Chinesische Investoren bauen den Nicaraguakanal
Noch in diesem Jahr soll Baubeginn sein für den Nicaraguakanal. Diese 286 Kilometer lange und bis zu 52 Meter breite Wasserstraße soll den Atlantik mit dem Pazifik verbinden und vor allem dem Panamakanal Konkurrenz machen. Ökologen befürchten dramatische Konsequenzen für das Ökosystem Nicaraguas und für den Nicaraguasee, dem größten Süßwasserreservoir Zentralamerikas.
Neu sind die Pläne nicht, quer durch Nicaragua eine Wasserstraße zu bauen, die den atlantischen mit dem Pazifischen Ozean verbindet: 1551 äußerte sich der spanische Chronist Francisco López de Gomara hierzu: „Man fasse nur den festen Entschluss, die Durchfahrt auszuführen, und sie kann ausgeführt werden. Sobald es am Willen nicht fehlt, wird es auch nicht an Mitteln fehlen.“
Investition von 40 Milliarden US-Dollar
Jahrhundertelang fehlte es am Willen. Jetzt allerdings wird es ernst: Das chinesische Unternehmen Hong Kong Nicaragua Canal Development Investment Company (HKND) will jetzt 40 Milliarden US-Dollar in das Projekt investieren, umgerechnet 29 Milliarden Euro. Danach will HKND den Kanal 100 Jahre lang in Eigenregie betreiben.
Hinter dem Unternehmen steht der 1972 in Peking geborene Unternehmer Wang Jing. Der Staat Nicaragua wird mit 51 Prozent Mehrheitseigentümer, während HKND 49 Prozent der Anteile übernimmt. Schon im Dezember 2014 soll es losgehen. Die Regierung rechnet mit einer Bauzeit von fünf Jahren.
Umweltschützer laufen Sturm gegen diesen Kanal. Doch das oberste Gericht hat bereits Dutzende Klagen und Beschwerden von Bürgern und Nichtregierungsorganisationen abgelehnt. Somit steht einem Baubeginn noch in diesem Jahr offiziell nichts mehr im Wege. Die Regierung in Nicaragua verspricht sich von dem Megaprojekt tausende Arbeitsplätze für die arme Bevölkerung und dazu einen ordentlichen Wachstumsschub. So soll sich das Bruttoinlandsprodukt des zentralamerikanischen Landes dank des Kanals verdoppeln.
286 Kilometer lange Schneise quer durchs Land
Zum Projekt gehören auch eine Eisenbahnlinie, eine Ölpipeline, Häfen, ein internationaler Flughafen und Freihandelszonen an beiden Enden des Kanals. Außerdem ist in der Konzession festgelegt, dass die Betreiber die natürlichen Ressourcen entlang der Wasserstraße nutzen dürfen.
Der Nicaraguakanal will in Konkurrenz treten zum Panamakanal, der gerade ausgebaut wird. Aktuell werden dort sechs Milliarden US-Dollar investiert, das sind 4,36 Milliarden Euro. In Zukunft können dort Schiffe durchfahren, die 366 Meter lang und 49 Meter breit sind. Der Nicaraguakanal soll genauso leistungsfähig werden, er wird für Schiffe der sogenannten Post-Panamax-Klasse gebaut. Das sind Schiffe, die bis zu 400.000 Tonnen transportieren können. Dafür wird für den Nicaraguakanal eine Schneise auf eine Länge von 286 Kilometern mit einer Breite von bis zu 52 Metern quer durchs Land geschlagen.
Quer durch das größte Süßwasserreservoir Zentralamerikas
Der 82 Kilometer lange Panamakanal verbindet den Pazifik mit dem Atlantischen Ozean und erspart der Schifffahrt die Fahrt um das Kap Hoorn. Die Konkurrenzroute durch Nicaragua wird eine 90 Kilometer lange Schneise durch den Nicaraguasee schlagen. „Allein für den von der Planung mit am stärksten betroffenen Nicaraguasee sind die möglichen Folgen eines solchen Projekts als desaströs einzustufen: Verlandung und Versalzung würden ein fließendes Süßwasser-Ökosystem in ein künstliches Stauwasserreservoir mit Salzwasser verwandeln“, warnt der Professor für Zoologie und Evolutionsbiologie Axel Meyer von der Universität Konstanz. „Der Nicaraguasee ist das größte Süßwasserreservoir Zentralamerikas – der Unfall eines Tankers könnte gravierende Folgen haben.“
Der Kanalbau hat seinen ökologischen Preis. In seinem Verlauf soll der Kanal auch das Cerro Silva Naturreservat durchqueren, die Heimat zahlreicher Pflanzen- und Tierarten und Lebensraum unterschiedlicher indigener Völker. 400.000 Hektar Regenwald und Feuchtgebiete würden diesem Kanal auf seinem Weg vom Atlantik zum Pazifik zum Opfer fallen.
Umsiedelung indigener Völker geplant
Die Wissenschaftler befürchten durch dieses Megaprojekt katastrophale Auswirkungen für die Natur. Es würden Brutplätze bedrohter Schildkrötenarten zerstört, der Jaguar und der sehr seltene Harpyienadler würden aus ihren Territorien verdrängt. Selbst Umsiedlungen ganzer indigener Völker, wie die Miskitu und die Ulwa, sind in Planung, um der chinesischen Firma HKND den Boden für dieses Großprojekt zu bereiten.
„Eine vom chinesischen Hauptinvestor beauftragte Firma soll innerhalb weniger Monate bis Mai 2014 einen Bericht zur Machbarkeit vorlegen, aber ernsthaft und unabhängig ausgeführte Studien über ein solches Großprojekt dauern mehrere Jahre und ziehen verschiedene ökologische und ökonomische Alternativen in Betracht“, erläutert Meyer und betont, dass es zu diesem Bauvorhaben keine seriöse und unabhängige Begutachtung gebe.
Fraglich ist, ob sich der Kanal jemals rentieren kann.
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