BER droht Zahlungsunfähigkeit: Millionen-Kredit für Betreiber
Am 31. Oktober soll der neue Hauptstadtflughafen tatsächlich Eröffnung feiern. Nach einer endlosen Pannenserie, kämpft der Flughafenbetreiber nun mit der drohenden Zahlungsunfähigkeit. Wie es dazu kommen konnte und ob der Start von BER noch zu retten ist.
BER: Nach 14 Jahren Bauzeit kann es endlich hoch hinaus gehen – oder doch nicht?
Der Bau des Berliner Flughafens BER steht wie kein anderes Projekt für Pleiten, Pech und Pannen. Am 31. Oktober ist die Eröffnung des neuen Airports geplant – doch nun gibt es einen weiteren Rückschlag: der Flughafenbetreiber kämpft gegen die Zahlungsunfähigkeit. Vor allem der Einbruch der Passagierzahlen infolge der Corona-Pandemie sei dafür verantwortlich. Ein 300-Millionen-Euro-Kredit soll die Rettung sein. Bund und Länder stellen Finanzhilfen in Aussicht.
Die Eröffnung des Berliner Flughafen BER soll im Oktober endlich wahr werden: Nach etlichen Misserfolgen hat der Landkreis Dahme-Spreewald den Bau abgenommen. Es kann also abgehoben werden. 14 Jahre Bauzeit liegen zurück.
Millionen-Kredit für Flughafenbetreiber von BER
Die Zustimmung der EU-Kommission für den 300-Millionen-Euro-Kredit steht noch aus. Das Staatsunternehmen soll die Hilfe zunächst als Zuschuss und als Darlehen erhalten, so das Bundesfinanzministerium. Durch die Zusage der Eigentümer könne die Flughafengesellschaft auf eine verbürgte Kreditlinie zurückgreifen. Diesen Handlungsbedarf unterstrich die Parlamentarische Staatssekretärin Bettina Hagedorn. Hagedorn verwies auch auf den Einbruch der Passagierzahlen an den Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld.
Wer sind die Eigentümer des Berliner Flughafens BER?
Insgesamt gibt es drei Flughafen-Eigentümer: der Bund und die Länder Berlin und Brandenburg. Diese wollen 98,8 Millionen Euro als direkte Zuschüsse zahlen. Das werde durch die „Bundesrahmenregelung Beihilfen für Flugplätze“ ermöglicht. Die restlichen 201,2 Millionen Euro sollen als Darlehen bereitgestellt werden. Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup hatte zuvor noch gesagt, man benötige doch nur 260 Millionen Euro von den Eigentümern.
Damit am 31. Oktober auch wirklich Eröffnung gefeiert werden kann, geht der Bund auf Nummer sicher. Gemeinsam mit Berlin und Brandenburg werden 300 Millionen Euro gezahlt. Das Thema steht am 09. September auf der Tagesordnung des Haushaltsausschusses im Bundestag.
Der FDP-Abgeordnete Christoph Meyer wird deutlich: „Für die Berlin-Brandenburger Flughafengesellschaft geht es nur noch ums Überleben.“
Der TÜV Rheinland hatte bereits die letzte erforderliche Bescheinigung erteilt. Zuletzt machten vor allem die Sicherheitskabel im Terminal Probleme. Noch vor einem Jahr hatten die TÜV-Prüfer Zweifel, dass der Zeitplan eingehalten werden könne.
Der Flughafen BER kann nun die Eröffnungsfeier am 31. Oktober 2020 planen. Für den 8. November ist die Schließung des Flughafen Tegel angedacht. Die Corona-Krise machte den Verantwortlichen von BER ebenfalls Probleme. Nachdem auf der Flughafen-Baustelle ein Corona-Verdachtsfall bekannt wurde, hatte der TÜV Rheinland sein Team abgezogen. Ohne den TÜV-Stempel könnte der Hauptstadt-Airport im Oktober aber nicht eröffnen. Mittlerweile hat sich alles geklärt und einer Eröffnung steht nichts mehr im Weg.
Corona ließ den 7. Eröffnungsversuch wackeln
Lediglich die Sanierung des Hunderte Kilometer langen Kabelsalats im Terminalgebäude fehlte bei der Abnahme noch. Doch laut Insider-Berichten bestehen noch weitere Mängel auf dem Flughafengelände, die immer noch nicht beseitigt wurden. Eine weitere Verzögerung beim BER würde die Flughafengesellschaft in ernste finanzielle Schwierigkeiten bringen – von der erneuten Blamage einmal abgesehen. Schon jetzt ist der Schaden durch die Corona-Krise spürbar. Wie Flughafen-Chef Engelbert Lütke Daldrup erklärt hat, benötigt die Gesellschaft dringend Staatshilfe. Durch den zusammengebrochenen Luftverkehr sind die Einnahmen um mehr als die Hälfte gesunken.
So soll es ablaufen: Von Tegel nach Schönefeld in 3 Schritten
Sollte BER doch im Zeitplan eröffnen können, sieht der Plan wie folgt aus.
Im ersten Schritt ziehen am 31. Oktober die größte Airline Easyjet sowie einige weitere Fluggesellschaften nach Schönefeld um. Weiter geht es dann am 3. und 4. November. Der letzte Schritt betrifft die Schließung von Tegel am 8. November 2020. Zum Umzug der Lufthansa-Gruppe als zweitgrößter Anbieter in Berlin, ließ Lütke Daldrup nichts verlauten. Als Entlastung sind Flüge vom alten Terminal in Schönefeld für einige Jahre geplant, um BER so lange es geht den Rücken frei zu halten. Um den Start des Flughafens nicht weiter zu gefährden, sei ein „intensiver Probebetrieb“ zwischen April und Oktober 2020 eingeplant.
Was lange währt…
Seit Jahren verschiebt sich die Eröffnung des neuen Airports. Seit 2006 wird an dem Flughafen in Berlin gebaut; im Jahr 2011 sollte Eröffnung gefeiert werden. Nun sind es 9 Jahre später. Erinnerungen werden wach, wie vor genau 2 Jahren im Dezember 2017 das geplante Startdatum doch noch verschoben wurde. Die Baukosten steigen derweil ins Unermessliche. Aktuell liegen sie bei mehr als 6,5 Milliarden Euro. Nach der Eröffnung sei es damit noch lange nicht getan. Für die Jahre 2021 bis 2024 seien Kosten von 792 statt 508 Millionen Euro nötig. Das sind 300 Millionen Euro mehr als angedacht. Die Finalisierung des Hauptterminals benötige laut Medienberichten noch 212 Millionen Euro an Nachlaufkosten. Weiterhin bestehe Mehrbedarf von rund 60 Millionen Euro für deFlugn Masterplan 2040.
Mittlerweile zählt das BER-Projekt zu den peinlichsten in ganz Deutschland. Wer einen Blick über den Tellerrand wagen möchte, sollte nach China schauen. Dort eröffnete Pekings Giga-Flughafen Beijing Daxing Airport nach 4 Jahren Bauzeit.
Rückblick BER: Wie alles begann
Wie schön, dass die Bundeshauptstadt vor vielen, vielen Jahren beschlossen hat, dass eine Hauptstadt auch einen Hauptstadtflughafen braucht. Wir hätten viele Berichte nicht schreiben und viele Lachtränen nicht weinen können wie diese hier über den Vorschlag der CDU, den Flughafen einfach abzureißen und nochmal neu anzufangen. Es folgte die nächste Episode der unendlichen Geschichte. Der Flughafen BER wollte einen Eröffnungstermin nennen. Alle Welt dachte, dass wohl Ende 2018 der Betrieb beginnen könnte.
Flughafenchef legt sich auf keinen Termin fest
Zu früh gefreut: Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup zuckte nach einer Sitzung des Aufsichtsrates nur mit den Schultern. Immerhin konnte er sagen, dass es 2018 nicht klappen wird. 2019 vielleicht? Im Sommer, da kann er vielleicht mehr sagen. Könnte aber auch 2020 werden, denn dann wird erst das neue Flughafenterminal für die Billigflieger fertig. Erst? Ein Jahr früher als geplant! Verspricht jedenfalls Lütke Daldrup.
Neues Terminal? Ja, denn der BER ist ja schon jetzt, obwohl noch gar nicht eröffnet, viel zu klein. Deshalb hatte die Politik ja auch am Hauptterminal ständig herumgedoktert, mehr Schalter einbauen lassen und damit schließlich den Brandschutz ad absurdum geführt. Denn die plötzlich viel größeren Passagierzahlen konnte das Terminal und vor allem die Lüftung im Fall eines Brandes nicht mehr bewältigen.
Neues Billigfliegerterminal soll nur halb so teuer werden
Und so will der BER eine weitere Abfertigungshalle bauen – und bei der soll alles gut laufen. Kostensteigerungen? Auf keinen Fall. Billiger soll es sogar werden. Denn beim weiteren Ausbau wollen die Verantwortlichen stärker auf die Kosten achten, wie Lütke Daldrup versichert. Na endlich. Wurde ja auch Zeit, stärker auf das Geld der Steuerzahler zu achten, nachdem die Kosten von ursprünglich zwei Milliarden Euro bei Baubeginn 2006 auf inzwischen 6,6 Milliarden gestiegen sind.
Also, das neue zusätzliche Abfertigungsgebäude neben dem Hauptterminal soll nur 100 Millionen Euro kosten. Und das wäre nur die Hälfte der bislang kalkulierten Kosten. Das gibt es nur in Berlin: Da freut man sich über eine Kosteneinsparung, die es bislang nur auf dem Papier gibt. Und es stellt sich ja die Frage, ob das Terminal jemals für 100 Millionen Euro fertig wird.
Und warum soll das Terminal so billig werden? Weil der BER jetzt in Modulbauweise in Industriebaustandard bauen will. Wir sind auf die Baumarkthalle gespannt. Flughafenchef Lütke Daldrup verspricht immerhin, dass die Halle, die im Jahr sechs Millionen Passagiere von Billigfluglinien abfertigen können soll, „schon“ 2020 fertig sein soll. Das wäre ein Jahr früher als bislang geplant. Noch eine Erfolgsmeldung.
BER: Wir bauen nur noch einfache Gebäude
Aus dem BER-Desaster will Lütke Daldrup lernen. „Wir werden keine hochkomplexen Gebäude mehr konzipieren, die einen so hohen Standard haben, dass man sie am Ende nicht beherrschen kann“, versprach der Flughafenchef am Montag. Das lässt hoffen. Denn Lütke Daldrup wird an dem BER noch viele Jahrzehnte bauen müssen, um das Passagierwachstum bewältigen zu können. Nach 2025 soll der Ausbau aus Eigenmitteln beginnen. Den „Masterplan 2040“ berät der Aufsichtsrat im Juli. Das sind grandiose Aussichten für die Bauindustrie.
Ach, und das Beste an der Aufsichtsratssitzung in Berlin: Die Politiker konnten „keine gewaltigen Fortschritte“ auf der Baustelle feststellen. Also dürften sich die Bauarbeiter immer noch mit den Türen rumschlagen, die nicht funktionieren wollen, und den zu dünnen Wasserrohren der Sprinkleranlage.
Und hier hätten wir noch mehr zum Schmunzeln oder Ärgern: die 10 größten Baustellenflops der Welt.
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