Die Zündkerze stößt an ihre Grenzen
Auf der Suche nach Effizienzpotenzialen von Ottomotoren geraten die Zündverfahren ins Visier: Magerbetrieb, hohe Verdichtung und Abgasrückführung sollen die Wirkungsgrade deutlich steigern. Doch die gute alte Zündkerze kann die inhomogenen, luftlastigen Gemische nicht zuverlässig entflammen. Neue Zündverfahren müssen her.
„Vor dem Hintergrund der CO2-Gesetzgebung brauchen wir bis 2020 entweder ertüchtigte konventionelle Zündungen oder revolutionäre Ansätze im Bereich Zündsysteme“, mahnte Rüdiger Herweg, Teamleiter für ottomotorische Brennverfahren in der Daimler-Forschung, kürzlich auf der von der Ingenieurgesellschaft Auto und Verkehr (IAV) ausgerichteten 1. Internationalen Fachtagung „Zündsysteme für Ottomotoren“ in Berlin.
Die Messlatte liegt hoch: Im Schnitt 95 g CO2/km soll die in der EU verkaufte Neuwagenflotte ab dem Jahr 2020 nur noch ausstoßen. Weil sich Hybride und Stromer aber schleppend verkaufen, müssen die Autohersteller nun bei Verbrennungsmotoren alle Register ziehen: Turboaufladung, variabler Ventiltrieb, variable Verdichtung sowie Direkteinspritzung verbunden mit Ladungsschichtung, abgemagerten Gemischen oder Abgasrückführung sollen die Wirkungsgrade von Benzinern in Teil- wie in Volllast steigern, ohne die Laufruhe zu beeinträchtigen.
Die konventionelle Zündkerze muss künftig unter Extrembedingungen zünden
„Wir müssen die Gemischbildung, die Zündung und Flammausbreitung beherrschen“, erklärte Herweg. Die Daimler-Forschung setze darauf, je nach Last verschiedene Brennverfahren zu nutzen. Die Strategie werde dazu führen, dass häufiger extrem mageres, inhomogenes und mit Restgas versetztes Gemisch zu zünden sein wird. Unter diesen Randbedingungen stößt die Zündkerze an Grenzen, zumal Temperatur-, Druck- und Strömungsverhältnisse im Brennraum des Ottomotors das Entflammen und rasche Durchbrennen des luftlastigen Gemischs erschweren.
Neue Verfahren müssen her. Herweg formulierte konkrete Anforderungen: „Sie müssen die zuverlässige Zündung stark verdünnter Gemische und verschiedener Kraftstoffe ermöglichen, genug Energie für eine schnelle Flammenausbreitung bereitstellen, und die exakte Steuerung von Zündzeit, -ort und -intervallen erlauben. Obendrein muss das Kosten-Nutzen-Verhältnis stimmen“, so der Daimler-Ingenieur.
Die Zündkerze kommt aus Zeiten, in denen ein ausgeglichener Luft-Kraftstoffanteil (l = 1) als optimal galt. Heute will die Branche Ottomotoren mit stark erhöhtem Luftanteil bis l = 1,6 in Volllast und l = 3 in Teillast betreiben. Zündkerzen spielen aber nur im l-Bereich von 0,7 bis 1,4 mit. Im Magerbetrieb steigt die Gefahr von Zündabrissen, verfrühten, verspäteten oder ausbleibenden Zündungen, unruhigem Motorlauf, Klopfen, Spülverlusten sowie erhöhter Schadstoffbildung.
Zwei bis drei Zündkerzen pro Zylinder sollen die Verbrennung im Magerbetrieb stabilisieren
Auf der Tagung standen deshalb neue Verfahren im Mittelpunkt: Koichi Nakata referierte über Toyotas Versuche mit zwei und drei Zündkerzen pro Zylinder, die die Verbrennung im Magerbetrieb stabilisieren und gegenüber dem l=1-Betrieb über 10 % Kraftstoffersparnis versprechen. Ähnliche Verbrauchsvorteile stellte Yuji Ikeda von Imagineering Inc. für eine Mikrowellen-Plasma-Zündung in Kombination mit hoher Abgasrückführungsrate in Aussicht. Versuche mit Daihatsu ließen auf stabile Verbrennung bei stark verdünntem Gemisch und einer Verdichtung von 15:1 schließen, ohne dass es zum gefürchteten Klopfen komme.
Laut Ikeda nähert sich die Mikrowellen-Plasma-Zündung dank konsequenter Miniaturisierung und Kostenreduktion anders als die noch im Forschungsstadium befindlichen Laser-Zündungen bereits der Wettbewerbsfähigkeit. Allerdings bleibe bis zur Markteinführung viel zu tun noch glänzen die Systeme nur auf dem Prüfstand. Fahrversuche stehen aus.
Kommen solche revolutionären Zündverfahren oder reicht eine Evolution am Zylinderkopf? VW-Ingenieur Hannes Nitschke tendiert eher zur Revolution. Er zitierte eine aktuelle Studie, wonach moderne Ottomotoren im NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus) ganze 20 % Wirkungsgrad erreichen. Mittel, um das zu ändern, sind bekannt. Etwa höhere Verdichtung. Der Sprung von 9:1 auf 11:1 böte laut Nitschke über 3 % Wirkungsgradpotenzial – wären da nicht Klopfneigung, Reibungs- und Wandwärmeverluste. Letztere sind durch Senken der Verbrennungstemperatur mit gekühltem rückgeführtem Abgas in den Griff zu bekommen, was im NEFZ 1,1 % mehr Wirkungsgrad bringt – sofern das magere, gekühlte und mit Abgas versetzte Gemisch zündet und durchbrennt.
Als weiteren Ansatz nannte Nitschke das Minimieren der Ladungswechselverluste. Öffne sich das Einlassventil kurz vor dem Ladungswechsel, werde Abgas ins Saugrohr geschoben, was die angesaugte Frischluftmenge senkt. Hebt man den Druck im Saugrohr zusätzlich an, eröffnet sich ein Effizienzpotenzial von über 4 %, das jedoch zulasten der Laufruhe geht – und deshalb nicht nutzbar ist.
Alternativen zur konventionellen Zündkerze gefragt
Sobald die Entwickler in den komplexen Verbrennungsvorgang eingreifen, um die Effizienz zu steigern, stoßen sie an anderer Stelle an Grenzen. „Hier tut sich ein ganz klares Arbeitsfeld für neuartige Zündsysteme auf“, stellte Nitschke klar. Während bei geringen Drehzahlen das Klopfen Potenziale verstellt, ist bei Volllast zu heißes Abgas das Problem. Abmagerung und Abgasrückführung lindern beide Probleme, setzen aber leistungsfähige Zündsysteme voraus.
VW hat laut Nitschke zwei „innovative Zündsysteme“ in einem 1,4-l-Turbo-Vierzylinder erprobt, den die Entwickler um Nockenwellensteller und Abgasrückführung erweitert hatten. Die Zündsysteme erlaubten starke Abmagerung ohne Aussetzer und höhere Mitteldrücke ohne Anstieg der Abgastemperatur. Der Motor lief bei Volllast ohne Leistungseinbußen mit höherem Wirkungsgrad, was Nitschke u. a. auf schnelleres Durchbrennen des Gemischs zurückführte.
Bei Teillast stieg der Wirkungsgrad des entdrosselten Motors dank Abgasrückführung und erhöhter Zündenergie im NEFZ effektiv um 1 %, ohne Einbußen bei der Laufruhe. Die Tests haben einen direkten Zusammenhang zwischen Zündenergie, Zündverzug und Brenndauer gezeigt, der es Entwicklern künftig erlauben dürfte, Ottomotoren bei höheren Mitteldrücken zu betreiben, ohne dass die kritischen Abgastemperaturen steigen. Die VW-Ingenieure hoffen, mit diesen Zündungen die Effizienzpotentiale neuer Brennverfahren heben zu können.
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