China warnt vor deutschen Premiumautos
Die drei deutschen Premiumhersteller BMW, Audi und Mercedes weisen den Vorwurf des chinesischen Staatsfernsehens zurück, Unterboden-Dämmplatten ihrer Autos sonderten giftige Dämpfe in den Fahrzeuginnenraum ab. Sie verweisen auf ihre hohen internationalen Qualitätsstandards.
Nicht jeder verträgt Autofahren gleich gut. Insbesondere Kinder reagieren häufig mit Übelkeit, müssen sich übergeben, leiden an Bauchschmerzen. Autos riechen auch manchmal seltsam, beinahe unangenehm. Der im chinesischen Staatsfernsehen ausgestrahlte Bericht, wonach aus den Karossen der deutschen Edelmarken Audi, BMW und Mercedes giftige Dämpfe in den Fahrzeuginnenraum dringen, scheint bisher eher solche Einzelfälle zu betreffen. So berichtete ein chinesischer Mercedes-Fahrer im chinesischen Staatsfernsehen CCTV, das Problem mit den üblen Gerüchen sei im Sommer am schlimmsten. „Da ist es unerträglich. Ich will mit meiner Familie losfahren, doch mein Kind verzichtet lieber auf den Freizeitpark, statt bei mir ins Auto zu steigen.“
Bitumen in Unterboden-Dämmplatten soll Schwindel und Müdigkeit erzeugen
Die Berichte ähneln sich: Schwindel und Müdigkeit werden gerne genannt. Das chinesische Staatsfernsehen geht nun sogar so weit, zu behaupten, die Gerüche in den Fahrzeugen der deutschen Premiummarken könnten Krebs auslösen. Dabei beruft sich der Sender auf einen Test der Universität Peking, bei dem Bitumen in den Dämmplatten von sechs Autos gefunden wurden. Audi ging sofort in die Offensive und bestätigte den Einsatz von Bitumen in der Fahrzeug-Unterbodendämmung. Und zwar weltweit. Audi meldete auch, an seinen Autos Materialtests in China und Deutschland durchgeführt zu haben. „Es wurden keine gesundheitsgefährdenden Emissionen festgestellt“, betonte Audi-Sprecher Martin Kühl. Die eingesetzten Materialien erfüllten alle die strengen globalen Standards von Audi und auch die nationalen chinesischen Standards. Audi sei aber einverstanden, mit den chinesischen Behörden zusammen zu arbeiten, um „potentielle Probleme mit unseren Fahrzeugen zu untersuchen“.
ADAC spekuliert über Kostendruck bei den Zulieferern
Experten begegnen den Berichten im chinesischen TV deshalb mit großer Skepsis. „Durchaus möglich, dass ein Zulieferer plötzlich die Kosten etwas drücken wollte und eine neue Zusammensetzung bei den Dämmmaterialien verwendet hat“, mutmaßt etwa Helmut Schmaler, der als Projektleiter beim ADAC-Technikzentrum in Landsberg beschäftigt ist. Stefan Bratzel, Professor für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch-Gladbach, hält zwar Geruchsbelästigungen für möglich, relativiert aber: „Ich kann mir kaum vorstellen, dass bei den deutschen Herstellern ein solches Problem in der großen Masse auftritt.“ Er vermutet hinter dem Bericht eher eine Machtdemonstration der chinesischen Führung: „Ein Fingerzeig an die deutschen Hersteller, bei der Produktion in China die gleiche Sorgfalt walten zu lassen wie in Europa auch. Der Bericht im Staatsfernsehen wird nicht ohne Einverständnis der Regierung gezeigt worden sein.“
Michael Dunne, Experte für den chinesischen Automarkt, sieht hinter den Vorwürfen, eine „politische Hand“, die am Image der Hersteller aus dem Ausland kratzen sollen. Der Bericht solle die „notleidenden chinesischen Hersteller“, die mit der erfolgreichen ausländischen Konkurrenz nicht mithalten könnten, unterstützen. So fallen Marktanteile und Gewinne der chinesischen Autobauer seit drei Jahren. Und die jetzt mit den Vorwürfen der Innenraum-Geruchskontamination konfrontierten deutschen Autobauer Audi, BMW und Mercedes beherrschen inzwischen rund drei Viertel des Premiummarktes in China.
Auch VW ist Opfer der Angriffe aus dem Staatsfernsehen
Chinas Staatsfernsehen greift deutsche Autohersteller nicht zum ersten Mal an. Auch am 15. März, dem Weltverbrauchertag, der dieses Jahr unter dem Motto „Verbraucherrechte jetzt!“ begangen wurde, berichtete CCTV über die bereits seit einem Jahr bekannten Getriebeprobleme bei Volkswagen. Der Konzern reagierte im vorauseilenden Gehorsam mit einer freiwilligen Rückrufaktion von 384.000 Autos, um die chinesischen Kritiker zum Schweigen zu bringen. Laut Dunne hat diese Aktion VW 600 Millionen Dollar gekostet – zusätzlich zum Imageschaden.
Beobachter wundern sich angesichts der Bilder aus Peking, die in den letzten Wochen in den deutschen Hauptnachrichtensendungen gesendet wurden, über die Berichte von Geruchsbelästigungen im Innern von Fahrzeugen gleich welcher Marke. Teilweise war der Smog dort derart stark, dass es nicht mehr möglich war, ohne Mundschutz die Wohnung zu verlassen. Augenscheinlich hat China viel schwerwiegendere Probleme, als ein paar lästige Gerüche im Auto. Und davon kann ein Bericht im Staatsfernsehen allenfalls nur sehr kurz ablenken.
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