Deutsche Bahn stattet 60.000 Güterwagen mit Flüsterbremsen aus
Spätestens 2020 sollen Anwohner von Bahnstrecken wieder ruhiger schlafen können. Bis dahin stattet die Bahntochter DB Schenker Rail alle 60.000 Güterwagen des Konzerns mit Flüsterbremsen aus Kunststoff aus. Sie reduzieren den Schalldruckpegel um 10 dB – das entspricht einer Halbierung der wahrgenommenen Lautstärke.
Auf dem Güterbahnhof Köln-Gremberg hat die Güterverkehrstochter der Deutschen Bahn, DB Schenker Rail, am Mittwoch ihren ersten Güterzug mit neuartigen Flüsterbremsen vorgestellt. Dieser verursacht mit einer Reduktion von 10 dB nur noch halb so viel Lärm wie ein Zug mit herkömmlichen Bremsen. Damit steht er für das ambitionierte Ziel der Deutschen Bahn, bis zum Jahre 2020 den Schienenverkehrslärm zu halbieren.
Statt aus dem konventionellen Grauguss bestehen die neuen Bremsen aus Kunststoff. Diese sogenannten LL-Sohlen sind seit Juni 2013 in Deutschland zugelassen. LL steht für „low noise, low friktion“ – also wenig Lärm, wenig Reibung.
DB Schenker Rail will bis zum Jahr 2020 die Herkulesaufgabe hinter sich haben: Dann sollen alle 60.000 Güterwagen des Konzerns mit Flüsterbremsen ausgestattet sein. Das entspricht dann aber erst einem Drittel der 180.000 Güterwagen, die auf dem insgesamt rund 34.000 Kilometer langen Schienennetz in Deutschland unterwegs sind. Denn 60.000 Wagen betreiben andere deutsche Güterspeditionen, weitere 60.000 sind von ausländischen Unternehmen auf dem deutschen Schienennetz im Einsatz.
Herkömmliche Bremsen rauen die Oberfläche der Räder auf
Die Bremsen eines Güterzuges sind eine wesentliche Ursache für das Problem Bahnlärm. Sie verursachen nicht nur das typische schrille Quietschen beim Bremsvorgang, sondern auch erheblichen Lärm beim Fahren. Denn bei jedem Bremsvorgang rauen die Bremsen die Oberfläche der Räder auf. Und diese raue Radoberfläche erzeugt den Lärm beim Fahren.
Es genügt allerdings nicht, ein paar Wagen in einem Zug auf die neuen Flüsterbremsen umzurüsten. Denn erst wenn 80 Prozent aller Wagen mit den neuen Bremsen ausgestatten sind, macht sich das überhaupt bemerkbar. Heute sind viele Güterzüge ein immer wieder wechselnd zusammengestelltes Konglomerat aus alten Wagen mit Graugussbremse und Neuanschaffungen, die bei DB Schenker Rail bereits seit 2001 mit modernen Kunststoffbremsen versehen sind. Ende 2013 waren so bereits 7750 Wagen mit der leisen Bremstechnologie unterwegs. Diese Bremssohlen heißen K-Sohle, das Kürzel steht für Komposit-Werkstoffe. Sie sind schon seit mehreren Jahren für den lärmmindernden Einsatz zertifiziert und freigegeben worden.
Ein Umrüsten der alten Güterwagen auf die schon lange zugelassene K-Sohle ist DB Schenker Rail aber zu teuer. „5.000 bis 7.000 kostet das pro Wagen“, erklärt der Lärmschutz-Sprecher der Deutschen Bahn, Hans-Georg Zimmermann. Das Umrüsten mit den jetzt vorgestellten LL-Sohlen kostet dabei nur 1700 Euro pro Wagen. Der Reibungskoeffizient dieser LL-Sohle ist mit dem der herkömmlichen Graugusssohle vergleichbar. Daher kann ein alter Standardgüterwagen ohne weiteren Umbau mit der neuen Verbundstoffbremssohle ausgestattet werden. „Es geht uns darum, die Akzeptanz des Güterverkehrs zu verbessern“, sagt Zimmermann.
Verkehrslärm ist laut WHO zweitgrößtes Gesundheitsrisiko
An vielen Orten regt sich inzwischen massiver Bürgerprotest gegen den Schienenlärm. Laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO aus dem Jahre 2011 stellt Verkehrslärm, nach der Luftverschmutzung, das zweitgrößte Gesundheitsrisiko dar – mit schwerwiegenden Folgen wie Herzinfarkten und anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Schlafstörungen und Stress. Die WHO schätzt in dieser Studie, dass den Bürgern in der EU in jedem Jahr eine Million gesunder Jahre durch den Verkehrslärm verloren gehen.
Güterzüge donnern im Takt weniger Minuten durch das Rheintal
Ganz besonders schlimm empfinden den Lärm der Bahn die Menschen im Rheintal. Durch das schöne Stück zwischen Bonn und Bingen donnern die Güterzüge im Takt weniger Minuten. Durch die Hügel zu beiden Seiten des Rheins schaukelt sich der Lärm besonders auf. Seit Jahren protestieren die Anwohner gegen den Bahnlärm. Im Dezember 2012 wurde der Beirat Leiseres Rheintal gegründet, in dem Vertreter des Bundesverkehrsministeriums, der Bahn, der Länder Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Hessen, Bundestagsabgeordnete sowie der beiden Bürgerinitiativen Pro Rheintal und der Initiative gegen Umweltschäden durch die Bahn sitzen.
Am vergangenen Dienstag kamen im Bundesverkehrsministerium in Bonn die Mitglieder dieses Beirates zu ihrer siebten Sitzung zusammen. Dort wurden die Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie vorgestellt. „Mit der Machbarkeitsstudie haben wir einen Meilenstein auf dem Weg zu mehr Lärmschutz im Mittelrheintal erreicht“, so Ines Jahnel, Vorsitzende des Beirats und Lärmschutzbeauftragte der Deutschen Bahn. „Besonders wichtig hierbei war es uns, dass auch die Anwohner Vorschläge für Lärmschutzmaßnahmen einbrachten.“ Das mit der Machbarkeitsuntersuchung beauftragte Ingenieurbüro Wölfel stellte die in der Studie bewerteten Maßnahmenvorschläge vor.
Der Untersuchungsraum umfasste insgesamt 30 Orte und rund 250 Kilometer Schiene. 140 Vorschläge – 60 davon aus der Bevölkerung – hat das Büro entlang der beiden Flussufer bewertet. Als wesentliche Maßnahmen gesehen werden auf einer Länge von über 190 Kilometern der Einbau von sogenannten Schienenstegdämpfern sowie die Errichtung von Lärmschutzwänden auf über 35 Kilometer Länge. „In den nächsten Monaten wird es nun darauf ankommen, dass sich die Beteiligten auf eine Finanzierung verständigen“, sagte Lärmschutzbeauftragte Jahnel.
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