Daimler-Trucks rollen jetzt elektrisch durch Stuttgart
Sind Lkw mit Elektroantrieb auf Baustellen und in der Paketzustellung schon praxistauglich? Das will der Lkw-Hersteller Daimler in Stuttgart erproben. Es ist der zweite Flottenversuch in Deutschland: Seit 2014 sind über 160 E-Transporter für die Deutsche Post DHL unterwegs.
Nach dem kleinen E-Smart will Daimler nun auch seine Lkw-Flotte elektrifizieren: In Stuttgart übergab Daimlers Truck-Chef Wolfgang Bernhard der Stadt vier Elektro-Lkw der Daimler-Trucktochter Fuso aus Japan. Zwei der vier Sechstonner vom Typ Fuso Canter E-Cell sind mit hydraulischem Kipperaufbau ausgerüstet und werden im Straßen- und Landschaftsbau eingesetzt. Zwei weitere Lkw haben einen Kofferaufbau für städtische Möbeltransporte und die Auslieferung von Mülltonnen. Auch das Logistikunternehmen Hermes wird zwei E-Fuso im Zustellverkehr einsetzen. Der Flottenversuch wird zwölf Monate laufen.
Batterie-Reichweite von etwa 100 Kilometer
Rein äußerlich unterscheidet sich der Fuso Canter E-Cell von diesel- und diesel-elektrisch angetriebenen Modellen nur durch die Batteriepakete, die an den Seiten montiert sind. Die Batterien wiegen zusammen 600 kg und bieten eine Reichweite von etwa 100 km bei gleichzeitiger Nutzung der Rekuperation.
Geht der Fahrer vom Gaspedal, schaltet die Elektronik auf Rekuperation, deren Stärke sich in zwei Stufen am rechten Lenkstockhebel wählen lässt. Dann wird der Elektromotor zum Generator und speist die beim Rollen erzeugte Motorbremsenergie zurück in die Lithium-Ionen-Batterien. Diese Funktion ist gerade in Stuttgart wichtig, weil die Stadt im Kessel liegt und die Fahrzeuge zahlreiche Steigungen im Alltagsverkehr zu bewältigen haben.
Der Elektroantrieb leistet 110 kW (150 PS) mit einem Permanent-Magnet-Motor und verfügt über ein Eingang-Getriebe an die Hinterachse. Der Fuso Canter wiegt inklusive der Aufbauten rund vier Tonnen und ist bis zu sechs Tonnen Gesamtgewicht zugelassen. Er kann also rund zwei Tonnen zuladen. In Sachen Beschleunigung verspricht Daimler dank 650 Newtonmeter fast die Werte eines Pkw. Die Höchstgeschwindigkeit des Canter E-Cell ist wie bei allen Fahrzeugen dieser Gewichtsklasse auf 90 km/h limitiert.
VSP-Warnsystem schützt Fußgänger
Weil der Lkw fast geräuschlos fährt und im städtischen Verkehr eingesetzt wird, wo auch Fußgänger und Radfahrer unterwegs sind, verfügt der Fuso Canter über das akustische VSP-Warnsystem (Vehicle Sound for Pedestrians). Auf Knopfdruck erzeugt der Lkw ein gut wahrnehmbares, aber nicht zu lautes Summen. Der Canter E-Cell wurde im portugiesischen Werk Tramagal, rund 150 Kilometer nordöstlich von Lissabon, auf einer eigenen Fertigungslinie für Prototypen hergestellt.
Der Test in Stuttgart ist nicht der erste Flotteneinsatz des Elektro-Lkw. 2015 wurden acht E-Canter in Portugal in Kurier- und Speditionsunternehmen sowie Gemeinden und städtischen Gartenbaubetrieben eingesetzt. Die in der Praxis erzielten Reichweiten lagen bei über 100 km, das Laden der Batterien dauerte am 230 Volt-Anschluss mit 32 Ampere rund sieben Stunden, am Schnellladesystem (390 V/100 A) nur eine Stunde.
Auf Basis der aktuellen Kosten für Diesel und Strom in Portugal ergaben sich außerdem Einsparungen bei den Betriebskosten von bis zu 64 % im Vergleich zu einem konventionellen Diesel-Lkw.
Post setzt schon mehr als 160 Elektro-Transporter ein
Deutlich weiter ist allerdings die Deutsche Post DHL. Schon 2014 hat der Konzern die Paketzustellung im Raum Bonn komplett auf Elektro-Transporter umgestellt. Derzeit sind mehr als 160 E-Transporter in Bonn und einigen Großstädten wie Hamburg unterwegs. Dabei nutzt die Post nicht nur umgebaute Iveco-Transporter, sonders vor allem Klein-Lkw und Lieferfahrzeuge des Start-ups Streetscooter, das aus der RWTH Aachen hervorgegangen ist.
2014 hat die Post das Unternehmen gekauft und startet in diesem Jahr die Serienproduktion von Elektrofahrzeugen für den Flotteneinsatz. 2000 Fahrzeuge sollen noch 2016 vom Band rollen. Die Post hat sich vorgenommen 30.000 herkömmliche Pakettransporter durch Elektrofahrzeuge zu ersetzen.
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