Interview mit Stephan Erler 26.11.2019, 11:32 Uhr

easyJet setzt auf CO2-neutrale Flüge

Die Airline easyJet plant als erste Fluglinie den gesamten Ausstoß mit Klimaschutzprojekten zu kompensieren. Ingenieur.de hat nachgefragt und mit dem Country Manager Deutschland, Stephan Erler, ein Interview geführt.

EasyJet-Maschinen am Flughafen Gatwick: Die Briten sind der drittgrößte Billigflieger der Welt.

EasyJet-Maschinen am Flughafen Gatwick: Die Briten sind der drittgrößte Billigflieger der Welt.

Foto: EasyJet

Die europäische Fluglinie easyJet hat bei der Vorstellung der Geschäftszahlen 2019 ein Versprechen abgegeben: es soll in Zukunft CO2-Netto-Nullemissionen für alle ihre Flüge netzwerkweit geben. Die bei der Treibstoffverbrennung der Flugzeuge verursachten Kohlendioxid-Emissionen werden mit Klimaschutzprojekten an anderer Stelle kompensiert.

ingenieur.de: Wie kam es zu dem Vorstoß als erste große Fluglinie die durch Treibstoffverbrennung verursachten CO₂-Emissionen aller easyJet-Flüge mit Klimaschutzprojekten zu kompensieren?

Stephan Erler: Alle Unternehmen stehen vor der Herausforderung, ihren ökologischen Fußabdruck und ihren Beitrag zur globalen Erwärmung zu minimieren. easyJet nimmt diese Verantwortung ernst.

Wir arbeiten ständig daran, unseren Treibstoffverbrauch und unsere CO2-Emissionen weiter zu senken und investieren in die Entwicklung neuer Technologien der Zukunft, wie z.B. Hybrid-Elektroflugzeuge.

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Wir sind uns bewusst, dass die CO2-Kompensation für Flüge mit Netto-Null-Emissionen nur eine Übergangsmaßnahme sein kann, während diese neuen Technologien entwickelt werden. Dennoch sind wir davon überzeugt, dass es im Moment der beste Weg ist, um der Atmosphäre CO2 zu entziehen. Langfristig wird sich die Luftfahrtindustrie neu erfinden müssen. Ziel ist es für easyJet, den Umfang der CO2-Kompensation entsprechend neuer Technologien zu reduzieren.

Um welche Klimaschutzprojekte handelt es sich denn?

Wir haben nur Programme ausgewählt, die den weltweit anerkannten Verifizierungsstandards Gold Standard oder Verified Carbon Standard (VCS) entsprechen. Für den Ausgleich stehen verschiedene Projekte zur Verfügung, die der Atmosphäre auf jeweils andere Art und Weise CO2 entziehen oder unterschiedliche Möglichkeiten zur Reduzierung von Kohlenstoffemissionen bieten. Diese Projekte lassen sich in Natur-basierte Projekte, sowie Projekte rund um erneuerbare Energien und Gemeinschaftsprojekte unterteilen.

Forstwirtschaftliche/Natur-basierte Projekte betreffen in der Regel die Forstwirtschaft und die Landnutzung. Diese Projekte lassen sich in 2 Hauptgruppen einteilen: Aufforstung bzw. Bewaldung und Verhinderung der Abholzung. Aufforstungs- und Bewaldungsprojekte entziehen der Atmosphäre Kohlenstoff, indem sie Bäume pflanzen und bis zur vollständigen Reife pflegen. Während des Wachstums nehmen Bäume CO2 aus der Luft auf und wandeln es in Rinde um. Umgekehrt bieten Projekte, die Abholzung verhindern (auch „reducing emissions from deforestation and forest degradation“  oder „REDD“-Projekte genannt) Anreize, Wälder vor dem Abbau zu schützen. Darüber hinaus zielen die Projekte darauf ab, nachhaltigere Praktiken der Landnutzung für die Langlebigkeit der Projekte und die Reduzierung der CO2-Emissionen zu fördern.

Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien finanzieren erneuerbare Energiequellen, um die Verwendung fossiler Brennstoffe zur Energieerzeugung zu ersetzen und die damit verbundenen Emissionen zu senken. Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien fördern eine Reihe von Energiequellen, darunter Solar-, Wind-, hydrothermale und geothermische Energie.

Die Gemeinschafts- und Wasserprojekte konzentrieren sich auf die Zusammenarbeit mit den lokalen Gemeinschaften, um eine CO2-neutralere Lebensweise zu fördern. Dazu zählt die Verteilung von sauber brennenden Kochherden oder die Installation von Wasserbrunnen. Sauberere Kochherde benötigen weniger Holz oder verwenden alternative, sauberere Brennstoffe, wodurch der Gesamt-CO2-Ausstoß für die gleiche Aktivität reduziert wird. Wasserbrunnen bieten Zugang zu sauberem Wasser, so dass kein Wasser mit Brennstoff gekocht werden muss. Gemeinschaftsprojekte bieten den Gemeinschaften, in denen sie vertreten sind, auch eine Vielzahl weiterer Vorteile.

Wie ist das Zitat Ihres Airline-Chefs Johan Lundgren, dass „es funktioniert, wenn man es mit den richtigen Projekten macht“, zu verstehen?

Damit meinen wir die Programme, die den weltweit anerkannten VCS entsprechen. Projekte, die nach einer der beiden Normen akkreditiert sind, sind sehr glaubwürdig, wobei Gold Standard-Projekte im Allgemeinen eher auf Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien und Gemeinschaftsprojekte ausgerichtet sind, während VCS-Projekte einen stärkeren Fokus auf forstwirtschaftliche bzw. Natur-basierte Projekte haben. Wir arbeiten mit Climate Focus zusammen, einem international führenden Beratungsunternehmen, das seit 15 Jahren Regierungen, Organisationen und Unternehmen bei der Umsetzung von Klimaschutzpolitik und -projekten unterstützt. Climate Focus hat uns bei der Auswahl von Projekten und Partnern beraten und bei der Entwicklung unseres Offset-Projektportfolios geholfen. Sie beraten uns auch in Bezug auf unseren laufenden Offset-Management-Prozess und wie wir in Zukunft unsere eigenen maßgeschneiderten Kompensationsprojekte aufstellen werden.

easyJet beteiligt sich zudem an der Airbus Forschung von Hybrid- und Elektroflugzeugen. Ist in naher Zukunft mit einem E-Flugzeug von easyJet zu rechnen?

Langfristig konzentrieren wir uns darauf, die Entwicklung von Elektro- und Hybridflugzeugen sowie die dafür notwendigen Technologien zu unterstützen. Wir arbeiten in diesem Bereich eng mit Partnern zusammen, darunter Wright Electric und Airbus. Wright Electric arbeitet an der Produktion eines vollelektrischen Flugzeugs mit 180 Sitzen für Kurzstreckenflüge. Mit Airbus arbeiten wir in einem gemeinsamen Projekt daran, zu untersuchen, wie Elektro- und Hybridflugzeuge für Kurzstreckenflüge in Europa eingeführt werden können.

Wir prüfen auch andere Technologien, um den CO2-Fußabdruck des Fliegens radikal zu reduzieren, und sprechen derzeit mit Airbus, Rolls Royce und Safran über neue Entwicklungen. Wir wollen uns auch für neue Technologien zur CO2-Bindung einsetzen, wie die direkte Luftreinigung und -Speicherung (DACCS) und nachhaltige Flugtreibstoffe (SAFs), indem wir versuchen, sie zu nutzen, sobald sie verfügbar und kommerziell verfügbar sind. Dies ist heute allerdings noch nicht der Fall.

Stephan Erler Country Manager Deutschland easyjet

Stephan Erler ist Country Manager Deutschland bei der Airline und hat die Fragen von ingenieur.de beantwortet.

Foto: easyJet

Wie stehen Sie zu der Erhöhung der Flugtickets ab April 2020?

Die Erhöhung der Luftverkehrsabgabe macht den Luftverkehr nicht sauberer, sondern hindert die Industrie nur daran, in Innovationen zu investieren. Passagiersteuern bieten keine Anreize zur Emissionsminderung, da die für einen Flug gezahlte Steuer nicht an die Emissionen gebunden ist. Wenn eine Steuer benötigt wird, muss sie in direkter Verbindung zu CO2 stehen – also beispielsweise eine Kraftstoffsteuer. Wenn die Passagiersteuern nicht durch eine angemessene Umweltsteuer ersetzt werden, sollten sie zumindest umstrukturiert werden, um Anreize für effizientes Fliegen zu schaffen. Sie sollten:

  • an den Flug und nicht an den Passagier geknüpft werden – mehr Passagiere pro Flug bedeuten weniger Flüge und weniger CO2-Ausstoß, um die Menschen zu ihrem Ziel zu bringen.
  • auf die Entfernung eines Fluges bezogen werden – denn längere Flüge verursachen mehr Emissionen als kürzere Flüge.
  • keine Ausnahme für Umsteigepassagiere, Privatflugzeuge oder Frachtflüge beinhalten, da diese ebenfalls zu den Emissionen beitragen.
  • die Effizienz und Lärmreduzierung der geflogenen Flugzeuge wiederspiegeln – ältere und umweltschädlichere Flugzeuge sollten stärker besteuert werden, um Anreize für Flottenerneuerungen zu schaffen.

Die Einnahmen aus Luftverkehrsteuern sollten für Investitionen in Umweltinitiativen oder Innovationen bestimmt sein.

Was denken Sie, was in Zukunft für die Umwelt noch getan werden muss?

Wir glauben, dass die Kompensation der durch Treibstoffverbrauch verursachten Emissionen zum heutigen Zeitpunkt die beste verfügbare Option ist und wir viel weiter gegangen sind als jede andere Fluggesellschaft. Wir glauben, dass der Rest der Branche uns in diesem Schritt folgen sollte.

Wir tun so viel wie möglich, um unsere CO2-Emissionen heute zu reduzieren, und unterstützen die Industrie dabei, die Entwicklung effizienterer Elektroflugzeuge voranzutreiben. Unser Ziel ist es, auf diese Technologien umzusteigen, sobald sie verfügbar und kommerziell realisierbar sind. Wir verstehen jedoch, dass diese Lösungen nicht kurzfristig verfügbar sein werden – wahrscheinlich nicht vor Mitte der 2030er Jahre. Bis dahin werden wir also unsere Emissionen so weit wie möglich reduzieren und alle verbleibenden Emissionen ausgleichen, denn das ist die beste Option, die uns jetzt zur Verfügung steht.

Dieses Interview wurde schriftlich geführt.

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Ein Beitrag von:

  • Sarah Janczura

    Sarah Janczura

    Sarah Janczura schreibt zu den Themen Technik, Forschung und Karriere. Nach einem Volontariat mit dem Schwerpunkt Social Media war sie als Online-Redakteurin in einer Digitalagentur unterwegs. Aktuell arbeitet sie als Referentin für Presse und Kommunikation beim VDI e.V.

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