durch Streik entfällt dieses Recht. Bei langanhaltenden Streiks richtet die Bahn aber oftmals Taxisammelstellen ein. Hier sollten Sie unbedingt auf die Durchsagen am Bahnhof achten.
Wer durch einen Bahnstreik nicht pünktlich ans Ziel kommt, kann sich je nach Verspätung aber einen Teil des Fahrpreises erstatten lassen. Das heißt, Sie bleiben oftmals nicht auf dem gesamten Ticketpreis sitzen. Hier greift die EU-Fahrgastverordnung VO (EG) Nr. 1371/2007.
Wichtig: Verspätung durch Bahnstreik von Mitarbeitenden bestätigen lassen
Es lebe die deutsche Bürokratie – ohne schriftlichen Nachweis erreicht man in solchen Fällen oftmals nichts. Daher ist es wichtig, sich die Bahnverspätung durch einen Mitarbeitenden bestätigen zu lassen. Mit diesem Schein können Fahrgäste ihre geplante Reise online reklamieren. Das Fahrgästerecht-Formular finden Sie auf bahn.de. In ICEs werden diese Zettel auch über das Zugpersonal verteilt.
Nehmen Sie alternativ Fotos von Anzeigentafeln auf, auf denen die Verspätung oder der Zugausfall abzulesen sind. Ein Screenshot aus der Bahn-App kann ebenfalls nützlich sein.
ICE statt S-Bahn: Das geht nicht nur bei einem Bahnstreik. Verschuldet die Deutsche Bahn das Erreichen des Zielbahnhofs oder ist eine Verspätung von mehr als 20 Minuten zu erwarten, dürfen Fahrgäste einen höherwertigen Zug nehmen, um von A nach B zu kommen. Bahnmitarbeiter bestätigen die Aufhebung der Zugbindung – laut Bahn ist das aber nicht notwendig.
Die Nahverkehrskarte im Fernzug gilt, wenn die ursprüngliche Route nicht länger als 50 Kilometer lang war oder nicht länger als eine Stunde dauerte.
Bekommt künftig jeder seinen eigenen Bahnwaggon?
Vor allem auch für Urlaubsreisende sind Bahnstreiks mehr als ärgerlich. Wer mit Sack und Pack strandet, hat Anspruch auf eine Unterkunft über die Deutsche Bahn, sofern eine Weiterfahrt nicht mehr zumutbar oder am selben Tag nicht mehr möglich ist.
Sie haben sich Ihr Hotelzimmer selbst ausgesucht? Dann lassen Sie sich die Übernachtung bestätigen und reichen die Rechnung bei der Bahn ein. Wichtig ist zudem ein Nachweis von der Bahn, dass an diesem Tag keine Weiterfahrt möglich war und Ihnen keine Unterkunft bereitgestellt wurde.
Das leibliche Wohl
Vor lauter Warten auf die Bahn hungrig und durstig geworden? Nach 60 Minuten Verspätung muss die Bahngesellschaft kostenfrei Mahlzeiten und Erfrischungen bereitstellen, sofern sie im Zug oder im Bahnhof verfügbar oder lieferbar sind. Müssen Sie selbst für Ihr leibliches Wohl sorgen, sollten Sie die Rechnungen aufbewahren, um das Geld später von der Bahn erstatten zu lassen.
(mit dpa)
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