Busse werden bereits mit CO2 gekühlt
Die Fachwelt beurteilt das Kältemittel Kohlendioxid unterschiedlich. So ist unklar, ob die internationalen Autobauer womöglich auf die deutsche Linie mit CO2 einschwenken. Denn beim Einsatz des neuen Kältemittels R 1234yf für Fahrzeugklimaanlagen hatten einzelne Automobilhersteller Sicherheitsbedenken angemeldet, während andere Hersteller keine zusätzlichen Risiken feststellen konnten. In größeren Fahrzeugen laufen CO2-Anlagen bereits erfolgreich.
Das deutsche Kraftfahrt-Bundesamt will das Kältemittel R 1234yf im Juli erneut testen lassen. Das meldete diese Woche die Zeitschrift „Auto Bild“. In Japan und USA laufen derweil längst große Stückzahlen von Fahrzeugen mit R 1234yf von den Bändern. Auch auf deutschen Straßen dürften bereits rund 30 000 solcher Autos unterwegs sein. General Motors, Ford, Fiat, Hyundai, Subaru, Renault und andere Hersteller setzen unbeeindruckt von deutscher Aufgeregtheit das neue Mittel ein, während BMW, Mercedes-Benz, der Volkswagen-Konzern, der Verband der Automobilindustrie (VDA), ADAC oder das Umweltbundesamt (UBA) Kohlendioxid als unbedenkliches Kältemittel favorisieren.
Der Haken an der Sache: Serienmäßige Klimaanlagen mit CO2 gibt es derzeit noch nicht, zumindest nicht für Personenwagen. Sie könnten, da sind sich die Fachleute einig, frühestens in drei Jahren zur Verfügung stehen. Ob die EU Kommission trotz des seit 1. Januar 2013 geltenden Verbots des bisherigen Füllmittels R 134a so lange stillhält, ist unklar.
Positive Eigenschaften von Kohlendioxid
Kohlendioxid – mit der Bezeichnung R 744 – hat mindestens drei entscheidende Vorteile: Es brennt nicht, ist in normaler Konzentration ungiftig und besitzt den niedrigsten GWP-Index (Global Warming Potential) von 1. Zum Vergleich: R 134a hat einen Index von 1430, R 1234yf von 4. Wegen seiner vielen positiven Eigenschaften hatte sich der VDA schon 2007 für Kohlendioxid ausgesprochen. Der Klimaanlagenhersteller Behr hatte sogar bereits 2005 den Serienstart von CO2-Klimaanlagen für 2009 avisiert.
Das Umweltbundesamt ließ 2008 einen Volkswagen Touran 1.9 TDI bei der Firma SGS in Wien zunächst mit dessen serienmäßiger R 134a-Anlage und anschließend mit einer eigens installierten CO2-Anlage gemäß des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) testen. Gemessen wurde in drei Durchgängen bei Umgebungstemperaturen von 20 °C, 28 °C und 35 °C. Alle drei Messungen ergaben im Betrieb der CO2-Anlage deutlich niedrigere Kraftstoffmehrverbräuche als mit R 134a (-54 % bei 20 °C, -45 % bei 28 °C und -4 % bei 35 °C). Eigene Messungen des ADAC mit dem gleichen Fahrzeug brachten etwas abweichende Ergebnisse: Bei 28 °C betrug der Minderverbrauch 32 %, bei 35 °C lag er jedoch um 8 % höher.
Experten-Meinungen gehen auseinander
Dennoch gehen die Meinungen in der Fachwelt auseinander. Die Gegner von Kohlendioxid, allen voran die R 1234yf-Hersteller Honeywell und DuPont, führen als Nachteile den höheren Betriebsdruck von rund 150 bar, höheres Gewicht der Anlage, chemische Aggressivität von CO2 gegenüber Schlauchleitungen und Dichtungen, angeblichen Kraftstoffmehrverbrauch oder Sicherheitsbedenken ins Feld. So könne durch Leckagen austretendes Kohlendioxid Hyperkapnie auslösen, was je nach CO2-Konzentration im Blut zu Schläfrigkeit und Bewusstseinsstörungen, im Extremfall sogar ins Koma, führe.
Durchweg positiv sieht man Kohlendioxid dagegen bei Konvekta in Schwalmstadt, einem Spezialisten für Thermosysteme und Transportkühlung. Nach mehrjähriger Entwicklungsarbeit war dort bereits 1996 ein Bus mit CO2-Klimaanlage einsatzbereit. Seit 2008 nutzen die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) sieben Stadtbusse mit Kohlendioxid-Kühlsystem im täglichen Dauerbetrieb. Trotz einer Jahresfahrleistung von etwa 90 000 km pro Bus kam es bisher zu keinen nennenswerten Problemen, berichtet Michael Sonnekalb, Entwicklungsleiter bei Konvekta.
Besonderer Vorteil von CO2: Höhere Abkühldynamik
Als besonderen Vorteil führt er die höhere Abkühlungsdynamik von CO2 ins Feld: „Ein in der Sonne stehendes Fahrzeug wird wesentlich rascher auf erträgliche Innentemperatur heruntergekühlt als mit R 134a.“ Wartung und Befüllung seien ungleich einfacher, zeit- und kostensparender. „Man benötigt im Grunde lediglich eine handelsübliche Gasflasche mit der entsprechenden Füllarmatur. Der Trocknertausch und die Regeneration des Kältemittels entfallen völlig.“
Grundsätzlich lasse sich die CO2-Technik, in kleinerem Maßstab, auf den Pkw-Bereich übertragen, stellt Konvekta-Aufsichtsratsvorsitzender Carl H. Schmitt im Gespräch mit den VDI nachrichten fest. Nach überschlägigen Berechnungen käme zwar der Einbau um etwa 80 € teurer, aber dieser Betrag sinke in der Großserienfertigung beträchtlich.
Kostenvorteile bringe Kohlendioxid dagegen wegen der einfacheren Wartung und Neubefüllung der Klimaanlage und vor allem beim Gaspreis selbst. „Kohlendioxid ist ja ein Abfallprodukt bei der Herstellung von Sauerstoff und Stickstoff“, so Schmitt. „Der Autofahrer müsste mit einem Kilopreis von rund 10 € rechnen, während das heutige R 134a etwa 25 € bis 30 € kostet und R 1234yf mit 250 € bis 300 € etwa zehn Mal so teuer ist.“ Die durchschnittliche Füllmenge liegt je nach Fahrzeugmodell zwischen rund 500 g und 900 g.
Gefährdung von Fahrer und Insassen lässt sich nahezu ausschließen
Eine Gefährdung von Fahrer und Insassen durch austretendes Kohlendioxid lasse sich durch entsprechende Dimensionierung und Materialauswahl bei den einzelnen Komponenten der Klimaanlage nahezu ausschließen. „Sollte es dennoch zu einer Leckage kommen, ist die wegen des hohen Systemdrucks von CO2 im wahrsten Sinn des Wortes unüberhörbar“, stellt Sonnekalb fest. „Kohlendioxid besitzt sozusagen ein serienmäßiges akustisches Warnsystem.“
Große Chancen für CO2 sieht Schmitt vor allem im Einsatz in Elektrofahrzeugen und verweist auf einen Dekra-Test von 2011: Die Reichweite des getesteten E-Autos habe sich von 138 km bei 22 °C Außentemperatur auf 65 km bei -5 °C mehr als halbiert. Für das Thermomanagement von Elektrofahrzeugen habe Konvekta ein Konzept entwickelt, das CO2-Klimatechnik mit einer Wärmepumpe kombiniere. Damit ließen sich E-Autos im Winter heizen und im Sommer kühlen, ohne die Batterie leer zu saugen. Damit ließe sich die Reichweite von Elektromobilen laut Schmitt um bis zu 40 % steigern.
Die Diskussion um Vorteile und Risiken unterschiedlicher Kältemittel wird die Branche wohl noch länger beschäftigen. Denkbar erscheint sogar ein Einbau verschiedener Systeme in derselben Modellreihe, abhängig von Herkunfts- oder Auslieferungsland.
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