Das Licht der Verkehrswelt wird 100 Jahre alt
Die Verkehrsampel wird 100 Jahre alt. Was heute völlig selbstverständlich erscheint, war Anfang des 20. Jahrhunderts eine Revolution. Und sie ist noch längst nicht zu Ende: Während das äußere Erscheinungsbild der Lichtzeichenanlage seit Jahrzehnten nahezu unverändert ist, arbeiten Forscher inzwischen an intelligenten Ampeln, um Verkehrsflüsse weiter zu optimieren.
Vor fast genau 100 Jahren wurde es bunt auf den Straßen der Welt. Nein, die Rede ist nicht von der Farbfotografie – obwohl das Datum ebenfalls ungefähr hinkommt –, von Autolacken oder gar von der Ausgehmode, sondern von der elektrischen Verkehrsampel. Erstmals am 5. August 1914 in Cleveland aufgestellt, teilt sie seitdem den Verkehrsfluss in rote und grüne Phasen ein. Bis zum Gelb dauerte es noch ein wenig, aber davon später.
Notwendig wurde dieses neue Stück Technik, weil sich der Verkehr zunehmend verdichtete und die Geschwindigkeit der Autos die der Fußgänger inzwischen deutlich übertraf. Mit der neumodischen Verkehrsampel – oder der Lichtzeichenanlage, wie sie im heutigen Deutschland auf Beamtensprech heißt – lässt sich seitdem das Verhalten der Verkehrsteilnehmer steuern.
Das Ampelprinzip ist Generationen von Verkehrsteilnehmern auf der ganzen Welt in Fleisch und Blut übergegangen: Rot heißt Stopp, Grün heißt freie Bahn. Damit auch Farbenblinde mit diesem internationalen Code klarkommen, ist Rot immer oben, Grün immer unten. Das System ist in den vergangenen Jahrzehnten so selbstverständlich geworden, dass es vom Straßenverkehr in alle Ecken des Alltags und natürlich in den Sprachgebrauch geschwappt ist: Ampeln finden sich mittlerweile auf Lebensmittelpackungen, Powerpoint-Präsentationen und in Floskeln wie „grünes Licht geben“ wieder.
Vorläufer der Ampel explodierte nach drei Wochen
Völlig reibungslos verlief der Weg zur Ampel, wie wir sie heute kennen, nicht. Bereits vor dem oben erwähnten Exemplar in Cleveland gab es einen ersten Vorläufer in London: 1868 installierte man dort ein erstes Street Crossing Signal. Allerdings war dieses noch gasbetrieben und hielt genau drei Wochen, bevor es mit einer spektakulären Explosion den Dienst quittierte.
Bis zum nächsten Versuch, den Verkehr mithilfe von Lichtzeichen zu regeln, brauchte es fast ein halbes Jahrhundert – und die Idee, es mit Strom zu versuchen. Der neuerliche Versuch hielt deutlich länger und verlief darüber hinaus sehr erfolgreich. Fünf Jahre nach der ersten elektrischen Ampel kam 1919 in Detroit zudem ein drittes Signal dazu: Gelb bereitete die Verkehrsteilnehmer fortan auf einen baldigen Wechsel zwischen Rot und Grün vor. Dieses Prinzip gilt bis heute.
Bei der ersten Ampel Deutschlands, die 1924 in Berlin in Betrieb ging, handelte es sich noch um einen Turm, auf dem ein Polizist die Signale per Hand bediente. Die erste deutsche Fußgängerampel gab es 1937, ebenfalls in Berlin. Und seit den 1950er Jahren waren Verkehrsampeln in Deutschland nicht allein in großen Städten zu finden, sondern zunehmend auch in kleineren Gemeinden.
Das äußere Erscheinungsbild der Ampel ist seit rund 80 Jahren nahezu unverändert geblieben, wenn man von ein paar Ausreißern absieht: Bei der sogenannten Heuerampel zum Beispiel wanderte ein Zeiger über einen halb rot, halb grün beleuchteten Ring – aber nur bis 1972, danach war sie verboten. Zudem gibt es Variationen, was die Gestaltung des Lichts betrifft: Bestes Beispiel sind die Ampelmännchen in den Fußgängerampeln, die je nach Region unterschiedlich aussehen.
Die wahre Revolution spielt sich im Innern ab
Die wahre Revolution spielte und spielt sich im Innern der schwarzen Kästen ab. Das Licht moderner Ampeln besteht aus LEDs, die nicht nur energiesparend, sondern auch im Gegenlicht erkennbar sind. Außerdem hat sich die Einstellung zu Ampeln geändert: Während man in ihnen vor einigen Jahrzehnten noch Instrumente zum Stoppen der Autofahrer sah, dienen sie heute vornehmlich dazu, Verkehrsflüsse aufrecht zu halten. Um grüne Wellen zu ermöglichen, Rettungsfahrzeugen freie Fahrt zu verschaffen und Bussen und Straßenbahnen Vorrang einzuräumen, setzen Städte zunehmend auf hochentwickelte Software, cloudbasierte Lösungen und komplexe Verkehrsrechnersysteme.
Die Reise ist noch längst nicht zu Ende: Verkehrsexperten arbeiten weiterhin an Lösungen für einen sicheren, flüssigen und emissionsarmen Straßenverkehr. Wissenschaftler der Technischen Universität Braunschweig zum Beispiel arbeiten im Rahmen ihres Projekts Smarte Kreuzung an Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Ampel und Auto. Zusätzlich zu den sowieso schon verbauten Sensoren im Stadtgebiet sollen diese den Verkehrsfluss weiter optimieren und häufiges Bremsen und Anfahren vermeiden helfen. Auch in die andere Richtung könnten Informationen fließen, wenn Ampeln die Verkehrsteilnehmer vor Staus und Gefahren warnen.
Für Abgesänge besteht kein Grund
Trotz aller Bemühungen für einen flüssigeren Verkehr verbringen Autofahrer weiterhin viel Zeit an roten Ampeln: Ganze zwei Wochen ihres Lebens warten Fahrer im Durchschnitt auf Grün, haben Experten kürzlich ausgerechnet. An manchen Stellen sind die Planer daher zu dem Schluss gekommen, dass keine Ampel die bessere Lösung ist. Vielerorts ersetzen Kreisverkehre die Lichtzeichenanlage. Das funktioniert in vielen Fällen, allerdings nicht in allen. Für einen Abgesang auf die Ampel besteht daher noch lange kein Grund, und es wird wohl noch einige Jahre heißen: „Bei Rot musst du steh’n, bei Grün darfst du geh‘n“…
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