Dieser ICE ist der Güterzug der Zukunft
Könnten Güterzüge nicht so aerodynamisch sein wie ein ICE? Und so schnell und leise? Die Krönung: Einzelne Wagons fahren selbstständig per Elektroantrieb und Autopilot zum Kunden. Genau so sieht der Güterzug der Zukunft nach einer Idee des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt aus.
Die Idee überzeugt: Güterwagons sind in Zukunft nicht nur geschlossen, sie können auch automatisch bestückt werden. Sind sie vollgeladen, arrangieren sie sich automatisch zu Güterzügen, die dann gemeinsam zu einem Zielbahnhof fahren, von wo aus sie sich mit eigenem Antrieb und autonomer Steuerung auf den Weg zum Empfänger machen. Autonom fahrende Güterwagons auf der Schiene – das ist das nach Einschätzung der Verkehrsforscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Stuttgart die Zukunft des Güterverkehrs auf der Schiene.
Next Generation Train Cargo, kurz NGT Cargo, nennt sich das Konzept, das den Güterverkehr auf der Schiene retten will. Denn derzeit konzentriert sich die Bahn auf gleiche Güter, die in großen Mengen auf der Schiene transportiert werden können. Dabei geht es um Schüttgut wie Kohle, Rohstoffe, chemische Produkte oder Waren, die in großen Mengen transportiert werden müssen wie Autos.
Transport kleinerer Warenmengen nimmt stark zu
Doch das große Wachstum bringt derzeit der Transport kleinerer Warengruppen, etwa auf Paletten. Und die werden derzeit per Lkw transportiert. Der Transport über die Bahn ist zu kompliziert, zu teuer und dauert viel zu lange. Hier könnte das neue Konzept des DLR den Weg weisen.
Für Deutschland rechnet man bis zum Jahr 2030 mit einem Anstieg um fast 40 %. „Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir innovative Logistik-, Produktions- und Fahrzeugkonzepte wie den NGT Cargo entwickeln, um die gesellschaftlichen, ökologischen und ökonomischen Vorteile des Schienengüterverkehrs zu erschließen“, erklärt DLR-Forscher Dr. Joachim Winter, der das Projekt Next Generation Train (NGT) leitet.
Automatisierte Umschlagbahnhöfe für Waren
Die Forscher schlagen Hubs vor, in denen die Güterzüge der Zukunft automatisch beladen werden. Waren mit gleichem Ziel werden natürlich gebündelt, jede Ware ist gekennzeichnet und durch das Internet der Dinge dauernd sichtbar.
Die automatisch fahrenden Güterzüge sollen je nach Bedarf aus Einzelwagen und leistungsstarken Triebköpfen zusammengestellt und automatisch gekuppelt werden. „So können wir unterschiedlichste Güter flexibel, ressourcenschonend, mit geringem personellen Aufwand und kurzen Transportzeiten befördern“, so Winter.
Güterzüge bringen Waren mit nur 18 km/h zum Ziel
Und warum soll das so schnell gehen? Derzeit werden Güterzüge sehr umständlich durch Rangierloks zusammengestellt. Die Lok muss jeden einzelnen oder mehrere Wagons abholen und im Rangierbahnhof zu einem großen Zug zusammenstellen. Das dauert oft mehrere Tage. Auch das Entkoppeln der Güterzüge und der Transport einzelner Wagons zum Kunden dauert lange.
„Eine Vielzahl manueller Kupplungsvorgänge führt zu langen Stillstandszeiten der einzelnen Wagen und einer durchschnittlichen Systemgeschwindigkeit von nur 18 km/h im Einzelwagenverkehr. Rund fünf Tage Vorlaufzeit sind notwendig, um Personal, Material und Trassen zur Verfügung zu stellen“, so Winter. „Das Zusammenstellen und Trennen von Wagen, deren Abholung und Zustellung sind sehr ressourcen- und zeitintensiv und verursachen rund 30 bis 40 % der Gesamtkosten.“
Güterzüge mit gleichem Ziel stellen sich selbst zusammen
Die Verkehrsforscher schlagen nun Wagons vor, die über einen eigenen Elektroantrieb samt Batterie verfügen und so selbstständig rangieren können. Der Zug stellt sich also praktisch von selbst zusammen. Die Wagons und Rangiertätigkeiten sind nicht mehr auf Rangierloks angewiesen.
Auch bei der Zustellung der Waren hat das Konzept enorme Vorteile. Denn ist der Zug am zentralen Zielbahnhof angekommen, können die Einzelwagen automatisch und autonom die letzten Kilometer zum jeweiligen Kunden fahren. „Dazu ist jeder Einzelwagen mit entsprechender Sensorik ausgestattet. Er kann so zum Beispiel auch jederzeit lokalisiert werden und die Kunden können exakte Angaben zum aktuellen Status und der erwarteten Ankunftszeit ihrer Fracht erhalten“, beschreibt Ingenieur Winter.
Die Wagen können auch direkt in Häfen, Umschlagsbahnhöfe oder Logistikterminals hineinfahren bis hin zu den Hochregalen, wo sie dann ebenfalls automatisiert be- oder entladen werden.
Güterzüge sollen hohe Geschwindigkeiten erreichen
Sind die einzelnen Wagons zu einem Güterzug zusammengekoppelt, sehen sie nicht nur aus wie ein moderner ICE. Sie sollen auch so schnell fahren. Auf den aktuellen Güterverkehrsstrecken sollen die neuen NGT Geschwindigkeiten zwischen 160 und 200 km/h erreichen. Auf eigenen Hochgeschwindigkeitsstrecken für den Güterverkehr sollen auch bis zu 400 km/h möglich sein.
Seit rund zehn Jahren forscht das DLR an Zugkonzepten der Zukunft. Diese sollen nicht nur schnell und komfortabel sein, sondern vor allem Energie einsparen und deutlich leiser sein. Ein Konzept für einen Passagierzug der Zukunft hatte das DLR 2014 vorgestellt.
Schon in die Tat setzt China seine Visionen für den Zugverkehr um. Das Land hat damit begonnen, ein Schnellzugnetz mit 11.000 km Länge zu bauen, das bereits 2020 fertiggestellt sein soll.
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