Diese Ampeln machen Staus wirklich kürzer
Das klingt wirklich verlockend – zu wissen, wie lange die Ampel noch grün ist. Und noch besser: Das eigene Reiseziel beeinflusst die Ampelsteuerung. Wer schon lange vor roten Ampeln gewartet hat, der wird bevorzugt und bekommt längere Grünphasen. Ideen, die Ingenieure des DLR in Braunschweig erproben.
Erstaunlich, welche neuen Steuerungsmöglichkeiten die künftige Vernetzung von Autos erlaubt. Wenn Autos über die Car2X-Technik auch mit der Verkehrsinfrastruktur kommunizieren, dann können zum Beispiel Ampelsysteme den Verkehr, der auf sie zurollt, nicht nur besser im Griff haben. Sie können ihn auch über flexible Grün- und Rotzeiten viel besser steuern. In Braunschweig erproben Ingenieure des Instituts für Verkehrssystemtechnik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt derzeit solche Ampeln im Rahmen des von der Helmholtz-Gemeinschaft geförderten Forschungsprojektes VITAL.
Schon seit Jahren beschäftigen sich die Ingenieure mit diesem Thema und waren zum Beispiel stolz darauf, dass Ampeln im Autodisplay die Wartezeit bis zum Grünlicht angeben können oder das Tempo für die Grüne Welle anzeigen.
Doch jetzt gehen die Braunschweiger einen Schritt weiter. Wenn die Autos ihr Fahrziel übermitteln, die geplante Wegstrecke und die bisher angesammelten Zeiten, die sie vor Ampeln und im Stau verbracht haben, dann könnte man Autos mit langen bisherigen und künftigen Wartezeiten bevorzugen. Und das geht.
Ampeln können Grünphasen stark variieren
Denn Ampelphasen sind nicht so starr wie man glaubt. Rund die Hälfte aller Ampeln haben feste Umlaufzeiten. Die anderen verfügen zum Beispiel über Induktionsschleifen und Kameras, die den Verkehr erfassen und die Spielräume für Rot- und Grünphasen dem Verkehrsaufkommen anpassen. „Viele Ampeln haben eine variable Umlaufzeit, die zwischen 45 und 120 Sekunden liegt“, weiß Prof. Karsten Lemmer, Leiter des DLR-Instituts für Verkehrssystemtechnik in Braunschweig.
Und diese Ampelphasen muss man nicht nur dem Verkehrsaufkommen anpassen. Warum nicht auch die Fahrziele der Autofahrer und die Wartezeiten für die Entscheidung berücksichtigen, welche Fahrtrichtung länger Grün erhält? Das Prinzip: „Das Auto mit der größten Verlustzeit bekommt dann zuerst Grün“, so Lemmer.
Zeitersparnis bis zu 4,2 Sekunden pro Fahrzeug
Am Tostmannplatz in Braunschweig haben die Forscher nun erstmalig ein so genanntes verlustzeitbasiertes und ein kooperatives Steuerungsverfahren getestet und mit der bisherigen Ampelsteuerung verglichen. Die Ergebnisse haben die Braunschweiger Forscher selbst überrascht. Die neue Ampelregelung hat die Wartezeit der 800 Autofahrer, die die Kreuzung im Schnitt pro Stunde passieren, je nach Verkehrslage und Steuerungsart um 1,4 bis 4,2 Sekunden pro Fahrzeug reduziert. Bei 16 Stunden Betriebszeit kamen so eingesparte Wartezeiten von in der Summe zwischen 5 und 15 Stunden zusammen – an nur einer Kreuzung!
„Anhand dieser ersten Zahlen wird deutlich, dass es sich lohnt, an neuen Ampelsteuerungsverfahren zu forschen und diese an noch weiteren Kreuzungen zu testen, um hier langfristige Effekte beobachten zu können“, erklärt Prof. Lemmer.
Ampeln wissen, was auf sie zukommt
Und was genau haben die DLR-Forscher verändert? Bei der auf Verlustzeiten optimierten Steuerung werden die laufenden Grünphasen innerhalb der maximal zulässigen Ampelphasen so lange verlängert, bis dort alle Fahrzeuge, die bereits Verlustzeit angesammelt haben, weitergefahren sind. Das ermöglichte die in der Spitze die bis zu 15 Stunden reduzierte Gesamtwartezeit.
Beim kooperativen Verfahren wird eine verkehrsabhängige Steuerung mit dem Ampelassistenten GLOSA (Green Light Optimized Speed Advisory) verknüpft. Die Fahrzeuge werden mittels Car2X-Kommunikation schon erfasst, wenn sie sich noch weit vor der Ampel auf den Zufahrtstraßen befinden. Das System prognostiziert deren weitere Fahrtverläufe und berechnet, wann die Autos an der Ampel eintreffen. Dadurch kann die Ampelanlage an einer Kreuzung die Freigabezeiten entsprechend optimieren, also beispielsweise die Grünphasen verkürzen oder verlängern.
Schon 36 Kreuzungen mit intelligenter Technik
Die so errechneten Schaltzeitpunkte werden dann zurück an die Fahrzeuge übermittelt für Hinweise zur Geschwindigkeitsanpassung. „Mit diesem Verfahren konnten wir die Wartezeit in unseren Versuchen je nach Verkehrslage zeitweise um bis zu fünf Prozent reduzieren, das entspricht bis zu fünf Stunden pro Tag“, berichtet Robert Oertel, der das aktuelle Forschungsprojekt VITAL leitet.
Eigens für den Testdurchlauf am Tostmannplatz in Braunschweig wurden Magnetfeldsensoren in der Straße eingebaut. Überfährt ein Fahrzeug diese Sensoren, übermitteln diese eine Information an die Ampel. „Die Magnetfeldsensoren sind quasi unsere Ersatztechnologie, bis ausreichend viele Fahrzeuge mit der Car2X-Technologie ausgestattet sind“, erklärt Oertel. „Wenn zukünftig eine große Anzahl an Fahrzeugen mit Car2X fährt, dann erwarten wir weiteres Verbesserungspotential.“
Um das zu erproben, haben die Ingenieure schon vorgesorgt. Für einen großen Test sind inzwischen 36 Ampelkreuzungen in Braunschweig im Rahmen der Anwendungsplattform Intelligente Mobilität (AIM) mit Car2-X-Kommunikationstechnik ausgestattet.
Natürlich arbeiten auch längst zahlreiche Unternehmen an der Technik, die die Car2X-Technologie nutzt, zum Beispiel der Elektronikkonzern Siemens, der entsprechende Sensor- und Kommunikationstechnik testet. Dabei sorgt Siemens mit einer App dafür, dass auch Radfahrer ohne Car2X-Technik von den intelligenten Ampeln nicht übersehen werden.
Ein Beitrag von: