Zehn Jahre nach dem Absturz 11.03.2025, 13:20 Uhr

Germanwings-Absturz: Neue Theorie überzeugt die Fachwelt nicht

Bald sind zehn Jahre vergangen, seit Germanwings-Flug 4U9525 auf dem Weg nach Düsseldorf in den Alpen abstürzte. Die in Südfrankreich abgestürzte A320 der deutschen Germanwings ist offenbar vom Co-Piloten bewusst in einen Berg gesteuert worden. Doch nun, nach zehn Jahren kursiert die Theorie vom technischen Versagen. Was steckt dahinter?

Trümmerteil des Germanwings-Airbus in den Alpen: Inzwischen steht fest, dass der Co-Pilot den Absturz bewusst herbeigeführt hat.

Trümmerteil des Germanwings-Airbus in den Alpen: Inzwischen steht fest, dass der Co-Pilot den Absturz bewusst herbeigeführt hat.

Foto: Guillaume Horcajuelo/dpa

Der Germanwings-Absturz jährt sich bald zum zehnten Mal. Am 24. März 2015 soll der Co-Pilot Andreas Lubitz absichtlich den Airbus A320 auf dem Flug von Barcelona nach Düsseldorf in die französischen Alpen gesteuert haben. Die Behörden in Deutschland und Frankreich sind sich sicher. Doch nun kursiert eine andere Theorie.

Der Voice Recorder der in den Alpen abgestürzten A320: Die Auswertung der Aufnahmen zeigt, dass der 28-jährige Pilot, der aus Montabaur im Westerwald stammt, die Maschine zum Absturz gebracht hat.

Der Voicerekorder der in den Alpen abgestürzten A320: Die Auswertung der Aufnahmen zeigt, dass der 28-jährige Pilot, der aus Montabaur im Westerwald stammt, die Maschine zum Absturz gebracht hat.

Foto: French Aviation Authority BEA/dpa

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2025: Die Theorie vom technischen Versagen

Wie die Frankfurter Rundschau berichtet, hat Simon Hradecky, Betreiber der Webseite The Aviation Herald, eine andere Theorie. Der österreichische Luftfahrtsicherheitsexperte erinnerte sich an einen anonymen Anrufer, der ihn kurz nach dem Unglück über ein Problem mit der Tastatur des Keypads informierte, mit dem man Zugang zum Cockpit erhält. Daraufhin begann er mit seiner Recherche.

Die Änderung der Flughöhe von 38.000 auf 100 Fuß sei „nicht menschengemacht“

Simon Hradecky rekonstruierte  den tödlichen Flug in einem Flugsimulator in Warschau, um einen möglichen technischen Auslöser für die Katastrophe zu ermitteln. Nach acht Jahren Recherche stellte er seine These nun der Zeit Online vor: Die Änderung der Flughöhe von 38.000 auf 100 Fuß sei „nicht menschengemacht“ gewesen. Im Abschlussbericht steht, dass diese Veränderung innerhalb 2 s stattfand. Die öffentlichen Reaktionen der Leser, darunter auch ein A320-Ausbildungskapitän (laut eigenen Angaben), waren nach diesem Bericht entsprechend sehr negativ.

Außerdem wird berichtet, dass das Geräusch beim Einstellen am Drehknopf nicht von den Mikrofonen aufgezeichnet wurde. Für Hradecky deutet das darauf hin, dass ein technischer Defekt vorlag. Auch Elmar Giemulla, der Anwalt vieler Hinterbliebener, erklärte der Zeitung, dass er einen technischen Defekt für möglich hält.

Hat der  Notfallcode nicht funktioniert?

Hradecky beschäftigte sich mit der Frage, was an Bord von Germanwings 9525 statt des erweiterten Suizids von Lubitz passiert sein könnte.  Der Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die mögliche Bewusstlosigkeit des Co-Piloten Lubitz. Andreas Spaeth, ein Luftfahrtjournalist, erinnert sich an einen Vorfall aus dem Jahr 2010, bei dem während eines Airbus-Landeanflugs auf den Flughafen Köln-Bonn im Cockpit Öldämpfe auftraten. Der Co-Pilot hatte damals der Deutschen Presseagentur mitgeteilt, dass er „nicht mehr in der Lage zu fliegen“ sei. Der ohnmächtige Co-Pilot konnte nicht auf den Türsummer reagieren und die Tür von innen öffnen. Nach dieser Theorie funktionierte der Notfallcode, mit dem der Kapitän von außen ins Cockpit hätte gelangen können, wegen eines defekten Keypads nicht.

Bei der Flight Control Unit des Airbus, die als Verbindung zwischen Mensch und Flugzeug dient und zwei unabhängige Computer enthält, fiel Computer 1 aus. Dadurch wurden wichtige Daten nicht an Computer 2 übermittelt, der die Steuerung übernahm. Computer 2 blieb auf die niedrige Flughöhe eingestellt und gab diese falsche Information an den Autopiloten weiter. Dieser leitete daraufhin den etwa zehnminütigen tödlichen Sinkflug ein.

Viel Kritik nach der (Verschwörungs-)Theorie

Auf dem Flug nach Barcelona wurde die Flughöhe zeitweise auf 100 Fuß eingestellt, als der Co-Pilot allein im Cockpit war. Für Hradecky ist dies ebenfalls ein Hinweis auf einen technischen Defekt. „Es ist zutreffend, dass eine solche Veränderung der Flughöhe üblicherweise nicht innerhalb 1 s erfolgen kann. Das habe ich bei den Recherchen zu meinem Buch ‚Germanwings Flug 9525 – Absturz in den französischen Alpen‘ selbst im Simulator ausprobiert und das haben mir auch zahlreiche Piloten bestätigt, die ich zum Teil namentlich darin zitiere“, zitiert die FR einen anderen Luftfahrtexperten, Patrick Huber.  Aber das ändert seiner Ansicht nach nichts am Gesamtbild.

„Wohl keine Flugzeugkatastrophe der vergangenen Jahrzehnte ist gründlicher und unter einem größeren Fokus der Öffentlichkeit untersucht worden als der Absturz von Germanwings 9525. Es gibt nach meinem Kenntnisstand für kaum einen anerkannten Fachmann bzw. eine anerkannte Fachfrau in der Branche auch nur den geringsten berechtigten Zweifel daran, dass der Co-Pilot Andreas Lubitz zuerst seinen Kapitän aus dem Cockpit ausgesperrt und dann den Airbus absichtlich gegen einen Berg gesteuert hat. Das sehen nicht nur die Ermittler der internationalen Flugunfallkommission so, sondern auch die Staatsanwaltschaft Düsseldorf und sämtliche Piloten sowie Flugexperten, mit denen ich im Zuge der Recherchen zu meinem Buch über den Absturz Gespräche geführt habe“, wird er von austrianwings.info zitiert.

Dabei wurde darauf hingewiesen, dass in Österreich der „Kurier“ Hradeckys Thesen verbreitete, während in Deutschland die „ZEIT“ dies tat. Beide Zeitungen gaben Hradeckys Ansichten viel Raum, ohne darauf hinzuweisen, dass er international weitgehend isoliert dasteht und seine Meinung eine absolute Minderheit darstellt, die von fast niemandem in der Fachwelt geteilt wird. Zudem verzichteten beide Zeitungen darauf, auch anderen Expertenmeinungen (z. B. von Flugunfallermittlern der BFU, A320-Ausbildern, technischen A320-Piloten usw.) in gleicher Weise Raum zu geben, um die Verschwörungstheorien zu widerlegen. Denn: Für Unfallermittler, deutsche Behörden, Pilotenverbände wie Vereinigung Cockpit oder ACA und sogar für Juristen steht fest, dass die Verschwörungstheorien von Simon Hradecky völlig unbegründet sind.

Germanwings-Absturz: Was war 2015 bekannt

Die Tatsache, dass der Kapitän das Cockpit verließ, ist nicht ungewöhnlich. Ganz überwiegend geschieht das, um das WC aufzusuchen. Die Aufzeichnungen dokumentieren deutlich, dass der Pilot das Kommando an seinen Co-Piloten übergab, um das Cockpit kurz zu verlassen. Umgehend schaltete der Co-Pilot auf Sinkflug. Als der Pilot an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren wollte, war die Cockpit-Türe von innen verriegelt.

Wie die Ermittler in Marseille 2015 mitteilten, hat der Pilot mehrfach versucht, seinen Co-Piloten zu bewegen, die Türe zu öffnen. Schließlich hat die Crew laut gerufen, gegen die Tür geschlagen und versucht, die Türe einzutreten.

Co-Pilot hat Tür von innen verriegelt und auf Zurufe nicht reagiert

Auch die französische Flugüberwachung hat mehrfach ohne Erfolg versucht, Kontakt mit dem Co-Piloten aufzunehmen und ihn vom Sinkflug abzubringen. Wie die Auswertung weiter ergeben hat, ist der Co-Pilot bis zum Aufprall des Airbus in den südfranzösischen Seealpen bei Bewusstsein gewesen und hat ruhig geatmet.

Mögliche Anzeichen dafür, dass der Co-Pilot vor dem Flug unruhig war, gibt es nicht. Zwischen dem Start um 10 Uhr in Barcelona und dem letzten Funkkontakt um 10.30 Uhr mit der französischen Flugsicherung gab es wiederholt eine entspannte normale Unterhaltung zwischen Kapitän und Co-Pilot. Von einem Zerwürfnis zwischen beiden Flugzeugführern oder einer erkennbaren Anspannung des Co-Piloten kann nach den Tonaufzeichnungen keine Rede sein.

Pilot versuchte vergeblich die Cockpit-Türe einzutreten

Seit den massenhaften Flugzeugentführungen aus den Vereinigten Staaten ins kommunistische Kuba vor weit mehr als 30 Jahren ist der Zugang zum Cockpit von der Flugzeugkabine aus durch eine stabile Tür blockiert. Meist ist an der Tür eine Tastatur angebracht, mit deren Hilfe und der Kenntnis der geltenden Zugangsnummer Besatzungsmitglieder die Tür öffnen können.

Eine Reihe von Fluggesellschaften gibt dem Kabinenpersonal allerdings die Zugangsnummer nicht, um zu verhindern, dass diese Besatzungsmitglieder unter Folter gezwungen werden könnten, die Cockpit-Tür für Entführer oder andere Terroristen zu öffnen. Die Mitglieder der Kabinenbesatzung klopfen in solchen Fällen in der Regel, woraufhin die Tür von innen geöffnet wird. Für zweifelhafte Fälle enthält die Tür ein Guckloch, durch das sich die Piloten informieren können, wer auf der anderen Seite der Tür wirklich steht.

Hubschrauber an der Absturzstelle des Airbus A320 in den französischen Alpen: Der Co-Pilot hat das Flugzeug bewusst auf Sinkflug gebracht und gegen einen Berg gesteuert.

Hubschrauber an der Absturzstelle des Airbus A320 in den französischen Alpen: Der Co-Pilot hat das Flugzeug bewusst auf Sinkflug gebracht und gegen einen Berg gesteuert.

Foto: Guillaume Horcajuelo/dpa

Die Terrorgefahr ist auch der Grund, dass die Cockpit-Türen so stabil sind, dass sie von außen auch mit Gewalt nicht geöffnet werden können. Selbst wenn von außen der richtige Code eingegeben wird, können die Piloten durch einen Hebel an der Mittelkonsole die Türe weiter blockieren.

Der deutsche Co-Pilot lebte in Montabaur

Die zeitweilig diskutierte Möglichkeit eines katastrophalen Ausfalls der Stromversorgung an Bord ist inzwischen widerlegt. So hat die Maschine noch um 47 s nach 10.40 Uhr ihre Position zu diesem Zeitpunkt automatisiert korrekt gemeldet. Auch die Anstrengungen des Kapitäns, die Cockpit-Tür gewaltsam zu öffnen, sind auf dem Tonträger nicht durch irgendwelche Anzeichen eines Stromausfalls unterbrochen.

Die Lufthansa hatte bestätigt, das der Co-Pilot Andreas L. 28 Jahre jung war und seit September 2013 für Germanwings flog. Es war seine erste Beschäftigung. Der Co-Pilot habe erst 630 Flugstunden absolviert. Der Mann lebte in Montabaur im Westerwald (Rheinland-Pfalz). Ausgebildet wurde er in Bremen.

Französische Untersuchungsbehörde geht von Vorsatz aus

Während die Lufthansa in allen Stellungnahmen von einem Unglück (Accident) spricht, geht der französische Innenminister Bernard Cazeneuve davon aus, „dass Terrorismus nicht sehr wahrscheinlich“ ist, ergänzt aber, dass diese Möglichkeit auch nicht ausgeschlossen werden kann.

Die französische Flugunfall-Untersuchungsbehörde BEA, die in der Branche einen technisch guten Ruf besitzt, aber häufig für ihre langsame Arbeit bekrittelt wird, bemängelt in einer ersten Reaktion, „derzeit gibt es keinen Ansatzpunkt für irgendein Ablaufszenario“. Alles deute darauf hin, dass es weder einen Druckverlust in der Maschine, noch eine Explosion im Flugzeug gegeben habe. BEA arbeitet mit sieben eigenen Mitarbeitern und Entsandten des deutschen Bundesluftfahrtamtes aus Braunschweig, von Airbus und des Triebwerkherstellers CFM International an der Aufklärung des Absturzes.

Ein Beitrag von:

  • Alexandra Ilina

    Redakteurin beim VDI Verlag. Nach einem Journalistik-Studium an der TU-Dortmund und Volontariat ist sie seit mehreren Jahren als Social Media Managerin, Redakteurin und Buchautorin unterwegs.  Sie schreibt über Karriere und Technik.

  • Axel Mörer-Funk

    Axel Mörer-Funk ist Gesellschafter der Medienagentur S-Press in Bonn. Nach einem Volontariat beim Bonner Generalanzeiger und dem Besuch der Journalistenschule Hamburg arbeitete er u.a. als freier Journalist für dpa, Bunte und Wirtschaftswoche.

  • Peter Odrich

    Peter Odrich studierte Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Verkehrsbetriebe. Nach 28 Jahren als Wirtschaftsredakteur einer deutschen überregionalen Tageszeitung mit langer Tätigkeit in Ostasien kehrte er ins heimatliche Grossbritannien zurück. Seitdem berichtet er freiberuflich für Zeitungen und Technische Informationsdienste in verschiedenen Ländern. Dabei stehen Verkehrsthemen, Metalle und ostasiatische Themen im Vordergrund.

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