Elektrischer Lastkraftwagen für die regionale Distribution
In die Entwicklung elektrischer Fahrzeuge steigen längt nicht nur etablierte Hersteller ein, auch Start-ups mischen in allen Sparten kräftig mit. Jetzt gab das amerikanische Jungunternehmen Thor Trucks eine Kooperation mit UPS bekannt.
UPS und Thor Trucks gaben diese Woche eine Kooperation bekannt: den Bau und Test eines bisher unbenannten elektrischen Lieferwagens. Hersteller ist Thor Trucks mit Sitz in Los Angeles. Das Logistikunternehmen UPS wird den Akku-Flitzer sechs Monate lang auf Herz und Nieren prüfen. Gemeinsam mit anderen Fahrzeugen mit alternativen Antrieben wird der Thor seinen Dienst verrichten. Zu seinen Kameraden gehören Gasfahrzeuge, Hybriden und Ethanol-Verbrenner. Nach Ablauf der Probezeit wird UPS entscheiden, ob der Thor mit seinen 160 Kilometern Reichweite zum dauerhaften Bestandteil der Truppe oder gescheiterten Experiment erklärt wird.
Thor Trucks stellte im Januar bereits ein anderes Modell vor: den ET-One. Mit gerade einmal 20 Mitarbeitern entwickelte das Start-up diesen rein elektrisch betriebenen Lkw, der vor allem für die Strecke Warenlager-Zielort ausgelegt ist. Das Modell soll schon im Jahr 2019 verkaufsreif sein, früher als der Tesla Semi. Auffällig ist neben dem Design des Trucks vor allem die geringe Reichweite sowie der hohe Preis. Trotzdem wirbt Thor Trucks mit finanziellen Ersparnissen für alle, die ihren regional eingesetzten Fuhrpark um den Sattelschlepper ergänzen wollen – den es auch als Leasing-Modell geben soll.
Kleines Start-Up mit wenigen Ressourcen
Thor Trucks ist ein junges Unternehmen und noch nicht nennenswert in Erscheinung getreten. Der ET-One ist das erste markttaugliche Projekt des Unternehmens, das für die Zukunft außerdem die Umrüstung bestehender Sattelschlepper auf Elektroantrieb plant. Details dazu stehen aber noch aus.
Wie genau ein junges Unternehmen ohne großen finanziellen Hintergrund einen kompletten Sattelschlepper finanzieren soll, ist dagegen schon im Detail bekannt. Der ET-One ist keine komplette Neuentwicklung, sondern wird aus verschiedenen, schon bestehenden Komponenten zusammengesetzt werden. Da ist einerseits das Chassis von Navistar, das modifiziert wurde. Dazu kommen Schwerlastachsen von Dana und die Elektromotoren von TM4, einer Tochterfirma von Hydromotoren Quebec. TM4 hat Erfahrung, das Unternehmen liefert auch Elektromotoren für Busse, Transporter und Lkw. Zu den Kunden des kanadischen Unternehmens zählen etwa Volvo Trucks und der indische Großkonzern Tata.
Als Begründung für die Verwendung von Bauteilen anderer Hersteller gibt Thor Trucks an, dass sich das Unternehmen auf die Entwicklung leistungsfähiger Batteriepakete und die Umrüstung von Diesel-Trucks auf den Stromantrieb konzentrieren will. Da bleibt natürlich keine Zeit, andere Komponenten des Sattelschleppers selbst zu entwickeln und zu bauen.
Kostenintensiver Truck
In der bisher vorgestellten Zusammensetzung soll der ET-One stolze 150.000 US-Dollar kosten. Die Reichweite wird mit 160 km angegeben – für ein Stadtauto mag das noch angehen, für einen Sattelschlepper ist das nicht viel. Daher auch die Möglichkeit zum Aufrüsten. Bei Bedarf kann später ein Akku mit einer Reichweite von 480 Kilometern eingesetzt werden, er befindet sich derzeit noch in der Planungsphase. Der ET-One würde mit diesem Akku allerdings schon stolze 250.000 US-Dollar kosten. Einige Quellen berichten, dass erst das Modell mit der höheren Reichweite auf den Markt kommen wird und die kleineren Akkus mit einer Reichweite von 160 Kilometern nachgerüstet werden können. Die Webseite von Thor Trucks stellt beide Modelle vor, ohne einen zeitlichen Rahmen zu nennen.
Gründer von Thor Trucks kommt aus dem Speditionswesen
Ein Grund könnte sein, dass Thor Trucks nicht nur finanziell klein aufgestellt ist, sondern dass es auch beim Personal noch Luft nach oben gibt. Das Unternehmen beschäftigt derzeit nur 18 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Gegründet wurde Thor Trucks vom Sohn eines Speditionsunternehmers, dem 25-jährigen Dakota Semler und einem Studienkollegen. Zusammen beschäftigen sie eher erfahrene Mitarbeiter, die vormals für Wettbewerber gearbeitet haben: etwa für Navistar, das Technologieunternehmen BYD (China), das 2015 den ersten reinen Elektro-Doppeldecker an London lieferte, beziehungsweise Faraday Future, dem US-amerikanischen Start-up mit chinesischen Investoren, das Tesla mit Elektroflitzern Konkurrenz machen möchte. Dass die Zukunft des Transportwesens im elektrischen Antrieb liegt, wurde dem jungen Semler aus der Erfahrung im elterlichen Betrieb klar. Deshalb sollen bereits ab 2018 einige Prototypen des ET-One für Testfahrten zur Verfügung stehen, und ab 2019 wird der elektrische Lkw in Serienproduktion gehen.
Genaue Leistung noch unbekannt
Wie genau die Leistung des Elektromotors aussehen wird, ist noch nicht bekannt. Das Team von Thor Trucks macht bislang keine genauen Angaben, die Leistung soll wohl irgendwo zwischen 300 und 700 PS liegen. Abhängig ist das auch von der Konfiguration, der Kunde wird die Wahl haben. Das Drehmoment sollte bis zu 6.400 Newtonmeter betragen, ein Ein-Gang-Getriebe wird die Kraftübertragung leisten.
Thor Trucks gibt die Nutzlast des ET-One mit gut 36 Tonnen an. Auch bei voller Auslastung soll sich die angegebene maximale Reichweite nicht ändern. Verwendet werden sollen Lithium-Ionen-Akkus, deren Werte ebenfalls noch nicht bekannt sind. Hergestellt werden sie von LG Chem. Die Ladezeit wird derzeit mit 90 Minuten angegeben.
Die geringe Reichweite des ET-One wird damit begründet, dass der Sattelschlepper tatsächlich nicht für größere Strecken gedacht ist, sondern für die letzten paar Meilen vom Warenlager zum Supermarkt oder dergleichen. Es geht also vorwiegend um den lokalen und eventuell noch regionalen Transport, und da erscheinen die geplanten Reichweiten durchaus ausreichend.
Ersparnisse bei Wartung und Treibstoff
Während der Anschaffungspreis des Sattelschleppers unter Einbezug der zu erwartenden Reichweite sehr hoch ist, verspricht Thor Trucks hohe Einsparungen bei Wartung und Treibstoffkosten. Die Wartungskosten sollen sich im Vergleich zu bisherigen Marktmodellen je gefahrenem Kilometer um etwa 60 Prozent reduzieren, bei den Treibstoffkosten sollen es sogar 70 Prozent je gefahrenem Kilometer sein.
Zum Vergleich: Der Tesla Semi soll die gleichen Ersparnisse bringen, wird aber eine Reichweite von 480 oder wahlweise sogar 800 Kilometern haben. Schon bei dem Modell mit den 480 km Reichweite liegen die Kosten laut ersten Kalkulationen von Tesla nur bei 150.000 bis 180.000 US-Dollar.
Thors ET-One erinnert auch im Design an den Tesla Semi
Thor Trucks hat die Kabine des ET-One aerodynamisch optimiert. Auf den ersten Blick meint man zwar, einer leicht gelangweilten schwarzen Bullterrier ins Gesicht zu blicken, aber der Eindruck relativiert sich schnell: Die Kabine hat eine vergleichbare Form wie der Tesla Semi. Der Kühlergrill fällt allerdings etwas markanter aus. Die Akkus werden links und rechts vom Hauptrahmen untergebracht und damit unter der Seitenverkleidung liegen. Allemal aufregender sieht der Euro X, die aktuelle Designstudie von Mercedes-Benz und dem Industriedesigner Muyeon Cho aus.
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