Bidirektionales Laden 30.10.2024, 08:30 Uhr

E-Autos als Stromspeicher: Neue Studie sieht enormes Sparpotenzial

Bidirektionales Laden von E-Autos könnte europaweit 22 Mrd. Euro pro Jahr einsparen. Die Fahrzeuge nutzen überschüssigen Strom und stabilisieren das Netz.

E-Auto laden

Durch bidirektionales Laden lassen sich in Europa jährlich mehrere Milliarden Euro sparen.

Foto: PantherMedia / Kiyoshi Takahase Segundo

Die Nutzung von Elektroautos (E-Autos) als mobile Stromspeicher könnte in Europa Milliarden sparen und die Energiewende erheblich vorantreiben. Eine aktuelle Studie der Fraunhofer-Institute für Solare Energiesysteme (ISE) und für System- und Innovationsforschung (ISI) im Auftrag des Interessenverbands Transport & Environment (TE) zeigt das große Potenzial des sogenannten bidirektionalen Ladens auf. Dieses Konzept könnte sowohl die Kosten für das Energiesystem als auch die Stromrechnungen der Nutzerinnen und Nutzer senken.

Kostensenkung durch bidirektionales Laden

Der Ansatz des bidirektionalen Ladens erlaubt es Elektrofahrzeugen, Strom aus dem Netz aufzunehmen und bei Bedarf zurückzuspeisen. Diese Technologie könnte laut Studie die Kosten im europäischen Energiesystem um bis zu 22 Milliarden Euro pro Jahr senken. Der sogenannte „vehicle-to-grid“-Ansatz (V2G) beschreibt die Rückspeisung von Strom ins Netz. Dieses Konzept unterstützt die Netzstabilität und erlaubt es, günstigen Solar- und Windstrom in den Tagesstunden zu speichern und zu nutzen, wenn die Nachfrage am Abend steigt.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sagte: „E-Autos können als mobile Stromspeicher enorm zur Stabilisierung des Stromsystems beitragen. Ihre Batterien können zur Zwischenspeicherung elektrischer Energien genutzt werden und schaffen so zusätzliche Flexibilität.“

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Sparpotenzial für Haushalte

Besonders für private Haushalte eröffnet das Konzept „vehicle-to-home“ (V2H) interessante Möglichkeiten. Hierbei dient das E-Auto als Energiequelle für den eigenen Haushalt und senkt die Stromkosten erheblich. Nutzer*innen können ihren Strombedarf aus der Autobatterie decken, wenn die Netzpreise am höchsten sind, beispielsweise in den Abendstunden. Bei niedrigem Bedarf und günstigem Strompreis, wie nachts, kann das Fahrzeug wieder geladen werden.

Laut der Studie des Fraunhofer-Instituts könnten Haushalte mit einem bidirektionalen Ladeansatz jährlich bis zu 700 Euro einsparen. Wenn zusätzlich die Einspeisung ins Netz genutzt wird, können die Nutzer*innen durch Vergütungen sogar noch mehr profitieren.

Reduzierter Investitionsbedarf für das Energiesystem

Die Umstellung auf bidirektionale E-Autos als Stromspeicher hat noch weitere positive Auswirkungen auf das Energiesystem. Durch die Nutzung der Fahrzeuge als flexible Speicherressource ließe sich der Investitionsbedarf für stationäre Batteriespeicher und Reservekraftwerke deutlich reduzieren. Die Studie schätzt, dass der europäische Energiesektor dadurch zwischen 2030 und 2040 bis zu 100 Milliarden Euro weniger investieren müsste. Dies entspräche fast dem Gesamtbudget der EU für das Jahr 2023.

Das Fraunhofer-Institut hebt hervor: „Die wirtschaftlichen Einsparungen durch eine weitverbreitete Einführung des bidirektionalen Ladens könnten erheblich sein.“

Integration erneuerbarer Energien unterstützen

Ein weiterer Vorteil des bidirektionalen Ladens ist die Unterstützung der Integration erneuerbarer Energien. E-Autos als mobile Stromspeicher ermöglichen es, erneuerbare Energien effektiver ins Netz einzuspeisen und deren Nutzung zu flexibilisieren. Solarenergie, die tagsüber in großen Mengen erzeugt wird, könnte gespeichert und bei Bedarf wieder ins Netz eingespeist werden. Die Studie geht davon aus, dass durch diese Technologie bis 2040 rund 430 GW zusätzliche Solar-PV-Kapazität in der EU verfügbar gemacht werden könnten.

Technologische Herausforderungen

Obwohl das bidirektionale Laden große Vorteile verspricht, gibt es noch technische und regulatorische Hürden. E-Autos arbeiten mit Gleichstrom, während das Netz Wechselstrom benötigt, weshalb für die Rückspeisung spezielle Ladestationen nötig sind. Diese können im Fahrzeug selbst oder durch spezielle Wallboxen installiert werden. Die Studie empfiehlt, einen Standard für bidirektionale Ladefähigkeiten zu entwickeln, um eine breite Nutzung zu fördern.

Einheitliche technische Standards und Ladeinfrastruktur sind entscheidend, um die Interoperabilität der Systeme zu gewährleisten und die Einführung des bidirektionalen Ladens für alle Nutzerinnen und Nutzer attraktiv zu machen.

Lesetipp: Stephan W. Eder hat auf unserer Schwesterseite vdi-nachrichten.com einen interessanten Kommentar zum Thema bidirektionales Laden geschrieben.

Politische Rahmenbedingungen

Ein zentrales Hindernis für die Umsetzung des bidirektionalen Ladens sind die noch unzureichenden politischen und regulatorischen Vorgaben. Die Studie fordert von der EU, gesetzliche Maßnahmen zu ergreifen, damit ab 2025 alle neuen Elektrofahrzeuge bidirektionales Laden unterstützen. Nur durch verbindliche Rahmenbedingungen kann diese Technologie zur Standardlösung werden.

Die Implementierung einer bidirektionalen Ladeinfrastruktur im öffentlichen und privaten Bereich könnte ebenfalls gefördert werden. Damit das volle Potenzial dieser Technologie ausgeschöpft werden kann, sind Anreize notwendig, die es für Haushalte und Unternehmen wirtschaftlich attraktiv machen, E-Autos als Stromspeicher einzusetzen.

Fazit: E-Autos als Schlüssel zur Energiewende

Die Nutzung von Elektrofahrzeugen als mobile Stromspeicher bietet nicht nur finanziellen Nutzen, sondern könnte auch entscheidend zur Stabilisierung des Energiesystems beitragen. Durch die Rückspeisung von Energie ins Netz und die Integration erneuerbarer Energien fördern E-Autos die Flexibilität und Resilienz des Stromsystems. Doch um diese Vorteile zu realisieren, bedarf es einer konsequenten Einführung und klaren regulatorischen Vorgaben.

Das Fraunhofer-Institut betont, dass bidirektionales Laden eine „wichtige Rolle in der europäischen Energieinfrastruktur übernehmen“ könnte. Damit diese Technologie jedoch zur Realität wird, müssen sowohl die technische Interoperabilität als auch die politischen Voraussetzungen geschaffen werden. (mit dpa)

Hier geht es zur Fraunhofer-Studie

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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