Automobilbau 19.05.2000, 17:25 Uhr

Das Wasserstoff-Zeitalter des Autos startet mit Serien-Pkw von BMW

Für das Auto hat das Wasserstoff-Zeitalter begonnen. BMW präsentierte in Berlin die ersten serienmäßig gebauten Wasserstoff-Pkw der Welt. Die 15 Limousinen „750hL“ werden während der Expo 2000 demonstrieren, dass H2 ein ganz normaler Kraftstoff ist. Bis 2010 sei mit einer adäquaten Infrastruktur zu rechnen.

Am 11. Mai 2000 vollzog sich im Berliner Ludwig-Erhard-Haus eine Wende von globalem Format – so zumindest sieht es BMW. Die Münchner präsentierten die ersten in Serie gebauten Wasserstoffautos der Welt – 15 7er-Limousinen mit der Typbezeichnung „750hL“. Ein Debüt, das auch den anwesenden Bundesverkehrsminister nicht unbeeindruckt ließ: „BMW hat mit seinen Wasserstoff-Fahrzeugen eine führende Rolle in der deutschen Wirtschaft übernommen“, attestierte Reinhard Klimmt dem bayrischen Autohersteller.
Im Gegensatz zu DaimlerChrysler, Ford und General Motors (GM) setzt BMW bei der Entwicklung emissionsfreier Antriebssysteme für den Individualverkehr nicht auf den Elektro-, sondern auf den Verbrennungsmotor. „Alternativen wie das Elektroauto bringen so viele Einschränkungen mit sich, dass sie vom Kunden nicht akzeptiert werden“, so BMW-Entwicklungsvorstand Dr. Burkhard Göschel.
Als Kraftstoff favorisiert BMW Wasserstoff, der langfristig mit regenerativen Primärenergien gewonnen werden soll. Damit stehen die Bayern nicht nur in einer Reihe mit GM und Ford, die aus Wasserstoff per Brennstoffzelle Strom für das Elektroauto gewinnen wollen, sondern auch mit Shell. Das heutige Vorstands- und designierte Aufsichtsratsmitglied der Deutschen Shell AG Prof. Fritz Vahrenholt: „BMW und Shell denken in die gleiche Richtung.“
Einzig DaimlerChrysler plädiert für Methanol als Kraftstoff. „Die Wasserstoff-Welt wird es nicht geben“, urteilte ihr Pkw-Vorstand Prof. Jürgen Hubbert unlängst in einem Interview. Allerdings „scheut die Mineralölindustrie, sich mit einem solchen Stoff zu identifizieren“, sagte Vahrenholt über den hochgiftigen und CO2-emittierenden Alkohol.
Mitentscheidend im Rennen um den Kraftstoff der Zukunft dürfte die zeitliche Marktpräsenz sein: Während die Elektroautos mit Brennstoffzellen 2004 kommen sollen, kündigte BMW-Vorstand Göschel in Berlin überraschend den 750hL „in einer der beiden nächsten Preislisten“ an: „Wir bei BMW fangen jetzt an, unser Auto ist technologisch reif, wir wollen in Serie gehen.“
Die wesentlichen Unterschiede zum konventionellen 750iL sind das andere Tanksystem und die Wasserstoffeinblasung. Der Wasserstoff wird kryogen – also tiefkalt und flüssig – bei einer Temperatur von etwa – 250 oC in einem doppelwandigen Stahltank hinter den Fondlehnen gespeichert. Der Kryo-Tank bietet mit 140 l Fassungsvermögen eine Reichweite von 350 km. Der Motor selbst unterscheidet sich praktisch nur durch den Ansaugtrakt mit zusätzlichen Einblasventilen für den Wasserstoff.
Mit Wasserstoff betrieben leistet der Zwölfzylinder der 7er-Limousine 150 kW (204 PS), beschleunigt in 9,6 s aus dem Stand auf Tempo 100 km/h und erreicht eine maximal 226 km/h. Burkhard Göschel: „Wenn wir Akzeptanz erreichen wollen, brauchen wir eine Antriebstechnik, die den Bedarf unserer Kunden ernst nimmt.“ Aus dem Auspuff kommt dabei lediglich Wasserdampf. Die Stickoxid-Emission ist nicht der Rede wert, ist vernachlässigbar klein.
Da die Wasserstofftechnik des 750hL eine reine „Add-On“-Lösung ist, kann die Limousine auch ganz konventionell mit Benzin bei serienmäßigen Leistungsdaten betrieben werden. Diese Ausweichmöglichkeit soll die Entscheidung der Kunden für das Wasserstoffauto erleichtern, solange keine flächendeckende Versorgung mit dem umweltfreundlichen Kraftstoff gewährleistet ist. Kein Elektroauto mit Brennstoffzellen hat diese Wahlmöglichkeit.
Shell-Vorstand Vahrenholt will das von BMW vorgelegte Tempo mithalten: „Wir werden Wasserstoff liefern, wenn der Bedarf da ist.“ Bis 2020, so seine Prophezeiung, seien 50 % aller Neufahrzeuge und 20 % des Fahrzeugbestandes Wasserstoffautos. Dazu brauchen Automobilhersteller und Energielieferanten allerdings auch die Politik im Boot: „Es wäre eine politische Großtat, wenn ein Teil der Ökosteuer in die Wasserstofftechnologie zurückfließt“, appellierte Vahrenholt an die Bundesregierung. „Mit 1 % der Ökosteuer könnten wir 400 Tankstellen umrüsten.“
Das geht freilich weit über die Kompetenzen des Bundesverkehrsministers hinaus, der in Berlin dafür auf die „Verkehrswirtschaftliche Energiestrategie“ (VES) von Regierung, Energie- und Fahrzeugunternehmen verwies. Im Rahmen dieses Projektes sollen der Zukunftskraftstoff definiert und seine Markteinführung vorbereitet werden. Klimmt: „Die Aktivitäten sind in der entscheidenden Phase.“ Für sein Ministerium sei die VES von grundlegender Bedeutung für die Zukunft der Energieversorgung im Straßenverkehr. Der VES-Favorit steht freilich längst schon fest: Wasserstoff. PETER WEIDENHAMMER
Weltpremiere vor dem Brandenburger Tor: BMW präsentiert das erste Wasserstoff-Serienauto der Welt – den 750hL. Auf der Expo 2000 in Hannover werden 15 Limousinen mit dem alternativen Kraftstoff eingesetzt.

 

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  • Peter Weidenhammer

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