Bulliger Nutzfahrzeugmotor als Saubermann
Daimler Trucks produziert eine neue Motorenbaureihe für Nutzfahrzeuge. Das erste Mercedes-Benz-Aggregat, der am 17. März vorgestellte OM 471, ein 12,8-l-Reihensechszylinder (310 kW bis 375 kW), erfüllt laut Daimler als erste Maschine die 2013 obligatorische Abgasstufe Euro 6. Die Baureihe nutzt die Basiskonstruktion der neuen Plattform von Hochleistungsmotoren, die Daimler Trucks ab 2001 von Grund auf neu entwickelte. Georg Weiberg, Leiter Produktentwicklung Daimler Trucks, bezifferte die Entwicklungskosten auf 1,4 Mrd. €, davon entfielen 700 Mio. € auf den Euro-6-Motor.
„Dieser Dieselmotor wird definitiv Standards setzen“, prognostiziert Elmar Böckenhoff. Er leitet bei Daimler Trucks als Chef der Entwicklung Lkw-Antriebsstrang weltweit die Aktivitäten im Nutzfahrzeugbereich. Böckenhoff stellte am 17. März im Motorenwerk Mannheim der internationalen Presse den ersten Mercedes-Benz-Motor der neuen Baureihe für Europa vor. In den Märkten USA und Japan sind Motoren der neuen Baureihe bereits bei den Daimler-Trucks-Töchtern Freightliner und Western Star seit 2007 bzw. bei Mitsubishi Fuso seit 2010 im Einsatz und erfüllen die dort geltenden hohen Abgasnormen US EPA 10 bzw. JP 09.
Georg Weiberg, Leiter der Produktentwicklung bei Daimler Trucks, erklärte, dass die neue Baureihe mit bisher in den USA und Japan schon verkauften 70 000 Motoren und über 50 Mio. km Laufleistung den Zuverlässigkeitstest glänzend bestanden hätte. Die Entwicklung auf die lokalen Gegebenheiten, ausgehend von der Basiskonstruktion, fand in den USA beim Motorenbauer Detroit Diesel statt, der zu Daimler gehört, die für Japan im Werk Mannheim.
Die neue Generation läuft bei Mercedes-Benz Nutzfahrzeuge unter dem Namen „Blue Efficiency Power“. Deren Motoren „OM47x“ unterscheiden sich wegen anderer Abgasstandards, Einsatzprofile und Einbaulage insgesamt in mehr als 200 Teilen von denen in Nordamerika und Japan, z. B. durch Einspritzdüse, Turbolader, Schwungrad, Steuerungselektronik, Abgasanlage, Luftpresser (für Druckluftbremse) sowie der Abstimmung einschließlich der Leistungs- und Drehmomentvarianten. Der OM47x ist laut Weiberg ein Beispiel für Effizienz und Umweltverträglichkeit. Die auf die jeweiligen Märkte optimierten Motoren erfüllten die verschärften Umweltgesetze und die hohen Kundenerwartungen.
Der erste Motor der Baureihe für Europa ist der OM 471. Der 12,8-l-Reihensechszylinder (Bohrung 132 mm, Hub 156 mm Verdichtung 17 : 1) wird in vier Leistungen von 310 kW bis 375 kW angeboten – die max. Drehmomente reichen von 2100 Nm bis 2500 Nm. Der einteilige Zylinderkopf aus Gusseisen mit Vermikulargrafit (GJV 400) verfüge über ausgezeichnete Temperaturwechselfestigkeit und dehne sich bei hohen Temperaturen nur minimal aus.
Das „hochsteife“ Kurbelwellengehäuse wird aus Gusseisen mit Lamellengrafit (GJL 260) produziert, nach „geheimer Rezeptur“, sagte Hermann Doppler, Leiter der weltweiten Lkw-Motorenproduktion und verantwortlich für das Mercedes-Benz-Werk Mannheim. Die einzigartige Rezeptur hebt laut Doppler den GJL nahezu auf das hohe Festigkeitsniveau des Zylinderkopfgusseisen GJV. Die Kolben sowie die verstärkten Pleuel und Lager sind aus Stahl. Ein Grund dafür seien die von 180 bar auf max. 230 bar angehobenen Zünddrücke des Motors, um seine Effizienz zu steigern.
Die vier Ventile je Zylinder werden erstmals bei Nutzfahrzeugmotoren von zwei „gebauten“ Nockenwellen (oben liegend) bedient – bekannt ist die Bauart bei Pkw-Motoren. Der Diesel wird durch das weltweit erstmals eingesetzte „X-Pulse“-Einspritzsystem mit Druckerhöhung im Injektor mit einer 7-Lochdüse in die Zylinder gesprüht, vollelektronisch gesteuert. Das neue Einspritzsystems von Bosch ist ein verstärktes Common-Rail(CR)-System, das mit zwei Magnetventilen arbeitet. Der X-Pulse-Injektor erhöht den 900 bar-CR-Druck auf 2100 bar Einspritzdruck. Wobei Stefan Buchner, Leiter Lkw-Aggregateproduktion und weltweite Produktionsplanung von Daimler Trucks, ausführte, dass der Druck an der Düsennadel ein „Potenzial von 2500 bar hat und wir in den Druckbereich gehen werden“.
Für Böckenhoff verkörpern die neuen Motoren von Mercedes-Benz die Spitzenklasse auf dem Markt. Unter anderem erreichten sie eine hohen Dynamik durch die neue „asymmetrische Aufladetechnik mit speziellem Abgasturbolader und den hohen Umweltstandard durch die Kombination von SCR-Technik (selektiver katalytischer Reduktion von Stickoxiden), Abgasrückführung (AGR-Rate 35 %) und Dieselpartikelfilter. Das verdeutlichten auch die Wartungsfreundlichkeit und Haltbarkeit der neuen Motoren. So ist z. B. der Ölwechsel bei 150 000 km fällig und der Wert für die Motorlebensdauer konnte von 1 Mio. km auf 1,2 Mio. km heraufgesetzt werden.
Bei der Verbrauchsangabe hielt sich Böckenhoff zurück und verwies darauf, dass „in sehr absehbarer Zeit ein Fahrzeug auf den Markt kommen und in allen Richtungen Benchmark sein wird“. Der neue Euro-6-Motor mit „hervorragendem Leistungsgewicht“ werde auch im Verbrauch einen neuen Maßstab setzen, „gleich oder besser sein“ als die bisherige Euro-5-Maschine im Actros, die mit niedrigstem Verbrauch im Konkurrenzumfeld glänze.
„Mit diesem neuen Mercedes-Benz-Motor werden wir die Ersten sein, die auch ein maßgeschneidertes Euro-6-Fahrzeug im Programm haben“, erklärte Andreas Renschler, Daimler-Vorstandsmitglied und Chef von Daimler Trucks. „Jetzt ist die Politik am Zug, um für die Durchsetzung von Euro 6 zu sorgen und für die Incentivierung der Kunden, die diese Norm vor-erfüllen. Ich denke da konkret an Nachlässe bei der Lkw-Maut“, so Renschler. – Österreich ist bereits vorangefahren und reduzierte die Maut für Euro-6-Fahrzeuge ab 1. Januar dieses Jahres. W. PESTER
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