Corona-Viren am Flughafen stoppen
Bei der Ausbreitung von Infektionen gelten Flughäfen als Dreh- und Angelpunkt. Während Temperaturmessungen bei Reisenden kaum Sinn machen, lohnt es sich, mehr in die Handhygiene zu investieren.
60.000 Erkrankte, 1.400 Todesfälle und 6.100 Personen, die wieder genesen sind – so lautet die aktuelle Bilanz zum neuartigen Coronavirus (13. Februar, 11:00 Uhr). Die Weltgesundheitsorganisation WHO spricht beim Virus von SARS-CoV-2, um die biologische Verwandtschaft zum SARS-Virus klarzustellen. Arzneimittel oder Impfstoffe gibt es derzeit nicht.
Umso wichtiger ist es, die weitere Verbreitung einzudämmen. In betroffenen Regionen Chinas befinden sich derzeit etwa 60 Millionen Menschen in Quarantäne. Trotzdem gelangte das Virus in andere Länder. Flughäfen spielen die zentrale Rolle. Doch nicht jede Maßnahme ist auch sinnvoll.
Auf der Spur der Geldscheine
Zum Hintergrund: Die Pest brauchte im 14. Jahrhundert noch mehrere Jahre, um sich in Europa auszubreiten, und zwar in Form von wellenförmigen Erkrankungsmustern. Zahlreiche Modelle zur geographischen Ausbreitung von Seuchen basieren auf der Annahme, dass sich Krankheitserreger geographisch diffusiv ausbreiten, ähnlich feinsten Staubpartikeln auf einer Wasseroberfläche.
Das widerlegten Forscher am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen. Sie arbeiteten nicht mit Reisedaten, was kaum zu bewältigen gewesen wäre. Vielmehr simulierten sie die menschliche Mobilität mit dem in Amerika beliebten Online-Spiel „Where´s George?“ George steht für George Washington; sein Konterfei ist auf der 1-Dollar-Note zu finden. Beim Spiel erfasst man die Seriennummer eines Scheins und seine geographischen Koordinaten. Zum Zeitpunkt der Analyse hatten User schon etwa 50 Millionen Banknoten registriert. Aus den Ergebnissen lässt sich ableiten, wie sich potenziell infizierte Menschen fortbewegen. Wenig überraschend sind Flughäfen wichtige Knotenpunkte; das diffuse Ausbreitungsmuster hat in unserer Zeit keine Bedeutung mehr.
Temperaturmessungen: Experten zweifeln am Sinn
Auf solche Bedrohungen haben sich Airports längst vorbereitet. In Wien-Schwechat messen Angestellte die Körpertemperatur von Fluggästen aus China berührungslos.
„Bei SARS hat man solche Maßnahmen des Entry-Screenings wie der Körpertemperaturmessung bei Einreise wissenschaftlich untersucht“, sagt Ralf Reintjes. Er ist Professor für Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Die Maßnahme habe kaum Fälle verhindert, obwohl SARS-Patienten Patient nur infektiös seien, wenn sie auch Beschwerden hätten. „Bei dem neuen Coronavirus kann man schon infektiös sein, auch wenn man sehr milde Symptome hat“, ergänzt Reintjes.
Sein Fazit: „Durch die Maßnahme werden sich andere Regierungen unter Umständen unter Druck gesetzt fühlen. Man kann seine Mühen und Gelder allerdings effektiver nutzen.“
Studie simuliert Effekte von besserer Handhygiene
Was man mit Budgets besser machen sollte, zeigen Wissenschaftler am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge. Auf Basis mathematischer Modellierungen fanden sie heraus, dass mehr Handhygiene von Flugreisenden die Ausbreitung von Coronaviren deutlich eindämmt.
„70 % aller Menschen, die auf Flughafen-Toiletten gehen, waschen sich danach die Hände“, sagt Christos Nicolaides vom MIT. „Die anderen 30% tun das nicht. Und von denen, die das tun, machen es nur 50 % richtig.“ Im schlimmsten Fall werden Erreger auf Oberflächen wie Türklinken oder Checkin-Automaten verteilt.
Würden 60 % aller Reisenden ihre Hände korrekt reinigen, hätte das mathematischen Simulationen zufolge deutliche Effekte. Denn die Verbreitung von Erregern würde um fast 70 % verlangsamt. Nicolaides ist klar, dass es nicht nur an den Menschen liegt. Flughäfen müssten mehr Toiletten mit Waschräumen zur Verfügung stellen. Aber schon Verbesserungen der Handhygiene um 10 % machen Sinn. Die Modellierung zeigte, dass sich Krankheiten um etwa 24 % langsamer ausbreiten würden. Dazu reichen Informationskampagnen aus.
Nicht nur die Zahl an Passagieren ist von Bedeutung
Im nächsten Schritt identifizierten die Forscher 120 Flughäfen, welche laut ihrem mathematischen Modell den größten Einfluss auf die Seuchenausbreitung haben. Überraschenderweise stellten sie fest, dass es sich nicht zwangsläufig um Airports mit dem höchsten Verkehrsaufkommen handelt. Nicolaides berichtet, dass Tokio und Honolulu aufgrund ihrer geographischen Lage als besonders wichtig gelten. Es gebe Langstreckenflüge und Ost-West-Verbindungen sowie Direktflüge zu vielen Großflughäfen. In der Liste nach Passagieraufkommen belegen die Airports nur Platz 46 und 117.
Genau solche Flughäfen sollten Nicolaides zufolge bei der Implementierung von Hygienemaßnahmen stärker als bisher berücksichtigt werden. So steht der Flughafen Honolulu mit den Flughäfen Incheon (Südkorea), Tokio-Narita (Japan), Seattle-Tacoma (USA), San Francisco International Airport (USA), Los Angeles International Airport (USA), O’Hare International Airport (USA), Newark Liberty International (USA) und John F. Kennedy International Airport (USA) in enger Verbindung. Ein Ausbruch in Honolulu müsse an den relevanten Flughäfen bessere Handhygiene nach sich ziehen, schlussfolgern die Autoren.
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