Das zulässige Gesamtgewicht für Lkw hat sich in 50 Jahren fast verdoppelt
Der sprunghaft wachsende Verkehr mit immer schwereren Lkw auf Autobahnen setzt älteren Brücken zu. Gero Marzahn, Abteilungsleiter für den Bereich des Konstruktiven Ingenieurbaus beim Landesbetrieb Straßenbau NRW und Lehrbeauftragter der Ruhr-Universität stellt fest: Deutsche Autobahnen sind mit einer Nutzungsänderung konfrontiert. Ergo müssen die Tragkapazitäten der Bauwerke angepasst werden.
Marzahn: Wegen der älteren Bestandsnetze sind vor allem die westlichen Flächenbundesländer betroffen. Angesichts der hohen Verkehrsbelastungen und der vorhandenen Altersstruktur – zahlreiche Brücken sind seit mehr als 40 Jahren unter Verkehr – zählt Nordrhein-Westfalen zu den am stärksten betroffenen Ländern.
Entsprechend der Tragweise wird unterschieden zwischen Balken-, Rahmen-, Bogen-, Stahlfachwerk-, Schrägseil- und Hängebrücken. Während die letztgenannten überwiegend im Großbrückenbau zur Anwendung kommen, handelt es sich bei den übrigen um Regelbauweisen.
Hinsichtlich des verwendeten Materials bzw. Bauweise wird zwischen Stahlbeton-, Spannbeton-, Stahl- und Stahlverbundbrücken unterschieden. Vereinzelt sind auch Brücken aus Mauerwerk oder für Fußgängerbrücken auch aus Holz oder Aluminium erstellt worden.
Die durchschnittliche Verkehrsstärke auf deutschen Autobahnen hat sich in den letzten 50 Jahren fast verfünffacht. Waren es 1960 noch rund 10 000 Kfz/24h, sind es heute im bundesweiten Durchschnitt 48 000 Kfz/24h.
Die zulässigen Achslasten und Gesamtgewichte wurden in den letzten Jahrzehnten immer wieder erhöht. In den 1950er-Jahren orientierte sich das zulässige Gesamtgewicht am Gesamtgewicht einer 24-t-Dampfwalze. Heute darf ein Fahrzeug im kombinierten Verkehr maximal 44 t wiegen und ist somit fast doppelt so schwer.
In den Bemessungsnormen werden die Sicherheitsfaktoren vorgegeben. Für Betonbrücken betrug seinerzeit der globale Sicherheitsfaktor für den Tragfähigkeitsnachweis zum Beispiel 1,75. Das bedeutet, dass mit den verwendeten Lastmodellen und Bemessungsnachweisen den Brücken Sicherheiten und Reserven eingerechnet werden, die unter Berücksichtigung einer ordnungsgemäßen Bauwerkserhaltung eine lange Nutzungszeit erwarten lassen.
Es ist faktisch eine Nutzungsänderung eingetreten, sodass die Tragkapazitäten der Bauwerke entsprechend angepasst werden müssen.
Durch eine Nachrechnung von Brücken lassen sich – noch bevor Schäden auftreten – deren Defizite im Tragverhalten rechnerisch aufdecken, um mit diesem Wissen gezielte Verstärkungsmaßnahmen angehen zu können. Allgemeiner Erkenntniswert aus bisherigen Nachrechnungen ist, dass die Reserven der älteren Brücken in vielen Fällen weitgehend aufgebraucht sind und Handlungsbedarf besteht. Daher führt der Landesbetrieb Straßenbau NRW derzeit umfangreiche und systematische Nachrechnungen durch, um ganze Abschnitte hochbelasteter Strecken möglichst kurzfristig und zukunftssicher zu ertüchtigen.
Niemand muss an der Sicherheit unserer älteren Brücken zweifeln. Durch ein engmaschiges Netz der Bauwerksprüfung ist sichergestellt, dass mögliche Schäden an Bauwerken rechtzeitig erkannt und notwendige Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
Vorerst werden rund 800 Brücken im Bundesfernstraßennetz (Autobahnen und Bundesstraßen) sukzessive überprüft.
Die rechnerischen Nachweise richten sich nach den Vorgaben der vom Bund eingeführten „Richtlinie zur Nachrechnung von Straßenbrücken im Bestand (Nachrechnungsrichtlinie)“. Dort werden alle für den Brückenbau gängigen Bauweisen (Betonbrücken, Stahl- und Stahlverbundbrücken, Brücken aus Mauerwerk) behandelt.
Bei Spannbetonbrücken sind unter anderem die Nachweise der Querkrafttragfähigkeit, der Ermüdungssicherheit oder die Nachweise zur Begrenzung der Rissbreiten wichtig.
Die Wahl einer geeigneten Verstärkungsmaßnahme hängt im Wesentlichen ab von dem Schadensbild, den rechnerisch festgestellten Defiziten in der Tragfähigkeit oder der Gebrauchstauglichkeit sowie dem verwendeten Konstruktionsbaustoff unter Beachtung wirtschaftlicher Grundsätze. Brücken aus Spannbeton werden häufig durch eine externe Vorspannung ertüchtigt, ermüdungsbeanspruchte Deckbleche im Stahlbrückenbau können mit Sandwich-Platten-Systemen verstärkt werden. Aber häufig zeigt sich, dass eine Verstärkung keine wirtschaftliche Lösung darstellt oder technisch nicht umsetzbar ist, sodass auch aus diesen Aspekten heraus ein Ersatzneubau erforderlich wird.
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