Ein Zugkontrollsystem von Siemens verdoppelt U-Bahn-Kapazität
U-Bahn-Netze gehören zu den Hauptschlagadern heutiger Metropolen. Und sind meist vollkommen überlastet. Ein innovatives Zugkontrollsystem von Siemens kann das ändern.
Der Münchner Technologiekonzern verspricht allen genervten U-Bahn-Fahrern „unterirdische Entspannung“. Dank des automatischen Zugkontrollsystems Trainguard MT sollen künftig doppelt so viele U-Bahnen durch die Tunnel der Metropolen rollen und damit doppelt so viele Fahrgäste befördern. Besonders charmant an dem Siemens-System zur Zugkontrolle: Es lässt sich einfach in bereits bestehende U-Bahn-Strecken integrieren. Somit ist kein aufwändiger und extrem teurer Neubau mit jahrelangen Baustellen notwendig.
Zentimetergenaue Erfassung
Der Trick von Trainguard MT besteht darin, im U-Bahn-Netz einer Stadt jederzeit die Position von allen Bahnen, die im Netz unterwegs sind, fast zentimetergenau zu erfassen. Dann kann der bisher feste Zugabstand drastisch verringert werden. Denn der feste Zugabstand hat einen Grund – den maximal vorzuhaltenden Bremsweg. Wegen der Sicherheit beträgt dieser Bremsweg typischerweise einen Kilometer. Kennt man die genaue Position aller Züge, so ist es möglich den Zugabstand flexibel an den aktuell tatsächlich notwendigen Bremsweg anzupassen. So reduziert sich der derzeit feste Abstand von rund drei Minuten, mit denen die U-Bahnen bisher unterwegs sind, auf 80 bis 90 Sekunden. Dadurch können doppelt so viele Bahnen im U-Bahn-Netz fahren. Ein enormer Gewinn für die Pendler in den Städten.
Acces-Points entlang der Strecke speisen die Informationen in das Netz
Siemens hat auf Basis von WLAN-Standards Airlink entwickelt, eine leistungsstarke und flexible Hardware- und Software-Plattform. Entlang der Strecke werden Zugangsknoten, so genannte Acces-Points installiert. Die einzelnen Knoten werden über sichere Glasfaserkabel untereinander und mit der Leitstelle verbunden. So entsteht eine dauerhafte Verbindung zwischen Zug und Zentrale. Die Zugangsknoten liegen im Abstand von etwa einem Viertelkilometer und können nicht von Handys oder Laptops und Tablets der kommunizierenden Fahrgäste gestört werden. Dabei sind sämtliche Airlink-Komponenten redundant ausgelegt. So sind die Acces-Points entlang der Strecke wechselseitig mit zwei unabhängigen WLAN-Routern verbunden und sie überlappen sich gegenseitig im Hinblick auf die Funkabdeckung. Dadurch ist gewährleistet, dass selbst dann eine umfassende Funkabdeckung vorhanden ist, wenn einmal ein Acces-Point ausfällt.
Haltepunktgenauigkeit von unter 30 Zentimeter
Eine schnelle Freigabe der jeweiligen Haltestelle garantiert ein Achszählsystem. Sobald ein Zug die Haltestelle verlassen hat, wird der Bahnsteig für den nachfolgenden Zug freigegeben, wenn der nötige Abstand erreicht ist.
Das ganze Trainguard MT System funktioniert für U-Bahn-Konzepte mit Fahrer genauso gut, wie für U-Bahn-Konzepte ohne Fahrer. Ein Radarsensor misst die Zuggeschwindigkeit jeder Bahn im Netz berührungslos nach dem Doppler-Prinzip. Dadurch kann eine Bahn sofort automatisch gebremst werden, wenn die vorausfahrende Bahn abbremst. Diese berührungslose Geschwindigkeitsmessung und die Messung des zurückgelegten Weges durch Zählen der Radumdrehungsimpulse ermöglichen dem System, eine Genauigkeit beim automatischen Anhalten im Bahnhof von weniger als 30 Zentimeter zu gewährleisten.Metrobetreiber weltweit interessiert
Das Trainguard MT System hat sich schon in einigen Weltmetropolen wie Peking und Istanbul bewährt. Weltweit setzen laut Siemens mehr als 25 Metrobetreiber auf die Innovation aus München. Die realisierten Projekte reichen von der Metrolinie 1 in Algier, über die Metrolinie 1 in Suzhou, einer der ältesten Städte im Osten von China, bis zur ersten vollautomatischen, fahrerlosen Metrolinie Lateinamerikas in Sao Paulo in Brasilien. In Kopenhagen, der Hauptstadt Dänemarks, rüstet Siemens derzeit das komplette 170 Kilometer lange, doppelgleisige S-Bahn-Netz der Metropole mit seinem Zugkontrollsystem aus. Fertiggestellt sein soll das vollautomatische System 2018. Dann wird auch Kopenhagen gerüstet sein für den Ansturm der vielen Menschen, mit denen Metropolen nach Prognosen künftig rechnen müssen.
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