Elektromobilität braucht Fahrerlebnisse
Sie fahren auf Veranstaltungen wie der Hannover Messe oder in Modellprojekten, doch im wahren Straßenleben sind sie noch immer eine Rarität
Kurt Sigl, Präsident des Bundesverbandes eMobilität, weiß: „Jeder, der mal mit einem Elektrofahrzeug gefahren ist, steigt mit einem breiten Grinsen aus.“ Man müsse Elektromobilität erlebbar machen, erklärte er letzte Woche auf einer Diskussionsveranstaltung in Düsseldorf. Das Network of Automotive Excellence (NoAE) hatte unter dem provokanten Motto „E-Mobilität: Will die Industrie nicht liefern oder der Kunde nicht kaufen?“ Branchenexperten an einen Tisch gebracht.
„Da draußen erfährt niemand Elektromobilität und das ist der Casus knacksus“, attestierte Sigl und warnte davor, den Verbraucher verantwortlich zu machen. Bislang habe es an ausreichend Fahrzeugen gefehlt. Doch in den letzten Monaten sei durch ein paar Hersteller einiges in Bewegung geraten.
Elektromobilität: „2013 wird auch in Deutschland der Knoten platzen“
Die allerdings kommen häufig aus dem Ausland. Sigl: „Wir müssen realistisch sehen, dass die deutsche Autoindustrie gepennt hat.“ Hierzulande gehe es zu viel darum, „dass technisch alles 110 %ig“ sei. „2013 wird auch in Deutschland der Knoten platzen“, prognostiziert Sigl. Schließlich kämen dann die deutschen Automobilbauer wie ihre Konkurrenten aus Japan und Frankreich mit für die Serie umsetzbaren Produkten.
Fabian Krohn, Leiter der Geschäftsentwicklung von E-Wolf, einem Hersteller von elektrisch betriebenen Nutzfahrzeugen, hat in der öffentlichen Wahrnehmung „einen gewissen Obama-Effekt“ registriert. Erst habe man überall hohe Erwartungen auf das Elektroauto projiziert „und dann haben wir plötzlich festgestellt, es fahren gar nicht so viele Autos auf der Straße“. Für Enttäuschung aber gebe es keinen Grund, denn: „Jetzt fängt der eigentliche konstruktive Prozess erst an.“
Das zeigt aktuell auf dem Markt kaum ein anderes Unternehmen deutlicher als Renault. Die Franzosen haben gerade im April mit dem Twizy, einem Miniflitzer in futuristischem Design, ihr drittes Elektrofahrzeug auf den deutschen Markt gebracht. Durch das Batterie-Leasing-Konzept des Herstellers liegt der Anschaffungspreis in der Grundausstattung bei knapp 7000 €. Das Interesse sei riesig, erstaunlicherweise bei Flotten wie Pizzadiensten, berichtet Beatrice Dégand-Wego, Projektleiterin Elektromobilität bei Renault Deutschland. „Wir sind optimistisch.“
Preis und Leistung bestimmen Nachfrage in puncto Elektromobilität
Für Timo Kondziela, Leiter Marketing und Business Development des Dienstleisters The Mobility House, ist „der Preis im Moment die entscheidende Stellschraube“. Wenn allerdings Preis und Leistung stimmten, würden die Menschen auch E-Fahrzeuge kaufen, davon ist Dieter Althaus, Vizepräsident Governmental Affairs des Automobilzulieferers Magna, überzeugt. Um die Entwicklung zu beschleunigen, müsse die Politik auch Ziele setzen sowie die Branche, Forschung und Entwicklung, aber auch den Konsumenten „unter Zugzwang“ bringen.
Auch Kohn von E-Wolf wünscht sich mehr Unterstützung durch die Politik und plädiert für Maßnahmen wie eine CO2-Beschränkung für Fahrzeuge im innerstädtischen Bereich. „Nur Fahrzeuge unter 50 g/km CO2- Emissionen dürfen rein“, so könnte es auch in deutschen Innenstädten heißen. Maßnahmen, die in anderen Ländern schon geplant seien.
Den Nutzen von Subventionen dagegen stellt Nick Margett, Deutschlandchef des Automobildatenanbieters Jato Dynamics, infrage. Eine europaweite Konsumentenstudie seines Unternehmens habe gezeigt, dass es nur partiell Zusammenhänge zwischen Subventionen und Zulassungen gebe.
Von direkten Kaufanreizen ist bei Elektromobilität abzuraten
Von direkten Kaufanreizen für den Verbraucher rieten auch die Teilnehmer eines VDMA-Roundtable zur E-Mobilität während der Hannover Messe ab. Öffentliche Gelder möchte der Verband eher in der Produktion sehen. „Wir brauchen Ankerinvestitionen, z. B. für die Zellproduktion“, erklärte Hartmut Rauen, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau.
Standardisierung, das betont Dirk Ziems, Marktforscher von Concept m, sei in diesem Zusammenhang für potenzielle Käufer ein wichtiges Stichwort. „Der Verbraucher wünscht sich eigentlich, dass sich die fünf, sechs größten Autokonzerne auf einen gemeinsamen Batteriestandard einigen“, erklärte Ziems in Düsseldorf. Aus Konsumentensicht sei die Elektromobilität zurzeit noch „ein riesiges Experimentierfeld“.
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