Elektroautos als Speicherreserve für das Stromnetz
Elektrofahrzeuge stehen in Smart-Grid-Konzepten hoch im Kurs, weil man ihre Batterien als mobile Speicherreserve betrachtet, die das Stromnetz stabilisieren soll. In einem Pilotversuch wurde jetzt getestet, ob und unter welchen Voraussetzungen diese These zutrifft.
Dezentrale Stromerzeugung auf Basis von Wind und Sonne mit ausgeprägten Spitzenerzeugungszeiten und Flauten wirft die Frage nach Stromspeichern auf. Denn erneuerbare Energieerzeuger herunterzuregeln, um die Netzstabilität zu gewährleisten, ist nicht im Sinne einer größtmöglichen Stromernte. Der Bau neuer Großspeicher ist langwierig, teuer und führt oft zu Protesten.
Eine mögliche Lösung sind die Batterien von Elektroautos. Ob sie tatsächlich – vor allem im Verteilnetzbereich – netzstabilisierend wirken können, untersuchte das Oldenburger Forschungs- und Entwicklungsinstitut für Informatik (Offis) im Feldversuchprojekt GridSurfer. Von ihm berichtete die Leiterin der Offis-Arbeitsgruppe Energiemanagement, Astrid Nieße, auf der diesjährigen Wissenschaftstagung Green IT Ende Oktober in Berlin. Am rund zweieinhalb Jahre laufenden Projekt ist auch der Energieanbieter EWE beteiligt. Es umfasste mehrere simulierte Szenarien und einen Praxistest mit Nutzerbefragung.
Pilot-Projekt GridSurfer testet, ob Elektroautos als Speicherreserve sinnvoll sind
Um ein ländliches Szenario zu simulieren, nahmen die Oldenburger einen Bereich mit 71 Einfamilienhäusern und einem 200-kVA-Mittelspannungs-/Niederspannungstransformator an. Jedes Haus hat eine Photovoltaik-Dachanlage à 2,3 kW Nennleistung (gesamt 160 kW). Diese Erzeuger laden ihre eigenen Autobatterien und übrigen Verbraucher, die Überschüsse speisen sie ins Stromnetz ein. 46 Elektroautos zu jeweils 11 kW Leistung waren dort stationiert.
Das Offis-Team simulierte drei Betriebsweisen der Elektroautos:
Ungesteuertes unidirektionales Laden: eine Batterieladung zu beliebigen Zeitpunkten bei Anschluss ans Stromnetz;
Gesteuertes unidirektionales Laden: eine Ladung nach vorgegebenem Lastprofil bei Stromüberschuss, aber keine Entladung der Batterien ins Netz;
Gesteuertes, bidirektionales Laden: Von einer Steueranlage am Ortsnetz werden zentral Lade- und Entladeslots entsprechend der Stromerzeugung der Solaranlagen zugeteilt. Offis bezeichnet dies als „echtes“ Vehicle to Grid (V2G).
Elektroautos sollten bidirektional funktionieren
Angestrebt wurde, Stromerzeugung und -bedarf innerhalb der niedrigstmöglichen Spannungsebene (Niederspannungs-/Verteilnetzebene) auszu- gleichen, damit der Strom nicht aus dem Entstehungsregelbereich exportiert werden muss, denn dies belastet die übergeordneten Spannungsebenen.
Gleichzeitig sollten Spannungsanstiege zu Spitzenerzeugungszeiten – etwa mittags – vermieden werden. Außerdem sollte möglichst kein in die Mittelspannungsebene eingespeister Strom auf die Niederspannungsebene zurückfließen, auch wenn auf der oberen Ebene ein Stromüberschuss herrscht.
Dabei zeigte sich: Nur die dritte Betriebsweise, das echte V2G, verwertet die erzeugte Solarstrommenge optimal. Bei den beiden Alternativen müssen knapp 30 % des erzeugten Photovoltaikstroms aus dem Niederspannungsregelkreis exportiert werden – nur etwa 10 % landen im Elektroautobatterie. Rund 60 % werden bei allen Varianten von stationären Verbrauchern genutzt.
„Von der mittleren Variante, gesteuertem Laden ohne Entladen ins Netz, hätten wir uns erheblich mehr erwartet. Das funktioniert nicht, weil die Fahrzeuge meist in der Garage stehen“, erklärte Projektleiterin Nieße. Ist die Batterie eines solchen Wagens einmal vollgeladen, fällt sie als flexibler Stromspeicher für das Netz so lange aus, bis das Auto durch Fahren wieder entladen wurde.
Bidirektional betriebene Elektroautos stabilisieren das Stromnetz
Die V2G-Betriebsweise erfüllte alle Erwartungen: Sie senkte den mittäglichen Spannungsanstieg im Netz und verringerte wirksam die Rückspeisungen in den Niederspannungsbereich.
In der Stadt freilich, wo die meisten Menschen nicht in Einfamilienhäusern mit eigenem Carport wohnen, hält Offis das V2G-Modell nicht für optimal. Dort dürften ausreichend viele Ladestationen nahe am Heim noch lange rar sein. Nieße: „Hier haben wir mit einer stationären Energiewechselstation experimentiert.“
Erst für die Zeit nach 2020 errechneten die Forscher tatsächliche Kostenersparnisse für die Elektroautofahrer – die prognostizierten Stückzahlen und Preisentwicklungen vorausgesetzt. Bis dahin muss ein Elektroauto wohl eher als teures Hobby oder Prestigeobjekt betrachtet werden.
Die angestrebten Ausgleichseffekte im Smart Grid sind aber nicht vom schnellen Erfolg der Elektromobilität abhängig. „Ein vom Netz aus steuerbarer Batteriespeicher im Haus hat dieselbe Wirkung wie Elektroautos“, betont Nieße.
Im Praxistest der Elektroautos war die Reichweite – anfangs von den Nutzern als wichtiges Kriterium genannt – „am Ende kein Thema mehr“, so Nieße. Viele der 35 Tester waren zu Einschränkungen bereit, um das Stromnetz zu stabilisieren – nur auf den gewohnten Komfort wollen sie nicht verzichten. So soll immer genug Strom in der Batterie bleiben, um im Notfall wichtige Ziele, etwa ein Krankenhaus, erreichen zu können.
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