Die Sonne produziert die ersten E-Fuels
In Jülich produziert das Schweizer Unternehmen Synhelion erstmals umweltneutrale Treibstoffe mit Solarenergie. Luft- und Schifffahrt sowie Straßenfahrzeuge und Bahnen sollen versorgt werden.
Europas Autobauer stecken in der Krise. Nationale Politiker und die der Europäischen Union haben einen Hype um die Elektromobilität entfacht, der sonst nüchterne Manager unzählige Milliarden locker machen ließ, die sie in die Entwicklung von Elektroautos steckten. Auf denen bleiben sie jetzt sitzen. Die wenigen Politiker, die auf Technologieoffenheit gesetzt hatten, könnten jetzt triumphieren.
Mit E-Fuels als mächtige Ergänzung zur Elektromobilität gelänge die Wende auf dem Verkehrssektor weitaus kostengünstiger und schneller. Vor allem müsste die Infrastruktur nicht verändert werden. Raffinerien sind da, Tankstellen auch, und vor allem Hunderte Millionen Autos. Elektromobilität erfordert dagegen Ladesäulen möglichst an jedem Parkplatz und teure Neuanschaffungen.
Solares Syncrude wird in Raffinerien veredelt
Dass E-Fuels unbezahlbar sind will das Schweizer Unternehmen Synhelion widerlegen, das aus der renommierten Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) hervorgegangen ist. In Jülich bei Aachen ist die erste Anlage in Betrieb, die im industriellen Maßstab Syncrude herstellt, gewissermaßen synthetisches Erdöl, das wie dieses in klassischen Raffinerien zu Treibstoffen wie Kerosin, Benzin und Diesel veredelt wird.
Als Energielieferant dient die Wärmestrahlung der Sonne, die ein Spiegelfeld rund um einen Solarturm auf einen Receiver an der Spitze des 20 Meter hohen Turms der Anlage namens Dawn konzentriert. Die dort eintreffende Wärmeleistung von bis zu 600 Kilowatt erzeugt eine Temperatur von bis zu 1200 Grad Celsius. Das reicht, um in einem Reaktor, der sich ebenfalls im oberen Bereich des Turms befindet, aus Wasser und Kohlenstoffdioxid (CO2) aus der Luft Synthesegas (Syngas) zu erzeugen, ein Gemisch aus Wasserstoff und Kohlenstoffmonoxid.
Keramischer Wärmespeicher für den Nachtbetrieb
Ein Teil der solaren Wärme wird tagsüber abgezweigt und in einem keramischen Speicher aufbewahrt. Diesen hat die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) in Dübendorf und zwei anderen Standorten in der Schweiz beigesteuert. Keine der auf dem Markt erhältlichen Hochtemperaturziegel waren für die extremen Bedingungen in diesem Wärmespeicher geeignet. Sie müssen schließlich einmal pro Tag ihre Wärme an Wasser abgeben, damit der Reaktor auch nachts Syngas produzieren kann.
2025 entsteht die nächstgrößere Anlage
Zwei Jahre dauerte es, bis die Empa-Forscher Gurdial Bluganund Sena Yüzbasi zusammen mit Synhelion die perfekte Keramik entwickelt hatten, die die Belastung über Jahre aushält. Die Korrosionsbeständigkeit war dabei jedoch nur ein Aspekt.
Das Material sollte auch eine hohe Wärmekapazität haben, mechanisch robust sein und Temperaturschocks aushalten, die beim Herunterfahren der Anlage entstehen. Außerdem musste es günstig zu produzieren sein. Jetzt arbeiten die Empa-Forscher an der Weiterentwicklung der Ziegel für die nächste größere Anlage, die ab 2025 in Spanien gebaut werden soll.
Ähnlich wie Erdöl, nur reiner
Syngas ist Ausgangsmaterial für eine breite Palette an Treibstoffen und Heizöl. In etablierten Gas-to-Liquid-Verfahren können Kerosin, Benzin, Diesel, Methanol, Heizöl und andere Kohlenwasserstoffe hergestellt werden, oder auch Syncrude, das dem Erdöl ähnelt, aber reiner ist. Vorteil dieses Verfahrensschritts: Die existierenden Raffinerien, die auf die großtechnische und kostengünstige Veredelung von Erdöl spezialisiert sind, könnten diese Aufgabe übernehmen, sodass teure Neubauten überflüssig würden. Bei der Verbrennung der Treibstoffe wird nur so viel CO2 frei wie zuvor bei der Produktion aus der Luft entnommen worden ist.
Fluggesellschaft Swiss ist erster Nutzer
In den von Synhelion geplanten Nachfolgeanlagen sollen Treibstoffe mit Kosten von einem Euro pro Liter hergestellt werden. Sie sollen natürlich in sonnenreichen Regionen gebaut werden, sodass sie tatsächlich rund um die Uhr produzieren können. „Wir glauben an eine globalisierte Welt, in der Menschen umweltverträglich reisen und persönliche sowie berufliche Beziehungen pflegen können“, heißt es bei Synhelion.
„Da flüssige Treibstoffe weiterhin für Reisen, Transport und Güterverkehr benötigt werden, müssen wir auf nachhaltige, sauberere Alternativen umsteigen. Unsere Solartreibstoffe tragen zur globalen Energiesicherheit und Unabhängigkeit von fossilen Treibstoffen bei. Sie schließen den CO2-Kreislauf und fördern eine Welt, die durch saubere und nachhaltige Mobilität verbunden ist.“ Erster Abnehmer von synthetischem Kerosin aus Jülich ist die Schweizer Fluggesellschaft Swiss.
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