Ein Assistent, der Radfahrer und Fußgänger schützt
Das Technologieunternehmen Continental hat einen neuen Rechtsabbiegeassistenten für Fahrzeuge entwickelt. Das kompakte Radarsystem soll Radfahrer und Fußgänger schützen, indem es Unfälle verhindert.
Das Unternehmen feiert das neue System als einen Entwicklungssprung. Bislang arbeitete man mit einer 24-Gigahertz-Technologie, die neue Radargeneration verwendet 77 Gigahertz (GHz). Das ermöglicht eine höhere Auflösung und zugleich lässt sich die Umgebung trennschärfer erfassen, so Continental. Es geht vor allem darum, andere Verkehrsteilnehmer oder Hindernisse noch genauer als bisher zu erkennen.
Technik soll Sicherheit beim Abbiegen erhöhen
Man steht an der Ampel, möchte rechts abbiegen. Der Blick in den Spiegel zeigt freie Fahrt. Im letzten Moment erinnert man sich an den Schulterblick aus der Fahrschule und hat dadurch doch noch den herannahenden Fahrradfahrer gesehen. Glück gehabt. Diese Situation hat sicher schon fast jeder Autofahrer einmal erlebt. Nicht in allen Fällen geht es gut aus, wie die Statistik zu Unfällen mit Radfahrern belegt. Auch wenn die Zahlen seit Jahrzehnten rückläufig sind, der Deutsche Verkehrssicherheitsrat zählt 2017 noch immer 382 tödliche Unfälle mit Radfahrern. Jeden Tag stirbt also mindestens ein Radfahrer auf Deutschlands Straßen.
Continental will mit seinem Rechtsabbiegeassistenten für Autos die Sicherheit beim Abbiegen deutlich erhöhen und dem Autofahrer in unübersichtlichen Situationen eine Unterstützung bieten. Die neue Radargeneration mit ihrem 77-GHz-Sensor soll Bewegungsrichtungen und Geschwindigkeiten exakter erkennen als das mit der 24-GHz-Technik bislang möglich war. Hinzu kommt, dass man bei der Entwicklung auch auf Kompaktheit geachtet hat. Das System benötigt deutlich weniger Platz und erleichtert damit den Einbau in Fahrzeuge, bei denen nur wenig Raum zur Verfügung steht.
Mehr Funktionen für Assistenzsysteme
Damit der Rechtsabbiegeassistent alles im Blick hat, ist eine nahezu lückenlose 360-Grad-Überwachung des Umfelds nötig. Continental setzt dafür Radarsensoren ein, die sich an den vier Karosserieecken anbringen lassen. Solche Radarsysteme sind bereits heute in den neuen Autos im Einsatz. Sie bieten die sensorische Grundlage für die verschiedenen Fahrerassistenzsysteme. Dazu gehören zum Beispiel die Erfassung des toten Winkels rechts und links schräg neben dem Auto, die Erkennung des Umfelds für den Spurwechselassistenten oder die Überwachung des Bereichs hinter dem Fahrzeug, damit die Insassen sicher aussteigen können. Nach Angaben des Unternehmens ist es nun möglich, dank der höheren Auflösung und der präziseren Erfassung mithilfe der neuen Radargeneration, weitere Funktionen im Rahmen der Assistenzsysteme umzusetzen.
Eine dieser weiteren Funktionen ist laut Continental der Rechtsabbiegeassistent. Mit der 77-GHz-Technik kann nun auch ein Radfahrer erkannt werden, der von rechts hinten an das Auto heranfährt. Sollte der Radfahrer rechts an der Seite des Fahrzeugs vorbeifahren und der Autofahrer sich zugleich zum Rechtsabbiegen entscheiden, würde der Assistent eingreifen. Der Eingriff sähe folgendermaßen aus: Die Sensoren erkennen den Radfahrer, geben ein Signal an die Bremse und das Auto stoppt – idealerweise lange bevor es zu einer Kollision der beiden Verkehrsteilnehmer kommt. Den Radfahrer kann man in dem Szenario ebenso gegen einen Rollerfahrer, einen E-Scooter-Fahrer oder einen Fußgänger austauschen. Auch diese Verkehrsteilnehmer wären durch den Assistenten geschützt. Das Radarsystem unterstützt den Autofahrer in riskanten Situationen. Denn manchmal ist trotz Schulterblicks nach hinten das gesamte Umfeld mit allen Verkehrsteilnehmern nicht immer eindeutig für ihn zu erkennen.
77-GHz-Technik als Basis für weitere Assistenzsysteme
Das Technologieunternehmen Continental hat diese Radartechnik entwickelt, um einen Beitrag zur sogenannten „Vision Zero“ zu leisten. Dabei geht es um einen unfallfreien Straßenverkehr in der Zukunft.
Eine Auswertung der Continental-Unfallforschung ergab: Mit einem Rechtsabbiegeassistenten für Pkw könnten 5% aller Unfälle mit getöteten oder schwer verletzten Radfahrern in Deutschland und weitere 6% bei denen Radfahrer leicht verletzt werden, verhindert werden. Bei Lkw seien es allein in Deutschland sogar 36% aller Unfälle, bei denen ein Radfahrer getötet wird. Die Abbiegeassistenten für Lkw sind gerade ohnehin in der Diskussion, die EU plant jedoch erst ab 2024 eine verpflichtende Erstausrüstung von Lastkraftwagen mit Abbiegeassistenten. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hält das für „viel zu spät“ und startete die Aktion Abbiegeassistent. Damit fördern das Bundesverkehrsministerium und das Kraftfahrtbundesamt die freiwillige Aus- und Nachrüstung von Lkw und Bussen mit Abbiegesystemen mit jährlich 10 Millionen Euro.
Nach Ansicht von Continental stellt die lückenlose und hochauflösende Umfelderfassung mithilfe der 77-GHz-Radartechnologie die Grundlage für weitere, künftige Assistenzsysteme, wie man sie beim automatisierten und autonomen Fahren benötigt. Mit den Daten ließe sich zum Beispiel auch ein Ausweichassistent umsetzen, der das Fahrzeug bei einem plötzlichen Ausweichmanöver aus dem Gefahrenbereich lenkt.
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