Elektrofahrräder 29.07.2011, 12:08 Uhr

Die Qual der Wahl: E-Bikes mit unterschiedlichen Antriebs-Varianten

Fahrräder mit elektrischer Antriebshilfe gibt es mit Nabenmotoren am Vorder- oder Hinterrad oder Tretlagerantrieben in unterschiedlichsten Varianten. Gerade bei den „Mittelmotoren“ ist der Markt extrem dynamisch. Experten raten zu Probefahrten verschiedener Systeme, um persönliche Vorlieben herauszufinden. Denn Vor- und Nachteile gibt es bei allen Antriebslösungen.

„Warum zieht der mit seiner Gurke problemlos an mir vorbei?“ – Fahrradfahrer erleben immer öfter Momente stiller Selbstzweifel. Lässt die eigene Kraft nach? Oder wird jetzt auch schon im Berufsverkehr gedopt?

Bei zweitem Hinsehen entpuppt sich das Doping meist als Elektroantrieb. Nach Angaben des Zweirad-Industrie-Verbands ZIV, Bad Soden/Ts., setzten deutsche Fahrradhändler 2010 gut 200 000 Pedelecs und E-Bikes ab. Im Jahr zuvor waren es 150 000. Mittelfristig prognostiziert der ZIV einen jährlichen Absatz von bis zu 600 000 Fahrrädern mit Elektroantrieb in Deutschland.

E-Bikes: Vorder-, Mittel- und Hinterrad-Antrieb im Angebot

Zu erkennen sind die Elektroantriebe wahlweise an trommelartigen Elektromotoren von etwa 30 cm Durchmesser an der vorderen oder hinteren Radnabe, oder an E-Motoren im Bereich der Tretkurbel. Hier treiben sie bei zulassungsfreien Pedelecs bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h die Kette oder die Kurbelwelle an, wenn der Fahrer ohnehin in die Pedale tritt. Auch die Batterien, die mal unter dem Gepäckträger, mal zwischen Sattelrohr und Hinterrad oder hinter Verkleidungen am Rahmen untergebracht sind, verraten die elektrische Unterstützung.

Schwieriger wird das Enttarnen, wenn Überholende einen Antrieb der österreichischen Firma Gruber nutzt: Beim „Gruber Assist“ ist ein 900 g leichter stabförmiger Motor im Sattelrohr über der Tretkurbel verborgen. Seine 200 W Leistung überträgt er per Kegelradgetriebe auf die Kurbelwelle, wenn der Fahrer danach verlangt. Die Energie dafür liefern Lithium-Ionen-Akkus mit wahlweise 4,5 Ah oder 6,75 Ah und 30 V Spannung. Damit stehen 135 Wh bzw. 202,5 Wh Kapazität bereit. Je nach Streckenprofil und Fitness des Fahrers verbrauchen Pedelecs erfahrungsgemäß 5 Wh/km bis 10 Wh/km.

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Der kleine Gruber-Antrieb ist somit weniger Ideallösung für lange Radtouren mit Hilfsantrieb, sondern eher für Pendler und Sportler geeignet, die nur punktuell nach Anschub verlangen und wenig Zusatzgewicht akzeptieren. Ohnehin sollten Interessierte vor dem Kauf eines Pedelecs prüfen, welche der vielfältigen Antriebslösungen im Markt am besten zu ihren Anforderungen und Fahrgewohnheiten passt.

Durch den Voderrad-Antrieb werden E-Bikes allradgetrieben

Während Radnabenmotoren vorn dem Fahrrad zum Allradantrieb verhelfen und als getriebelose Exemplare Rekuperation beim Bremsen oder bei Abwärtsfahrten möglich ist, um die Batterie während der Fahrt nachzuladen, ist das ungewohnte Mehrgewicht am Vorderrad nicht jedermanns Sache. Auch ist es problematisch, die weniger belastete Achse anzutreiben. Zudem birgt die zusätzliche Verkabelung von Batterie zu Motor potenzielle Fehlerquellen. Dass bei nasser Fahrbahn das Vorderrad durchdreht oder es bei Kurvenfahrten wegschmieren könnte, ist angesichts maximal 250 W Motorleistung bei Pedelecs sehr unwahrscheinlich. Zumal die Leistung an die sensorisch erfasste Pedalkraft gekoppelt ist und sich allmählich steigert.

Allerdings gibt es Radler, die besser mit Nabenmotoren am Hinterrad zurechtkommen. Wie an den Vorderradnaben kommen hier in der Regel elektrisch geregelte, bürstenlose Motoren zum Einsatz. Varianten mit Getriebe sind kompakter, leichter und dynamischer. Dagegen arbeiten die Direktantriebe gerade bei höheren Geschwindigkeiten effizienter und die Rekuperation ist leichter zu bewerkstelligen. Ein Nachteil der Hinterradmotoren ist die schwierige Integration. Gerade wenn das Rad vielen Gänge hat, ist der Bauraum begrenzt. Bei Nachrüstsätzen kommt es vor, dass vorhandene Zahnkränze plus Nabenmotor nicht in die Schwinge passen.

Daneben kritisieren Experten, dass Nabenmotoren losgelöst von Kettenschaltungen arbeiten und ihre Leistung bei niedriger Drehzahlen zu wünschen übrig lässt. Dadurch sinkt ihre Effizienz gerade dort, wo sie am dringendsten benötigt wird: an Bergen. Das nötige Drehmoment lässt sich beim langsamen Berge erklimmen durch erhöhte Stromzufuhr zu Lasten der Reichweite bereitstellen. Nabenmotoren sind also eher etwas für Flachländler – die beim Kauf wegen der beschriebenen Problematik lieber kleinere, schneller drehende Räder und längere Sattelstangen wählen sollten.

Weil damit die Komplexität der Verkabelung und die ungünstige Gewichtsverteilung nicht aus der Welt ist, kommen immer mehr „Mittelmotoren“ für Pedelecs und E-Bikes auf den Markt. Sie sorgen nicht nur für einen mittigen tiefen Schwerpunkt, sondern übertragen ihre Leistung wahlweise per Ritzel auf die Kette, per Extrakette auf die Tretkurbel oder wie der Gruber-Assist direkt auf die Kurbelwelle. In allen drei Fällen lässt sich das Zusammenspiel mit dem menschlichen Antrieb besser kombinieren, zumal die Kraft dieser Mittelmotoren durch die vorhandene Ketten- oder Nabenschaltung effizienter genutzt wird.

Während der Rahmenantrieb von Gruber einen Nischenmarkt anpeilt, hat sich Panasonic bereits mit seinen direkten Kettenantrieben im Massenmarkt etabliert. Auch der Nabenmotorenspezialist Heinzmann aus Schönau bietet mit dem „Ped-Power“ inzwischen einen Mittelmotor an, der über ein 14-zähniges Ritzel die Kette antreibt. Als Energiespeicher liefern die Schwarzwälder dazu Lithium-Ionen-Akkus mit 10 Ah oder 14 Ah bei 36 V. Als nutzbare Energie stehen beim größeren damit gut 500 Wh bereit, die bei Flachlandtouren für 90 km Reichweite gut sind.

Bosch setzt bei E-Bikes auf Pedelecs

Neben den etablierten Antriebslieferanten hat auch Bosch in kürzester Zeit in dem Boommarkt Fuß gefasst. Basierend auf langjähriger Erfahrung mit Lithium-Ionen-Akkus für Elektrowerkzeuge und mit Mess-, Regel- und Steuersystemen für elektrische Antriebe haben die Stuttgarter ein Antriebspaket für Pedelecs zusammengestellt. Inhalt: Ein 250-W-Motor, der 40 Nm (50 Nm peak) auf die Kurbelwelle überträgt und Strom aus einem Lithium-Ionen-Akkupack mit 288 Wh (8 Ah/36 V) bezieht, sowie ein Bordcomputer, der den Fahrer informiert und über den dieser die Antriebsleistung steuern kann. Obwohl das System erst seit wenigen Monaten in Serie ist, setzen bereist 18 Pedelec-Hersteller darauf. Angesichts dieses Erfolgs kündigt der Zulieferer für die Saison 2012 auch ein 45 km/h-System für zulassungspflichtige E-Bikes an.

Bis dahin dürfte auch das frisch gegründete Joint Venture das Automobilzulieferers Brose mit SEW-Eurodrive erste Antriebe liefern. Im Februar hatten beide Unternehmen angekündigt, im Markt für Pedelecs und E-Bikes mitmischen zu wollen. Besonderes Augenmerk wollen sie auf induktive Ladesysteme legen, um mit kleineren, schnell aufladbaren Akkus leichtere Pedelecs zu ermöglichen. Solche Pläne zeigen: Die Zukunft der Antriebstechnik am Zweirad hat gerade erst begonnen. Käufer werden künftig noch mehr Antriebsvarianten finden die Qual der Wahl wird zunehmen.

Ein Beitrag von:

  • Peter Trechow

    Peter Trechow ist Journalist für Umwelt- und Technikthemen. Er schreibt für überregionale Medien unter anderem über neue Entwicklungen in Forschung und Lehre und Unternehmen in der Technikbranche.

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