Bergung der Costa Concordia verzögert sich weiter
Am 9. Juli soll der Prozess gegen Francesco Schettino, den Kapitän des am 13. Januar 2012 vor der italienischen Insel Giglio havarierten Kreuzfahrtschiffs Costa Concordia, beginnen. Inzwischen verzögern sich die technisch schwierigen Bergungsarbeiten immer weiter.
„Vada a bordo, cazzi“ blafft Hafenkommandanteur Gregorio de Falco von der Hafenkommandantur in Livorno den Kapitän des havarierten Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia Francesco Schettino auf seinem Handy an. „Kehren Sie an Bord zurück, verdammt noch mal“, doch der Kapitän denkt gar nicht daran, seiner Verantwortung gerecht zu werden. Er flieht als einer der ersten von Bord des sich zur Seite neigenden Schiffes.
Dafür wird ihm ab dem 9. Juli der Prozess gemacht. Mehrfache fahrlässige Tötung, mehrfache Körperverletzung, Herbeiführung eines Schiffsbruchs sowie vorzeitiges Verlassen des Schiffes – das sind die Vorwürfe gegen Schettino. Laut der Staatsanwaltschaft Grosseto könnten sich die Höchststrafen auf 2697 Jahre Haft summieren.
Die fünf anderen Angeklagten haben einen Deal abgeschlossen
Die fünf anderen Angeklagten stehen offenbar deutlich besser dar. Der erste Offizier Ciro Ambrosio, die dritte Offizierin Silvia Coronica, der Rudergänger Jacob Rusli Bin, der Hoteldirektor Manrico Giampedroni sowie der Leiter der Krisenkoordinationsstelle der Reederei Costa Crociere, Robert Ferraini, werden wohl direkt ohne Beweisaufnahme verurteilt.
Die Staatsanwaltschaft Grosseto hat Mitte Mai bei diesen fünf Angeklagten den Anträgen auf Strafzumessung ohne Verfahren nach Artikel 444 der italienischen Strafprozessordnung zugestimmt. Die Angeklagten selbst schlagen bei diesem Deal eine Strafe vor, die die Staatsanwaltschaft akzeptieren kann und über die dann allerdings noch vor Gericht entschieden werden muss. Ein Deal, der für die fünf eine Strafe von rund zweieinhalb Jahren Haft wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung bedeutet. „Diese Serie von Absprachen ist skandalös, man eröffnet eine Art Fluchtweg“, schimpft Opfer-Anwalt Massimiliano Gabrielli.
Für 32 Menschen endete die Havarie mit dem Tod
Genau den hatten die 32 Menschen nicht, die am 13. Januar 2012 vor der Insel Giglio im etwa 14 Grad kalten Wasser des Mittelmeeres ertranken. Der Voyage Data Recorder des Schiffes registrierte den Kollisionszeitpunkt mit einem der Insel vorgelagerten Felsen mit 21:45 Uhr und 7 Sekunden auf der Position 42 Grad, 21 Minuten, 41 Sekunden Nördliche Breite und 10 Grad, 55 Minuten, 50 Sekunden Östliche Länge. Ein 70 Meter langer Riss klafft zu diesem Zeitpunkt in der Backbordseite des riesigen Kreuzfahrtschiffes.
Schon die nackten Zahlen des Schiffes beeindrucken: Gut 290 Meter misst die Costa Concordia in der Länge, bietet reichlich Platz auf 35,5 Metern Breite und wiegt 114 500 Tonnen. 450 Millionen Euro an Baukosten hat das Schiff bei seinem Stapellauf am 2. September 2005 gekostet. Zugelassen ist die Costa Concordia für 3780 Passagiere bei einer Besatzung von 1100 Menschen.
Die Costa Concardia war bei seinerzeit das größte Kreuzfahrtschiff Italiens. Nun ist es die größte Schande des Landes und liegt seit weit mehr als einem Jahr mit rund 65 Grad Schlagseite wie ein gestrandeter Wal 95 Meter vor der Küste der kleinen Insel Giglio in der Region Toscana. Kapitän Schettino wird vor Gericht erklären müssen, welcher Teufel ihn ritt, den Kurs des Riesenschiffes zu ändern, um ganz dicht an der Insel vorbei zu fahren. Er habe einen ehemaligen Costa-Kapitän grüßen wollen, der ein Haus auf der Insel Giglio besitzt, hat der Kapitän schon einmal zu Protokoll gegeben. „Verneigung“ nennt sich dieses offenbar keineswegs seltene Manöver in der italienischen Seefahrt, was an diesem 13. Januar allerdings gründlich schief ging.
Viele der rund 3200 Passagiere der Costa Concordia nahmen das Abendessen zu sich, als ein heftiger Stoß das Schiff erschütterte. „Es fühlte sich an, als wenn man mit einem Fahrrad über einen Huckel fährt“, erinnert sich Passagier Peter Honvehlmann an den Zusammenprall. Kurz darauf geht das Licht aus: Stromausfall. Schon wenige Minuten nach der Kollision ist die Costa Concordia nicht mehr manövrierfähig, weil der Maschinenraum überflutet ist. Doch die Crew verkündet über die Bordlautsprecher Beruhigungspillen: „Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit“, erklingt eine Frauenstimme: „Wegen technischer Probleme haben wir gerade einen Blackout. Es besteht kein Grund zur Panik, bitte bleiben Sie ruhig. Unsere Techniker arbeiten schon daran, das Problem zu lösen.“ Der Erfolg, den die Techniker hatten, ist bekannt und bedeutete für 32 Menschen den Tod.
400 Techniker arbeiten an der schwierigen Bergung
Über 400 Techniker darunter 100 Taucher, bemühen sich seitdem darum, das gekenterte Kreuzfahrtschiff wieder aufzurichten, um es dann abschleppen zu können. Es ist der schwierigste Bergungsversuch in der Geschichte der Seefahrt und mit geschätzten Kosten von mindestens 300 Millionen Euro wohl auch die teuerste. Im April 2012 erhalten die US-amerikanische Firma Titan Salvage in Kooperation mit dem italienischen Offshore-Dienstleister Micoperi mit Sitz in Ravenna von der Reederei Costa Crociere den Auftrag, die Costa Conocordia zu bergen. Das Schiff soll in den Hafen von Piombino gebracht werden, der zu diesem Zweck extra vertieft und erweitert wird. Dort soll die einst so stolze Costa Concordia abgewrackt werden.
Bis dahin ist es jedoch noch ein langer und schwieriger Weg. Zunächst einmal gelang es im Herbst des vergangenen Jahres, den Kreuzfahrtriesen mit Stahlseilen und vier Ankerblöcken zu sichern, damit er nicht weiter absinken oder gar auseinanderbrechen kann. Denn im Innern des Schiffes befanden sich zum Zeitpunkt der Kollision etwa 2200 Tonnen Schweröl als Treibstoff und 180 Tonnen Schmierstoff. Beim Auseinanderbrechen des Schiffes drohte damit der fragilen Region eine gewaltige Umweltkatastrophe. Bis Ende März des vergangenen Jahres brauchten die Einsatzkräfte vor Ort, erst dann waren die Abpumparbeiten weitgehend abgeschlossen.
Bergung verzögert sich um Monate
Die Bergungsarbeiten hinken derzeit Monate hinter den Planungen zurück. Zunächst galt als Ziel des Bergungsteams, die Costa Cocordia noch im Jahr 2012 in den Hafen von Piombino zu schleppen. Dann wurde der Mai 2013 als realistisches Bergungsziel ausgegeben. Inzwischen rechnen die Techniker des Bergungskonsortiums damit, im September oder Oktober das Schiff erfolgreich geborgen zu haben. Schuld an den Verzögerungen sind die widrige See und der schwierige Untergrund.
Es mutet auch abenteuerlich an, was die Ingenieure und Techniker da vor der Küste von Giglio vorhaben. Sie wollen nichts anderes, als einen künstlichen Meeresgrund schaffen, auf dem die Costa Concordia ruhen wird, sobald sie wieder senkrecht im Wasser steht. Sechs Plattformen unter der Wasseroberfläche dienen dann als Fundament. Diese Plattformen sind zusammen so groß wie ein Fußballfeld. 60 Stützpfähle im Meeresboden müssen für dieses Unterwasserpodest sicher befestigt werden. Hunderte Zementsäcke schließen dann die Lücken im felsigen Untergrund, um eine ebene Fläche zu schaffen.
Steht dieser künstliche Meeresgrund, geht es darum, den Luxusliner aufzurichten. Dazu werden 33 Meter hohe Stahlkästen an den Bordwänden des Schiffes befestigt. Diese sind mit Stahlseilen mit der Unterwasser-Plattform verbunden. Steht das Schiff dann stabil, soll das Wasser aus den Stahlkästen gepumpt und die Costa Concordia so langsam angehoben werden, bis sie wieder schwimmt. Dann allerdings mit einem Tiefgang von 18 Metern, statt der früheren eleganten 8,20 Meter. Als letzten Akt im Bergungsdrama wird das Schiff mit mickrigen 2 Knoten von der Unfallstelle weggeschleppt.
Ein Drittel weniger Touristen im letzten Sommer
Die Bewohner der Insel Giglio werden drei Kreuze machen, wenn das Schiff endlich verschwunden ist. Im Sommer 2012 haben ein Drittel weniger Touristen die Insel besucht, klagt Gemeindesprecher Cristiano Pellegrini. Da würden die paar Tausend Schaulustigen, die für ein Foto vom gestrandeten Wal auf die Insel kommen, auch nicht helfen. Denn die sind auch schnell wieder weg und die Inselbewohner müssen weiter den zähen Bergungsarbeiten zusehen.
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