Die Idee: Schnelles Beladen, flexible Streckenwahl
Er führt ohne Zweifel ein echtes Nischendasein: Der Autozug. Studierende der Jade Hochschule in Wilhelmshaven wollen das jetzt ändern.
„Urlaub von Anfang an.“ Mit diesem eingängigen Slogan wirbt die Deutsch Bahn AG für ihren Autozug. Und es stimmt ja auch. Mit dem Autozug lassen sich bequem und sicher große Distanzen überbrücken, ohne dabei auf das eigene Auto am Urlaubsort verzichten zu müssen. So kann man recht entspannt zum Beispiel die 950 Kilometer von Hamburg nach Innsbruck fahren, man schläft und brettert nicht gestresst durch die Nacht. Morgens um acht Uhr steigt man aus dem Autozug, setzt sich ans Steuer seines Wagens und düst ins Wintersporthotel. Zwei Stunden später saust man das erste Mal die Piste hinab. Soweit die Theorie. Die Praxis sieht, wie so oft, anders aus. „Ein Erfolgsmodell ist der Autozug bislang nicht“, sagt Dr. Michael Szeliga, der an der Jade Hochschule in Wilhelmshaven Marketing, Strategie und Produktmanagement lehrt, „Probleme bereitet vor allem die aufwändige Verladung der Fahrzeuge.“
Problem ist das Be- und Entladen: Hier heißt es brav der Reihe nach
In der Tat mutet es anachronistisch an, dass im Jahre 2013 die Fahrzeuge alle brav hintereinander auf die Waggons des Autozuges gefahren werden müssen. Beim Entladen staunt man erneut, weil die Autos natürlich nur in der gleichen Reihenfolge entladen werden können. Nur rückwärts eben. Es liegt auf der Hand, dass diese Prozedur enorm viel Zeit verschlingt und vor allem die Flexibilität für die Strecken, die im Streckennetz als Autozug angeboten werden können, drastisch einschränkt.
Angehende Wirtschaftsingenieure der Jade Hochschule wollen diesen Anachronismus nun beseitigen. Ihre Idee klingt auf den ersten Blick etwas schräg: „Als besonders vielversprechende Verladungsvariante hat sich eine seitliche Auffahrt des PKW’s auf den Waggons gezeigt, vergleichbar mit dem seitlichen Einparken in eine Parklücke“, erklärt Michael Szeliga. Denn das spart richtig Zeit beim Be- und Entladen der Waggons. Um den Raum zum Rangieren möglichst zu minimieren, müssten die Räder der Autos allerdings um einen rechten Winkel gedreht werden können. Bei den noch recht seltenen Elektroflitzern ist das kein großes Problem, bei den normalen Autos schon. Hier wären laut Szeliga zusätzlich ausfahrbare Rollen ein denkbarer Weg. Dem Wilhelmshavener Marketing-Professor ist der begrenzte Markt für solche Autos durchaus bewusst: „Da nicht zu erwarten ist, dass für derart ausgerüstete Fahrzeuge in naher Zukunft ein ausreichendes Käuferinteresse besteht,“ erläutert er, „setzt das Gesamtkonzept auf ein geeignetes Angebot von Mietwagen.“
Sinnvoll in Kombination mit Car-Sharing
Und ab hier macht die Idee durchaus Sinn: Denn das eigene Auto als Statussymbol verliert zunehmend an Bedeutung, für junge Menschen ist es unwichtig geworden. Sie wollen von einem Ort zum anderen, egal mit welchem Verkehrsmittel. Das zeigt auch das immer größere Interesse an Car-Sharing-Angeboten, insbesondere in den städtischen Ballungsräumen. Und für Car-Sharing-Anbieter kann es durchaus interessant sein, einen Teil ihrer Fahrzeugflotte derart umzurüsten, dass sie auf dem Autozug der Zukunft verladen werden können.
Autozug startete als unfreiwilliger Aprilscherz
In der Tat wäre es angesagt, das angestaubte Modell des Autozuges in eine mobile Zukunft zu überführen. Angefangen hat die Ära des Autozuges ausgerechnet am 1. April 1930 als „Auto-Gepäck-Verkehr“. Der Autofahrer gab sein Auto bei der Deutschen Reichsbahn auf und fuhr mit einem Personenzug zum Ziel. Sein Auto wurde auf gewöhnliche Flachwagen im Güterzug zum Zielort transportiert. Die Deutsche Bundesbahn griff das Konzept des Autoreisezuges im Jahre 1956 auf und bot ab dem 25. Juni 1956 unter dem Slogan „Auto im Reisezug“ zwischen Hamburg und Chiasso im Schweizer Kanton Tessin diese Dienstleistung viermal in der Woche an. Stolze 930 Fahrzeuge ließen sich 1956 als „Auto im Reisezug“ ins Tessin kutschieren.
Richtig rund lief das Geschäft mit dem Autotransport einzig im Jahr der ersten Ölkrise. 1973 transportierte die Bahn auf 163 Verbindungen 185.500 Fahrzeuge, soviel wie nie zuvor und auch nie danach. Im Gegenteil: 1987 zum Beispiel nutzten 397.000 Reisende mit etwa 145.000 Autos und Motorräder das Angebot. Das deckte damals so gerade die Kosten für die Bahn.
Komfort als Lockmittel zieht auch nicht wirklich
Die Bahn versucht mit Komfort gegenzusteuern. So haben praktisch alle Verbindungen einen Speisewagen. Doch das Konzept Autozug schwächelt trotzdem vor sich hin. Seit einigen Jahren dünnt die Bahn ihr Angebot immer weiter aus. Aktuell sind gerade einmal 17 Verbindungen im Angebot. Unter anderem so richtige Kracherverbindungen wie von Hildesheim nach Lörrach. Das klingt in der Tat verbesserungsfähig. Vielleicht kommen die Deutsche Bahn und die Studierenden unter Michael Szeliga von der erst am 1. September 2009 gegründeten Jade Hochschule in Wilhelmshaven ja zusammen und revolutionieren das angestaubte Modell des Autozugs. Und die Car-Sharer bauen ein paar Autos um, damit das Seitwärts-Einparken auch klappt.
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